CSU-Generalsekretär Dobrindt:Der Grätscher

Kleiner Parteitag der CSU

Angriffslustig: Generalsekretär Alexander Dobrindt

(Foto: picture alliance / dpa)

Manche halten Alexander Dobrindt für einen verbalradikalen Quartalsirren. Doch mit seinem modernen Wahlkampf war die CSU erfolgreich. Bald könnte der Generalsekretär Bundesminister werden - und so sein Image verbessern. Viele fragen sich ohnehin: Ist er wirklich so, wie er auftritt?

Von Robert Roßmann, Berlin

Es könnte das Bild des Tages werden. Angela Merkel war ja schon vor Jahren da, Horst Seehofer auch. Aber Alexander Dobrindt?

An diesem Mittwoch wird der CSU-Generalsekretär zum ersten Mal in seinem Leben das Willy-Brandt-Haus betreten. Der Gottseibeiuns der Sozialdemokratie kommt in die SPD-Zentrale - vor ein paar Wochen hätten die Genossen noch Knoblauch über ihre Pforte gehängt, um das zu verhindern. So verhasst wie der CSU-Generalsekretär ist in der SPD allenfalls Kristina Schröder. Aber eine große Koalition ist halt auch für große Überraschungen gut.

Um zwölf Uhr treffen sich die Unterhändler von Union und Sozialdemokraten in der SPD-Zentrale, einer von ihnen ist Dobrindt. Anschließend wird der CSU-Generalsekretär sogar eine Pressekonferenz geben, mitten im Willy-Brandt-Haus - und vis-à-vis der Statue des Parteiheiligen.

Viel ist noch nicht entschieden auf dem Weg zum neuen Bündnis. Aber eines scheint schon jetzt klar zu sein: Der CSU-Generalsekretär dürfte einer der Gewinner sein. Seehofer will ihn zum Bundesminister machen. Im Gespräch ist unter anderem das Ressort für Bildung und Forschung. Für viele ist das ein Mysterium. Ist Dobrindt nicht ein verbalradikaler Quartalsirrer? Einige seiner Sprüche haben längst Eingang in den Berliner Sentenzen-Schatz gefunden: die "Gurkentruppe" FDP, der "Falschmünzer" Mario Draghi oder die "schrille Minderheit" der Homosexuellen.

Warum schätzt Seehofer also ausgerechnet diesen Dobrindt so? Und was ist der Generalsekretär überhaupt für ein Mensch?

Angenehmes Wesen, manchmal fast etwas verklemmt

Wer sich bei Leuten umhört, die mit Dobrindt zu tun haben, bekommt zunächst einmal Überraschendes erzählt. Persönlich sei der Generalsekretär höflich und aufmerksam, heißt es selbst bei SPD-Abgeordneten. Eigentlich habe er ein angenehmes Wesen. Allerdings sei Dobrindt oft ziemlich kontrolliert, manchmal fast etwas verklemmt. Dass dem tatsächlich so ist, konnte man bei seinen Auftritten nach den Sondierungs- und Koalitionsgesprächen sehen: Da stand der Christsoziale immer mit eigenartig verschränkten Armen da - und gab nur einstudierte Sätze zum Besten.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat sich vergangene Woche mit ihrem CSU-Kollegen im "Il Punto" getroffen. Die beiden sollen einen schönen Abend bei gutem Rotwein gehabt haben. Das Motto des italienischen Restaurants ist "Noi, coltiviamo la nostra passione" - "Wir pflegen unsere Leidenschaft".

Dobrindt lobt Nahles' Professionalität

"Ich habe Respekt vor ihrer Professionalität", sagt Dobrindt über Nahles. "Wir kommen gut miteinander klar." Beide wurden im Juni 1970 geboren. Nahles hat ihr Kind 2011 bekommen, Dobrindt wurde 2012 Vater. Ähnlich sind sich die beiden trotzdem nicht. Das macht aber nichts, findet Dobrindt. Nahles und er seien "immer sportliche Gegner" geblieben, ihr Verhältnis sei "persönlich ungetrübt". Und das sei auch wichtig. Schließlich müssten die Generalsekretäre "bei Schwierigkeiten notfalls der letzte offene Kommunikationskanal zwischen den Parteien sein".

Wer mit Dobrindt spricht, erlebt einen kühlen Analytiker, frei von Ressentiments, wie sie seine regelmäßigen Ausbrüche eigentlich erwarten lassen. Schlüpft er also nur in den Mantel des bösen Generalsekretärs, um eine Rolle zu erfüllen? Und abends, bei seiner Frau und dem kleinen Emmeran, kommt der Mantel wieder an die Garderobe?

Nach der Frage lacht Dobrindt erst mal. Das Mantel-Bild müsse er eigentlich mit Abscheu und Empörung zurückweisen, sagt er. Eigentlich. Denn dann erklärt einem der 43-Jährige ziemlich lange, was ein Generalsekretär heute tun muss, um erfolgreich zu sein. Zitieren lassen will er sich damit nicht. Am Ende ist aber trotzdem klar, dass das Bild mit dem Mantel nicht ganz verkehrt ist. Wann immer die Gefahr bestand, dass der CSU die Stammwähler davonlaufen, ist der Generalsekretär reingegrätscht - etwa in der Debatte über die Euro-Hilfen oder die Gleichstellung der Homosexuellen.

Söder kämpft noch immer mit seinem Ruf als Generalsekretär

Auch im Fußball war die Notbremse lange ein probates Mittel. Doch dort, wo früher die Grätscher standen, spielt heute der Sanftfuß Philipp Lahm - und löst die Dinge human. In der Bundesliga sind die Blutgrätscher ausgestorben, in der Politik gibt es noch Alexander Dobrindt. "Man wird halt nicht immer gelobt, wenn man die Rolle eines Generalsekretärs ausfüllt", sagt er. Notwendig sei es trotzdem, das hätten die Erfolge gezeigt. Aber auch Dobrindt weiß, dass er einer "Resozialisierung" bedarf. Ein Ministeramt könnte da hilfreich sein. Eine Garantie ist es jedoch nicht. Markus Söder hat immer noch mit dem Ruf aus seinen Generalsekretär-Zeiten zu kämpfen, dabei sitzt er jetzt schon sechs Jahre im bayerischen Kabinett.

Seehofer schätzt Dobrindt aber nicht nur, weil er loyal ist und die undankbare Aufgabe des Grätschers klaglos wahrnimmt. Der Generalsekretär hat sich bei seinem Chef vor allem mit der modernen Wahlkampagne empfohlen. Über Dobrindts persönliche Wandlung ist ja viel geschrieben worden. Er hat sich eine neue Brille besorgt und 19 Kilogramm abgenommen. Der Herrenausstatter Hirmer in der Münchner Fußgängerzone hat viel Geld an dem ständigen Kleidergrößen-Wechsel verdient - aus 56 wurde 48.

Dobrindt hat aber nicht nur sich, sondern auch die Partei verwandelt. Sein Schlüsselerlebnis hatte er vor drei Jahren. Damals sprach ein Nachrichtensprecher in einer Anmoderation für einen Fernsehbeitrag von der CSU als "gefühlt ältesten Partei Deutschlands". Beim Generalsekretär hat es damals Klick gemacht. "Von Außenstehenden wurde die CSU als eine Partei wahrgenommen, die sich immer im Hinterzimmer vom Goldenen Hirschen zu Schweinebraten und Weißbier trifft", sagt Dobrindt. Seine Mission war es von diesem Tag an, das zu ändern.

Der Generalsekretär hat eine Wahlkampfzentrale außerhalb der etwas aus der Zeit gefallenen Parteizentrale eingerichtet. Er hat die Bildsprache der Wahlplakate drastisch modernisiert. Auf einigen stand nicht einmal mehr "CSU". Den Wahlwerbespot fürs Fernsehen würdigte sogar ein Filmkritiker der SZ als "erschreckend perfekt". Außerdem etablierte Dobrindt eine Vielzahl neuer Veranstaltungsformen. Dem Ministerpräsidenten schneiderte er mit "Seehofer Direkt", einer Art Bürgerforum mit dem CSU-Chef, ein passendes Format auf den Leib.

Bei Pelzig würde er jetzt wohl bestehen

Und neben klassischen Stammtischen und Bierzelt-Auftritten gab es auf einmal "Lounge in the City", "Ladies After Work Party" und "Talk in the City". Dobrindt musste sich in der Partei wegen der Anglizismen und Formen viel Häme anhören. Er setzte sich aber durch. Zur Lounge im Münchner Hofgarten kamen im August 900 Frauen. Dobrindt lief durch die Reihen und pries etwas zu euphorisch den "Kult", den man geschaffen habe. 50 derartige Treffen gab es in ganz Bayern. Die Weißbier-Partei soll jetzt eine Aperol-Spritz-CSU sein. "Mit den neuen Veranstaltungsformen haben wir einen modernen und zeitgemäßen Kommunikationskanal geöffnet", sagt Dobrindt. Am Ende wählten die Mehrheit der Frauen und die Mehrheit der unter 30-Jährigen wieder CSU.

Der Erfolg hat auch Dobrindt verändert. Am augenfälligsten wird das, wenn man seinen Auftritt bei "Pelzig hält sich", der Talkshow des Kabarettisten Frank-Markus Barwasser, noch einmal anschaut. Da sitzt ein unsicherer Generalsekretär, der sich vergeblich um lustige Antworten bemüht und irgendwann nur noch schweigt. Etwas Schlimmeres kann einem CSUler kaum passieren. Das war im Sommer 2011. Inzwischen ist Dobrindt Talkshow-erfahren und breit im politischen Stoff. Bei Pelzig würde er jetzt wohl bestehen.

Wie weit der Weg ist, den Dobrindt schon gegangen ist, zeigt sein Umgang mit der nordrhein-westfälischen Ministerpräsidentin. Vor drei Jahren beschimpfte er Hannelore Kraft noch als "faulstes Ei in der deutschen Politik". Im Wahlkampf beklagte er ihre "Schuldenmacherei". Doch nach dem letzten Sondierungsgespräch mit der SPD war davon nicht mehr die Rede. Kraft und er hätten sich "auf dem Balkon" der Parlamentarischen Gesellschaft ausgesöhnt, sagte Dobrindt - natürlich mit verschränkten Armen.

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