Coronavirus in der Fleischindustrie:Heil will "dubiose Vertragsstrukturen mit Subsubunternehmern" beenden

Die Vielzahl an Infektionen hat eine Debatte über die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie ausgelöst. Der Arbeitsminister will in der Branche "aufräumen".

Nach Corona-Ausbrüchen in verschiedenen Fleischbetrieben ist eine Debatte über die dortigen Arbeitsbedingungen entbrannt. Geplante Gespräche über strengere Regeln für die Branche hat das Corona-Kabinett der Bundesregierung jedoch auf Mittwoch verschoben. Es gebe noch Beratungsbedarf beim Koalitionspartner, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD). Bei dem Treffen will er Vorschläge zum Arbeitsschutz vorlegen.

Die "dubiosen Vertragsstrukturen mit Subsubunternehmern" müssten beendet werden, sagte der Minister am Montagmittag. "Mit hoher Energie" würden in dieser Branche solche Strukturen kreiert, "um Lohne zu drücken und Verantwortung abzuwälzen". Der Schutz der Beschäftigten allein sei bereits ein Grund zu handeln. Es gehe aber auch um den Schutz der Bevölkerung in der Pandemie: Ganze Landkreise würden "in Geiselhaft" genommen.

Am Sonntag teilte der Landkreis Osnabrück mit, dass ein Betrieb im niedersächsischen Dissen am Teutoburger Wald die Produktion aussetzt, nachdem Tests ergeben haben, dass 92 Mitarbeiter infiziert sind. Unter ihnen sind zahlreiche Kräfte, die von Subunternehmen beschäftigt werden. Teilweise sind sie in Sammelunterkünften untergebracht. Zuvor waren bereits Betriebe etwa in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Schleswig-Holstein betroffen. Begünstigt werden die Infektionen durch die Enge in Sammelunterkünften ausländischer Arbeiter und die fehlende Einhaltung von Hygieneregeln in der Corona-Krise.

Heil kündigte an, mit seinen Vorschlägen die Unternehmen in Verantwortung nehmen zu wollen. Gleichzeitig solle seitens der Aufsichtsbehörden in den Bundesländern strenger kontrolliert werden. Ohne konsequente Kontrollen würden Gesetze nicht eingehalten, so Heil. "Wir müssen auch als Bund Verantwortung übernehmen", sagte er. In der Vergangenheit sei es ein Problem gewesen, dass der Gesetzgeber nicht konsequent genug gegen Missstände vorgegangen sei. Problematisch sei auch, dass Lobbyisten großen Einfluss genommen hätten.

Viele der in der Fleischindustrie Tätigen, die bei "Sub-sub-sub-Unternehmen" angestellt sind, stammen aus Rumänien und Bulgarien. Morgen will Heil auch die rumänische Arbeitsministerin in Berlin treffen, um mit ihr die Situation zu besprechen.

Grüne fordern höhere Fleischpreise

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner und der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Karl-Josef Laumann (beide CDU) forderten, Bußgelder für Verstöße gegen Gesetze auf bis zu 30 000 Euro zu verdoppeln.

Angesichts der prekären Arbeitsbedingungen in der Branche wird von Seiten der Grünen, aber auch aus den Reihen der CSU der Ruf nach höheren Fleischpreisen laut. Unionsfraktionsvize Georg Nüßlein (CSU) bringt zudem eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Fleisch - derzeit sieben Prozent - ins Spiel. "Der unanständige Preiskampf beim Fleisch ist die Wurzel vieler Übel. Er bringt unsere Landwirte in Existenznöte, schadet dem Tierwohl und ist für die problematischen Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen verantwortlich", sagte er in der Augsburger Allgemeinen. In einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa hatte Nüßlein zuvor ein Ende von Billigpreis-Werbung für Fleisch gefordert.

Bessere Tierhaltung, korrekte Entlohnung, mehr Kontrollen

Grünen-Chef Robert Habeck will direkt über einen Mindestpreis auf Tierprodukte eingreifen. "Wenn wir von Bauern gute Arbeit, Tierschutz und Klimaschutz verlangen, dann müssen wir sie auch dafür bezahlen", sagte er der Bild-Zeitung. Daneben hat er laut einem Bericht der Funke-Mediengruppe einen Plan unterbreitet für ein Verbot von Werkverträgen über Subunternehmen, bessere Bedingungen der Tierhaltung, eine "korrekte Entlohnung" und mehr Kontrollen.

Klöckner ist zwar gegen einen staatlich festgelegten Mindestpreis. Auch sie sagte aber Bild, es sei "unanständig, wenn Verbraucher mit Billigstpreisen in den Laden gelockt" würden.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) begrüßte die Vorschläge für ein Verbot von Werkverträgen. Schlachthöfe dürften das Schlachten nicht mehr "an dubiose Billigfirmen vergeben und damit die Verantwortung auslagern", verlangte der Vizevorsitzende Freddy Adjan in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Vertreter der Fleischwirtschaft sehen das anders. "Mit dem sachfremden und politisch fahrlässigen Vorstoß zu einem Verbot von Werkverträgen allein in der Fleischbranche ignoriert die Politik die Fakten und stigmatisiert unsere Branche", hatte der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft, Friedrich-Otto Ripke, am Freitag geschimpft.

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