Süddeutsche Zeitung

CSU:Wer, wenn nicht Söder?

Wer soll die Christsozialen in die Bundestagswahl führen, wenn der CSU-Chef nicht Kanzlerkandidat wird? Die Frage stellt sich die Partei zurzeit lieber nicht. Aber es gibt zwei Favoriten.

Von Robert Roßmann, Berlin

Es gibt kaum etwas, über das im politischen Berlin gerade häufiger spekuliert wird als über die Zukunft von Markus Söder: Wird der CSU-Chef auch Kanzlerkandidat? Manche fragen sich bereits, wer in diesem Fall Söders Nachfolger als Ministerpräsident werden könnte - und was all das für Folgen für Bayern hätte. Umso erstaunlicher ist es, dass über eine Frage kaum gesprochen wird, die mit der nach der Kanzlerkandidatur unmittelbar zusammenhängt: Wer wird Spitzenkandidat der CSU, wenn es Söder doch nicht nach Berlin zieht? Bis zur Bundestagswahl ist es nicht einmal mehr ein Jahr. Aber wenn man bei der CSU nachfragt, wird einem treuherzig versichert, dass die Spitzenkandidatur noch gar nie ein Thema gewesen sei.

Das mag auch daran liegen, dass die Frage für die Partei nicht leicht zu beantworten ist. Zum einen ist es ungeschickt, offen darüber zu reden, bevor klar ist, was Söder am Ende machen wird. Vor allem aber offenbart die Frage, wie schlecht die CSU gerade in Berlin aufgestellt ist.

Bei der Suche nach einem Spitzenkandidaten richtet sich der Blick normalerweise als erstes auf die Bundesminister. Aber Horst Seehofer und Gerd Müller haben bereits erklärt, ihre Karriere mit der Bundestagswahl 2021 beenden zu wollen. Und Andreas Scheuer, der dritte Ressortchef der CSU, muss froh sein, wenn er diese Wahl überhaupt noch als Regierungsmitglied erlebt. Zu groß und für die CSU zu schädlich sind die Vorwürfe in der Maut-Affäre.

Auch aus dem bayerischen Kabinett drängt sich niemand auf. Die Ministerinnen Michaela Kaniber (Landwirtschaft) und Kerstin Schreyer (Bau und Verkehr) werden in der CSU zwar sehr geschätzt. Kaniber wird sogar als mögliche Bundesagrarministerin gehandelt, falls das Ressort mal wieder an die Christsozialen fallen sollte. Als Spitzenkandidatinnen für die Bundestagswahl kann sich Kaniber und Schreyer aber niemand vorstellen. Außerdem gab es das Modell Landesminister als Spitzenkandidat schon bei der Wahl 2017 - und da war es nicht sonderlich erfolgreich. Damals führte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann die CSU in die Bundestagswahl. Der ist zwar ein erfahrener Ressortchef und in der Partei beliebt. Bei seiner Wahl zum Spitzenkandidaten pries ihn der damalige CSU-Chef Seehofer mit dem Hinweis an, er habe in seiner langen Zusammenarbeit mit Herrmann nie einen "Anflug von Unzuverlässigkeit oder Intrige erlebt". Doch die Spitzenkandidatur Herrmanns blieb eine Episode. Der Innenminister schaffte es nicht einmal, in den Bundestag gewählt zu werden.

Wer also dann? Es gibt in der CSU zwar kaum noch einen, der Markus Blume unterschätzt. Der CSU-Generalsekretär spielt inzwischen in der politischen Bundesliga mit. Der Mittelpunkt seines Wirkens ist aber naturgemäß München und der Freistaat - und nicht Berlin. Außerdem wird er als Wahlkampfmanager gebraucht. Und: Blume sitzt im Landtag. Den CSU-Abgeordneten im Bundestag aber nach 2017 noch einmal einen Landespolitiker als Spitzenkandidat für die Bundestagswahl vor die Nase zu setzen, wäre schwer vermittelbar.

Wegen dieser Lage müsste eigentlich alles auf Alexander Dobrindt zulaufen. Der ist Chef der CSU im Bundestag. Außerdem war er bereits Bundesminister und Generalsekretär. Der Landtagswahlkampf 2013, an dessen Ende die CSU noch einmal die absolute Mehrheit eroberte, war sein Werk. Dobrindt wird in der Partei für seine klaren Analysen geschätzt. Für einen Sympathieträger, der die Leute auf den Marktplätzen zu begeisterten CSU-Wählern werden lässt, hält er sich aber vermutlich noch nicht einmal selbst.

All das führt dazu, dass es auf einmal jemanden gibt, der an Dobrindts Stelle die CSU in die Bundestagswahl führen könnte: Dorothee Bär. Die 42-Jährige sitzt bereits seit 18 Jahren im Bundestag. Sie war schon stellvertretende Generalsekretärin und Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium. Derzeit ist sie stellvertretende CSU-Chefin und Staatsministerin im Bundeskanzleramt, zuständig für Digitales.

Söder arbeite sowohl mit Dobrindt als auch mit Bär vertrauensvoll zusammen und schätze die Arbeit der beiden gleichermaßen, heißt es in der CSU-Zentrale. Das ist eine Gleichsetzung, die Dobrindt Sorgen machen muss. Auch weil man von Söder noch vor einem Jahr kaum etwas gehört hat, was einen hätte erkennen lassen, dass er Bär bereits ein Amt ganz an der Spitze zutraut. Aber an dieser Einschätzung scheint sich etwas geändert zu haben. Wie Bär zum Beispiel fast im Alleingang dafür gesorgt hat, dass Roland Tichy seinen Rückzug als Chef der Ludwig-Erhard-Stiftung verkünden musste, das hat vielen Respekt abverlangt. Bär scheue das Risiko nicht, erkenne Chancen - und nutze sie, heißt es.

Mit einer - für CSU-Verhältnisse - jungen Frau mit hoher Digitalkompetenz in den Wahlkampf zu ziehen, das hat für all die Strategen in der CSU Charme, die mit Sorge auf die Erfolge der Grünen bei den Frauen, in den Städten und bei den jüngeren Wählern schauen. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird in Präsidiumskreisen der CSU sogar schon darüber gesprochen, "ob es hilfreich sein kann, mit einer Kabinettsumbildung in Berlin jemand prominent zu platzieren, um damit eine Spitzenkandidatur vorzubereiten". Das wäre ein Manöver, wie geschaffen für Bär. Sie könnte nach einem Rückzug Scheuers Verkehrsministerin werden und mit diesem Amt im Rücken als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf ziehen. Und die CSU müsste nicht mehr mit dem Vorwurf leben, dass ihre drei Bundesminister ausnahmslos Männer sind.

Bisher sind das alles aber nur Gedankenspiele. Man weiß ja noch nicht einmal, ob am Ende nicht doch Söder als Kanzlerkandidat - und damit auch als CSU-Spitzenkandidat - ins Rennen geht.

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SZ vom 06.10.2020/bix
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