Coronavirus-Neuinfektionen:"Wir können uns nur entschuldigen"

13.10.2018, Wurstfabrik B & C Tönnies GmbH & Co.KG, Firmengebäude in Rheda-Wiedenbrück 13.10.2018, B & C Tönnies GmbH 6

Laut Krisenstab erlebt das Fleischwerk Tönnies schon die zweite Welle an Corona-Infektionen.

(Foto: imago images/MiS)

In einem Schlachtbetrieb der Firma Tönnies haben sich mehr als 650 Mitarbeiter infiziert, in der Folge werden alle Schulen und Kitas im Landkreis Gütersloh geschlossen. Das Unternehmen gibt sich reumütig - und spekuliert über die Ursache.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Nach dem Ausbruch einer Corona-Infektion unter mindestens 657 Mitarbeitern einer Fleischfabrik im ostwestfälischen Rheda-Wiedebrück schließt der Landkreis Gütersloh alle Schulen und Kitas. Das sei "ein probates Mittel, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern," sagte Landrat Sven-Georg Adenauer (CDU). Ein genereller Lockdown von Behörden und Geschäften sei jedoch nicht geplant, da sich die Gefahr klar eingrenzen lasse.

Der Schlachtbetrieb der Firma Tönnies steht seit Mittwoch still. Erste Ergebnisse nach einem Test von 1050 Mitarbeitern, die meist aus Osteuropa stammen, hatten ergeben, dass sich etwa zwei Drittel angesteckt hatten. Am Vortag hatte das Robert-Koch-Institut in ganz Deutschland nur 345 Neuinfektionen gezählt.

Seit Mittwoch stehen nun alle infizierten Arbeiter sowie ihre Frauen und Kinder sowie sämtliche sonstigen Angestellten des Tönnies-Betriebs unter Quarantäne. Landrat Adenauer schätzte die Gesamtzahl auf 7000 Menschen. Er rief sie auf, 14 Tage lang nicht das Haus zu verlassen.

Als Hauptherd der Infektion machte Tönnies die Fleischzerlegung im Großbetrieb aus. "Wir können uns nur entschuldigen," sagte ein Unternehmenssprecher. Der Chef des Tönnies-Krisenstabs, Gereon Schulze Althoff, vermutet als eine mögliche Ursache für den Ausbruch, dass das Virus nach Kurzurlauben osteuropäischer Werksarbeiter in den Betrieb getragen worden sei. "Unser Betrieb ist nicht für eine Pandemie gebaut", sagte Schulze Althoff, "das Risiko auf null zu bringen, ist sehr schwierig." Landrat Adenauer deutete an, den Betrieb für zwei Wochen zu schließen.

Gewerkschafter kritisieren seit Jahren die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Für Armin Wiese, regionaler Repräsentant der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), kommt die Entdeckung des Infektionsherdes ausgerechnet an den Zerlegetischen des Großbetriebs nicht überraschend. "Wir warnen seit Langem, dass die Arbeitsplätze gefährlich sind", sagte Wiese. In normaler Besetzung sei es dort unmöglich, den Mindestabstand von 1,5 Metern zu wahren. Tönnies verpflichte seine Arbeiter zwar zum Tragen von Vollmasken über Kopf und Hals: "Aber die dienen dem Schutz des Produkts etwa gegen Spucke, das Virus geht durch die Poren durch", so Wiese.

Tönnies-Krisenmanager Schulze Althoff erklärte bei einer Pressekonferenz, zuletzt hätten die Mitarbeiter auch Mundschutz tragen müssen. Er räumte jedoch ein, dass es bei niedrigen Temperaturen in der Halle vermehrt zur Aerosolbildung kommen könne, die eine Übertragung des Virus erleichtere. Gewerkschafter warnen, die Ausdünstungen schwitzender Arbeiter seien weltweit ein Ansteckungsproblem in Schlachtbetrieben. Tönnies kündigte an, mit besserer Belüftung sowie mit künstlichem UV-Licht das Corona-Risiko im Betrieb verringern zu wollen.

Der Betrieb in Rheda-Wiedenbrück ist auf die Schlachtung von täglich 30 000 Schweinen ausgelegt. Schweinezüchter befürchten nun, ihre Tiere nicht verkaufen zu können.

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