CSU:Politik des leeren Stuhls

Dass Angela Merkel nicht zum Parteitag eingeladen wurde, gehört zum CSU-Theater. Da muss man sich nicht sorgen. Bedenklicher ist der Leitantrag zum Islam. Da läuft der Populismus wiehernd durch 16 Seiten.

Von Heribert Prantl

Die CSU hat Angela Merkel nicht eingeladen zu ihrem Parteitag. Das widerspricht den guten Gepflogenheiten in der Union. Richtig verstanden ist das aber die richtige, weil verständlich furchtsame Reaktion Seehofers auf seine Ungezogenheit beim Parteitag von 2015, als er die Kanzlerin auf offener Bühne abkanzelte. Wäre Merkel auch beim Parteitag 2016 da, müsste sich Seehofer bei ihr an gleicher Stelle entschuldigen. Das entspräche der eigentlich zivilisierten Art Seehofers, käme aber womöglich in der von ihm selbst, von Söder und der Flüchtlingskrise aufgepeitschten Partei als Schwäche an.

Seehofer ist zwar derzeit sehr stark in der CSU, aber so stark, um einen Fehler oder wenigstens eine grobe Stillosigkeit einzugestehen, ist er nicht. Also bleibt der Stuhl der Kanzlerin leer am CSU-Parteitag. Das ist eine theatralisch-symbolische Politik, die die Differenzen zwischen CDU und CSU in der Form noch zelebriert, wenn sie in der Sache schon eher wieder eingeebnet sind. Der leere Stuhl Merkels ist für die CSU wie eine Trophäe für ihre Härte in der Flüchtlingspolitik: Seht her, wie stark wir sind! Merkel darf zwar Kanzlerin sein und Kanzlerkandidatin bleiben, aber reden bei uns darf sie nicht!

Den Altbayern sagt man Lust an der Schauspielerei nach; manchmal hören sie sich gern reden, manchmal geht die Freude an der Theatralik mit ihnen durch. Das gilt auch für Seehofer. Die Geschichte der CSU ist voll von einschlägigen Darbietungen und markigen Sprüchen. Der leere Stuhl auf dem Parteitag 2016 gehört dazu, die dortige Parole vom "Linksrutsch verhindern" auch. Die CSU agitiert in ihrem so bezeichneten Leitantrag gegen Rot-Rot-Grün, als stünde damit die Wiederauferstehung Erich Honeckers bevor. Die Empörung ist übertrieben; die Linke hat ihre Koalitions- und Regierungsfähigkeit immerhin in den Ländern McPomm, Berlin, Brandenburg und Thüringen bewiesen. Aber es ist Wahlkampf und in Zeiten allgemeiner Verunsicherung hält sich die CSU gern an die alten, vertrauten und wärmenden Schlachtrufe. Wenn sie nun eine "Linksfront" verhindern will, gehört das zu einer pointierten Positionierung; es ist dies halt ein weiterer Aufguss des Dregger'schen Wahlslogans von 1976, der bei der CDU "Freiheit statt Sozialismus" hieß und bei der CSU "Freiheit oder Sozialismus"; damit trat man vor vierzig Jahren vergeblich an gegen die SPD-Regierung ausgerechnet des Anti-Sozialisten Helmut Schmidt; aber im Rückblick verklärt sich manches.

Bedenklicher als der Leitantrag gegen die "Linksfront" ist der gegen den "Politischen Islam". Darin verbinden sich berechtigte Befürchtungen und Darlegungen zum gewalttätigen Extremismus mit bösen Vorurteilen. Zwar stellt der Leitantrag einleitend fest, dass der Islam kein Feindbild sei und die Religionsfreiheit "unbestritten". Aber dann tut dieser Leitantrag viel dafür, diese Einleitung zu widerlegen. Der Populismus läuft wiehernd durch die 16 Seiten. Die CSU stellt dem Islam den Stuhl vor die Tür, sagt aber, es handele sich nur um den für den "politischen Islam".

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: