Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Welt im Fieber

In vielen Staaten werden Grenzen und Schulen geschlossen, die Kurse an den Börsen stürzen weiter ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht von einer ganz außergewöhnlichen Situation und fordert von der Bevölkerung, auf soziale Kontakte zu verzichten.

Von Michaela Schwinn

Die Ausbreitung des Coronavirus versetzt Wirtschaft und Gesellschaft in den Ausnahmezustand. An den Börsen ging es nach einer zum Teil desaströsen Woche am Donnerstag erneut dramatisch abwärts. Der Dax schloss mit einem Minus von mehr als zwölf Prozent - das sind 1277 Punkte weniger - und meldete den zweitgrößten Tagesverlust seiner Geschichte, nach dem Kursrutsch vom Oktober 1989. Verluste verzeichneten unter anderem die Aktien von Fluglinien. Die Lufthansa-Aktie verlor 14 Prozent an Wert, die der Deutschen Bank sogar mehr als 18 Prozent.

Der Börsensturz resultiert auch daraus, dass Regierungen weltweit immer drastischere Maßnahmen wie Reisebeschränkungen und Kontrollen ergreifen, um die Lungenkrankheit einzudämmen. So untersagte Donald Trump allen Europäern die Einreise in die USA für 30 Tage. Das Verbot soll von Freitagmitternacht an gelten, teilte der amerikanische Präsident am Mittwoch in einer Ansprache an die Nation mit. Ausgenommen sind nur Großbritannien und Angehörige von amerikanischen Staatsbürgern, die in die USA zurückkehren wollen. Der Einreisestopp wurde von der Europäischen Union heftig kritisiert. Die EU-Spitzen wiesen die Maßnahme zurück und wehrten sich gegen den Vorwurf, die EU habe nicht genug gegen das Virus Sars-CoV-2 getan. Wie es nun im transatlantischen Flugverkehr weitergeht, konnte die EU-Kommission noch nicht sagen.

Auch in Deutschland könnten sich die Sicherheitsvorkehrungen verschärfen. Die Bundespolizei wird ihre Kontrollen an den Grenzen verstärken. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) habe Bundespolizei-Präsident Dieter Romann angewiesen, die Kontrollen an allen Binnengrenzen "noch einmal deutlich zu intensivieren", sagte ein Ministeriumssprecher. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte nach einem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder am Donnerstagabend in Berlin, das Land befinde sich in einer "ganz außergewöhnlichen Situation", die schwieriger zu bewältigen sei als die Bankenkrise. "Es ist unsere Aufgabe, Menschenleben zu retten". Gleichzeitig gehe es darum, die Wirtschaft am Laufen zu halten. "Wir haben es mit einem dynamischen Ausbruchsgeschehen zu tun, das heißt, die Zahl der infizierten Personen steigt sehr stark an." Sie rief die Bevölkerung auf, wo immer möglich auf Sozialkontakte zu verzichten. Auch "alle nicht notwendigen" Veranstaltungen mit weniger als 1000 Teilnehmern sollten abgesagt werden. "Das ist ein Aufruf an alle", sagte Merkel. Als Option nannte sie auch die vorübergehende Schließung von Kitas und Schulen. Zudem kündigte sie weitere umfassende Maßnahmen zur Unterstützung der Wirtschaft an.

Eine andere wichtige Entscheidung wurde am Donnerstag getroffen: Die Christdemokraten verschieben ihren Sonderparteitag, der am 25. April stattfinden und über die Führungsfrage entscheiden sollte. Ein neuer Termin steht noch nicht fest.

Weltweit versuchen Regierungen, ihre Bevölkerung durch das Schließen von öffentlichen Einrichtungen vor Covid-19 zu schützen. Länder wie Frankreich, Belgien, Dänemark, Irland, Slowenien und Litauen schließen vorübergehend alle Schulen, Kindertagesstätten und Universitäten. Italien geht noch einen Schritt weiter: Alle Bars, Restaurants und Geschäfte müssen schließen - ausgenommen sind Apotheken und Läden des Grundbedarfs. Die spanische Regierung erwägt lokalen Behörden zufolge eine Abriegelung Madrids. Die Slowakei will den internationalen Bus- und Zugverkehr in das Land stoppen, internationale Flughäfen sollen geschlossen werden, Tschechien plant ähnliche Maßnahmen. Um die wirtschaftlichen Folgen abzumildern, präsentierte die Europäische Zentralbank ein Notfallpaket. Die Notenbank baut ihr umstrittenes Kaufprogramm für Anleihen aus: Bis Jahresende will sie bis zu 120 Milliarden Euro zusätzlich investieren. Den Leitzins ließ die EZB unverändert, was die Börse enttäuschte. Auch in den USA verloren die Aktienmärkte deutlich. In Deutschland erhöhte sich die Zahl der Infizierten auf 2369. "Insgesamt ist der Anstieg recht schnell", sagte Lars Schaade, der Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts (RKI). "Das ist auch in anderen Ländern beobachtet worden." In Deutschland wurden drei weitere Todesfälle gemeldet. Es handelt sich um eine 78- jährige Frau aus dem Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen, einen 67-jährigen Mann aus Baden-Württemberg und einen 80-Jährigen aus Bayern.

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SZ vom 13.03.2020
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