Süddeutsche Zeitung

CSU:Der Kreuz-Befehl

Die CSU instrumentalisiert eine religiöse Kernbotschaft. Sie macht daraus die billige Botschaft "Mia san mia". Das ist nicht christlich, das ist Ketzerei - weil es das Kreuz verstaatlicht und damit säkularisiert.

Von Heribert Prantl

Das Kreuz ist nicht einfach ein heimatlicher Wandschmuck. Es ist nicht einfach Symbol für Tradition. Es ist nicht Folklore, es ist kein religiöses Hirschgeweih. Es ist das wichtigste christliche Zeichen, es ist das Symbol für Erlösung, Sinnbild des Leidens und der Herrschaft Christi. Diese Herrschaft ist aber kein staatliches Regiment, deshalb gehört das Zeichen nicht per staatlicher Anordnung in staatliche Räume gehängt.

Die bayerische CSU-Staatsregierung tut genau das. Sie hat angeordnet, das Kreuz als "Ausdruck der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns" im Eingangsbereich jedes Dienstgebäudes "deutlich wahrnehmbar" anzubringen. Dies ist keine Respektsbezeugung, das ist ein Missbrauch; das ist die politische Instrumentalisierung einer religiösen Kernbotschaft. Die CSU macht daraus die billige Botschaft "Mia san mia". Das ist nicht christlich, das ist Ketzerei - weil es das Kreuz verstaatlicht und säkularisiert. Es ist so: Die Entfremdung von gelebter Religion schreitet fort, auch in Bayern, die Politisierung von Religion nimmt zugleich zu.

Nur ein in Religionsangelegenheiten neutraler Staat kann glaubwürdig die Religionsfreiheit verteidigen. Und von dieser Religionsfreiheit leben nicht nur die Muslime, Agnostiker und Atheisten, sondern auch die Christen. In Deutschland gilt kraft Grundgesetz ein System freundlicher Trennung von Kirche und Staat. Die CSU hebt diese Trennung auf, verwandelt das Kreuz zum Pluszeichen: christliche Kirche plus Staat gleich CSU. Das ist in Zeiten, in denen es um ein zuträgliches Miteinander der Religionen geht, eine Kampfhandlung; die Gesellschaft in Deutschland und Bayern braucht nicht Kampf, sondern Gespräch und Integration.

Nichts geschieht ohne Kontext: Der Kreuz-Befehl kommt von denen, die bestreiten, dass "der Islam zu Deutschland" gehört. Der Befehl ist also ein Akt der Ausgrenzung. Daher ist er religiös häretisch und politisch unverantwortlich. Das Kreuz wird zum CSU-Wahlkampfsymbol gemacht. Heinrich Bedford-Strohm, bayerischer Landesbischof und Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche, hat versucht, das zurechtzubiegen: Er freute sich über die "Selbstverpflichtung" der CSU - weil doch vom Kreuz die Botschaft der Menschenwürde und Humanität ausgehe. Wird der Bischof dafür beten, dass die Kreuze herunterfallen, wenn die Politik der CSU diese Botschaft malträtiert? Wird er in die Eingangshallen der Ämter gehen, und die Kreuze dann abhängen?

Die CSU knüpft an einen gewaltigen Streit an, der vor 23 Jahren geführt wurde. Damals hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Kruzifix-Beschluss eine Vorschrift in der bayerischen Volksschulordnung für verfassungswidrig erklärt, die das Anbringen von Kreuzen in allen Klassenzimmern zur Pflicht machte. Der Karlsruher Beschluss verbot das Aufhängen des Kreuzes nicht rundweg, es erklärte lediglich die Pflicht, es aufzuhängen, für verfassungswidrig. Die Entscheidung wurde von wütenden Kritikern als Aufruf zur Gottlosigkeit und zur Entfernung aller Kreuze missverstanden. Es handelt sich um ein von der CSU gefördertes Missverständnis. Warum? Ein Kreuz konnte und kann weiterhin aufgehängt werden, wenn Eltern und Schule einverstanden sind.

Der Karlsruher Spruch hatte daher kaum praktische Auswirkungen. Der antichristliche Kulturkampf, damals von Kirchen und CSU befürchtet, blieb aus. In den bayerischen Klassenzimmern hängen immer noch Kreuze; nur ein paar wenige wurden, weil es an den Schulen Streit gab, abgehängt. Bayern erließ zwar ein neues Kreuzrecht wie folgt: "Angesichts der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns wird in jedem Klassenraum ein Kreuz aufgehängt." Das klang nach Ungehorsam gegenüber dem Gericht, aber: Man ergänzte die Aufhängepflicht mit einer Konfliktregelung; wohl deswegen hat das Gesetz bis heute juristisch Bestand - weil dort auch steht, wann das Kreuz ausnahmsweise abgehängt werden soll.

Der Karlsruher Kruzifix-Beschluss hatte wegweisende Bedeutung für das Verhältnis von Religion und Staat in Deutschland. Er war und ist eine Leitentscheidung - über den Respekt gegenüber Anders- und Nichtgläubigen in einem Land, das multikulturell und multireligiös geworden ist. Die CSU hat nun mit dem Kreuz-Befehl diese Wegweisung verlassen.

"Kreuze gehören zu Bayern wie die Berge", hat damals Edmund Stoiber als bayerischer Ministerpräsident bei einer Art Revolutionsaufruf gegen das Verfassungsgericht verkündet. Ja - und auf den Bergen stehen Gipfelkreuze. Die stehen aber nicht von Staats wegen da, die Kreuze am Wegrand und die Brückenheiligen auch nicht. Das alles ist gut und hat mit Tradition zu tun, mit dem Ur-Heimatrecht des Christentums in diesem Land. Wenn einer diese vertrauten Zeichen nicht braucht, ist es auch gut; aber er soll und muss diese Zeichen den anderen lassen. Die CSU indes soll und muss es lassen, das Kreuz als Dominanz-Symbol ihrer Politik einzusetzen. Das ist nicht recht.

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SZ vom 26.04.2018
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