Schutzmasken:"Kein gutes Signal"

Coronavirus  -  Kassel

Ein zukünftiger Begleiter? Ein selbstgemachter Mundschutz hängt hinter der Windschutzscheibe eines Autos.

(Foto: Uwe Zucchi/dpa)

Die Fachärztin Béatrice Grabein über Sinn und Unsinn von Schutzmasken gegen das Coronavirus. Und warum diese genau das Gegenteil bewirken können.

Interview von Christina Berndt

Die Stadt Jena möchte ab der kommenden Woche eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum einführen. Bürger sollen dort überall einen Mund-Nasen-Schutz tragen, wo der Mindestabstand von 1,5 Metern oft nicht eingehalten werden kann. Das kann eine selbstgenähte Maske sein, ein Tuch oder ein Schal. Das Thema wird auch unter Fachleuten kontrovers diskutiert. Béatrice Grabein, Leiterin der Stabsstelle Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Klinikum der Universität München (LMU), über ihre Ansicht zu einer Maskenpflicht.

SZ: Frau Dr. Grabein, für Sie als Hygiene-Expertin gehören Masken zum beruflichen Standard im Krankenhaus. Was halten Sie von dem Vorschlag, dass Bürger künftig im Supermarkt und in Bussen und Bahnen welche tragen sollen?

Béatrice Grabein: Eines ist Voraussetzung: Es dürfen auf keinen Fall medizinische Masken sein. Ich fände es jedenfalls kein gutes Signal, wenn Menschen jenen Mund-Nasen-Schutz, den wir im medizinischen Bereich so dringend brauchen, beim Einkaufen verwenden würden.

Die Befürworter des Jenaer Vorschlags empfehlen deshalb, Tücher, Schals und selbstgenähte Masken zu verwenden. Wie stehen Sie dazu?

Grundsätzlich finde ich die Idee nicht verkehrt, dass sich Menschen etwas vors Gesicht halten. Das Virus wird ja vor allem durch Tröpfcheninfektion von einem Menschen zum anderen weitergegeben. Und ein Mund-Nasen-Schutz kann diese Weitergabe von Tröpfchen beim Husten und Niesen verhindern. Auch kann die Maske ein Stück weit unterbinden, dass man sich ins Gesicht fasst und so mit den eventuell kontaminierten Händen Viren in die Nähe von Mund oder Nase bringt. Über diesen möglichen Effekt hinaus besteht allerdings beim Tragen solcher einfachen Masken kein Schutz für den Träger selbst. Das muss den Menschen, die sie benutzen, klar sein - und genau darin sehe ich ein Problem.

Weil die Menschen denken könnten, sie seien nun besser geschützt, und wieder auf Tuchfühlung zu anderen gehen?

Ja, die Gefahr besteht. Deshalb empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation Masken auch nur sehr eingeschränkt. Ich befürchte ebenfalls, dass es nicht allen Menschen zu vermitteln ist, dass sie alle bisherigen Schutzmaßnahmen trotz der Masken weiterhin einhalten müssten - also intensives Händewaschen, die Hände vom Gesicht fernhalten, einen Abstand von mindestens 1,5 Metern zu anderen Personen wahren, das Einhalten einer Hust- und Nieshygiene.

Béatrice Grabein

Béatrice Grabein ist leitende Ärztin an der Stabsstelle Klinische Mikrobiologie und Krankenhaushygiene am Klinikum der Universität München.

(Foto: Uwe Teifel; privat)

Meinen Sie nicht, dass die Leute das verstehen? Wir rasen ja auch nicht mit 200 Stundenkilometern in die Kurve, nur weil unsere Autos Bremsen haben. Außerdem könnte das Tragen der Masken Menschen sogar daran erinnern, dass die Situation gerade eine sehr besondere ist.

Ein solcher Effekt ist sicher nicht von der Hand zu weisen. Leider ist die Studienlage insgesamt ausgesprochen dünn. Es ist kaum bekannt, wie viel einfache Masken zur Eindämmung von Infektionskrankheiten beitragen können. Man kann ihren Nutzen in Studien auch nur schlecht von den Auswirkungen der anderen Maßnahmen wie Händewaschen und Nieshygiene getrennt ermitteln, die ja in der Regel gleichzeitig empfohlen werden. Wenn diese Maßnahmen gut befolgt werden, sind sie meiner Ansicht nach ausreichend.

Aber plötzliches Niesen kann man ja nicht immer verhindern, und im realen Leben ist im Supermarkt oder in der U-Bahn auch nicht immer genug Platz für 1,5 Meter Abstand.

In solchen Situationen könnte das Tragen von Masken deshalb auch sinnvoll sein. Es ist aber eben nicht so einfach, wie manche Politiker das jetzt suggerieren. Ein Mund-Nasen-Schutz ist nach dem Tragen in jedem Fall kontaminiert. Wenn man diesen mit den Händen anfasst, sind die Hände kontaminiert. Das Händewaschen muss also unbedingt weitergehen. Es ist wichtig, Menschen über den Umgang mit dem Mund-Nasen-Schutz aufzuklären. Sonst könnte man mit einer Maskenpflicht mehr Probleme schaffen als lösen.

Gibt es denn Situationen, in denen das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auf jeden Fall eine gute Idee ist?

Für alle Menschen, die jetzt unter Husten und Schnupfen leiden und trotzdem unbedingt in die Öffentlichkeit müssen, ist ein Mund-Nasen-Schutz sicher eine gute Idee. Aber auch dann muss man bedenken: Wenn man mehrmals dort hineingehustet hat, ist der Schutz durchfeuchtet. Er kann dann eine noch größere Schleuder von Mikroorganismen sein. So ein Mund-Nasen-Schutz muss deshalb regelmäßig gewechselt und bei mindestens 60 Grad gewaschen werden. Vorsicht ist auch bei Menschen geboten, die ohnehin schon Probleme mit dem Atmen haben. Sie dürfen nicht in noch größere Schwierigkeiten gebracht werden. Man sollte unbedingt dafür Sorge tragen, dass man auch trotz Mundschutz noch gut Luft bekommt.

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