Crowdfunding:Im Schwarm zum Erfolg

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Unternehmen haben verschiedene Möglichkeiten, über die Crowd an Geld zu kommen. Wie die Finanzierung funktioniert.

Von Thorsten Riedl

Die Idee für ein spannendes Produkt haben Yoganshi Shah und Hiral Sanghavi. Nur das Geld fehlt. Also werben sie auf der Internet-Plattform Kickstarter für die "weltbeste Reisejacke" - mit integriertem Kissen, Handschuhen, Brillenreinigungstuch und noch vielem mehr. Als Ziel haben sich die Entrepreneure aus San Francisco 20 000 Dollar gesetzt, um die Jacken herstellen zu lassen. Ende September sind mehr als neun Millionen Dollar von 45 000 Unterstützern zusammengekommen. Es ist unter den bislang 250 000 Kampagnen auf Kickstarter eine der erfolgreichsten. Und natürlich weckt das Neugier bei Nachahmern, wie so etwas funktioniert.

Die Idee des Crowdfunding, der Finanzierung über den Schwarm, geht zurück auf die Musikszene. ArtistShare startete zum Jahrtausendwechsel mit der Idee, die Fans könnten für neue Alben die Künstler via Internet auch direkt bezahlen. Inzwischen lässt sich für die Reisejacke über das Film-, Buch-, Computerspielprojekt, die Recherchereise bis hin zum extrascharfen Küchenmesser für so gut wie alles Geld bei der Crowd einwerben.

Hierzulande werden seit 2010 Projekte im Schwarm finanziert. So wurden gemäß einer Studie des Internetportals Für-Gründer.de im Jahr 2011 in Deutschland gerade einmal eine halbe Million Euro über die Crowd eingesammelt. Im Jahr darauf waren es schon zwei Millionen Euro, 2013 mehr als fünf und 2014 fast neun Millionen Euro. Im ersten Halbjahr dieses Jahres flossen knapp fünf Millionen Euro an Gründer - viel Geld. Doch im vergangenen Jahr gab es 50 Prozent mehr Geld aus Deutschland an Projekte auf der US-Plattform Kickstarter als im eigenen Land insgesamt finanziert wurden. Nur Kickstarter konnte in dem Jahr weltweit eine halbe Milliarde Dollar einsammeln. Kein Wunder, dass sich viele deutsche Gründer gleich auf dem US-Original präsentieren. In hiesigen Breiten führt Startnext das Segment. Doch das Crowdfunding, bei dem der Financier eine Gegenleistung erhält - wie etwa eine Reisejacke -, stellt inzwischen nur noch einen Teilbereich des Marktes dar.

Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) unterscheidet zu dieser "gegenleistungsbasierten" Finanzierung durch den Schwarm das "spendenbasierte" Crowdfunding, bei dem Geldgeber sich für ein bestimmtes Projekt engagieren, ohne Gegenleistung. Hinzu kommt das "kreditbasierte Crowdfunding", auch Crowdlending genannt, das auch für mittelständische Betriebe als Finanzierungsform taugt: Die Crowd wird zum Kreditinstitut, die ihr Geld gegen Zins über eine vorab festgelegte Zeit zurückbekommt.

Auxmoney gilt als deutscher Marktführer in diesem Segment. Ein Gitarrenhändler sucht dort aktuell etwa einen Kredit über 25 750 Euro, um vor Weihnachten den Warenbestand zu erhöhen. Er bietet einen Zins von 14,5 Prozent. Ordentlich, in Zeiten von Niedrigzinsen. Ein Sicherheitsdienstleister will 6000 Euro, um sein Geschäft an weiteren Standorten auszubauen. Gebotener Zins: 13,5 Prozent. Fast 60 000 Kreditwünsche hat Auxmoney seit März 2007 eigenen Angaben zufolge erfüllt, ein Kreditvolumen von 354 Millionen Euro vermittelt zu einer Durchschnittsrendite von 6,7 Prozent. Wer einen Kredit sucht, wird einer "aufwendigen und mehrstufigen Kreditkontrolle" unterzogen, versichert der Anbieter. Das soll das Ausfallrisiko senken. Laut Für-Gründer.de wächst Crowdlending derzeit in Deutschland am schnellsten. Das Portal schätzt, dass im ersten Halbjahr 74 Millionen Euro vermittelt wurden. Damit wurde das Volumen von 2014 bereits nach sechs Monaten um mehr als das Doppelte übertroffen.

Die Betriebe werden nicht immer auf Glaubwürdigkeit und Solvenz geprüft

Schließlich führt die Bafin noch das Crowdinvesting an. Knapp zehn Millionen Euro wurden im ersten Halbjahr so eingeworben. Webseiten wie Companisto oder Seedmatch gehören zu den führenden Anbietern. So sucht Rotorvox via Seedmatch gerade 500 000 Euro, um einen "Vollcarbon-Gyrocopter" zu entwickeln. Gelingt der Verkauf des Tragschraubers, werden Investoren am Erfolg beteiligt - sofern es denn einen solchen gibt. Eine Untersuchung des Finanzdienstleisters Barkow Consulting geht davon aus, dass von den eingesammelten Geldern bis Ende des vergangenen Jahres gut acht Prozent Ausfälle waren - und für die Anleger bedeutet das oft genug: Komplettausfälle. Häufig besorgen sich Unternehmen über die Internetportale Geld über nachrangige Darlehen. Wenn das Start-up verkauft wird oder an die Börse geht, erhalten frühe Investoren dann in der Regel ein Mehrfaches ihres Einsatzes. Alternativ können sie auch nach einiger Zeit, meist nach fünf bis sieben Jahren, am Gewinn beteiligt werden. Im Insolvenzfall jedoch bekommt der Anleger sein Geld nur zurück, wenn alle anderen Ansprüche von Fremdkapitalgebern bedient worden sind.

Auch das ursprüngliche Crowdsourcing hat schon den ein oder anderen Skandal hinter sich. Ein US-Unternehmen hat gerade für Schlagzeilen gesorgt. Es bat vor drei Jahren um Geld für ein Kartenspiel - passiert ist seither nichts. Der Generalstaatsanwalt von Seattle wollte den Fall nicht auf sich beruhen lassen. Er machte die Betrüger ausfindig und setzte eine Klage auf Schadensersatz durch. Die Regel ist das nicht, denn Anbieter, die sich über den Schwarm finanzieren wollen, werden nicht immer auf Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Solvenz geprüft.

Im Frühjahr hat der Bundestag daher die neue Finanzierungsform im Kleinanlegerschutzgesetz berücksichtigt. Die Regeln sind nicht so scharf ausgefallen, wie von der Branche befürchtet, doch es gibt nun ein Mindestmaß an Schutz. Wer 2,5 Millionen Euro oder mehr einwerben will, muss einen Prospekt mit Details auflegen. 2016 soll das Gesetz auf den Prüfstand gestellt werden. Ob Reisejacke, neue Gitarren oder Tragschrauber: Die Regulierung wird nicht verhindern, dass sich mehr und mehr Betriebe Geld über den Schwarm besorgen.

© SZ vom 08.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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