Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Offenbar mehr Geimpfte als gedacht

Mehr als 350 000 Corona-Impfungen fehlen wohl in der Statistik des Robert-Koch-Instituts. Derweil plädiert CDU-Chef Laschet dafür, dass Arbeitgeber aus allen Branchen ihre Mitarbeiter nach ihrem Corona-Impfstatus fragen dürfen.

Von Angelika Slavik, Berlin

Im Kampf gegen das Coronavirus ringt Deutschland nicht nur mit der schleppenden Impfkampagne - sondern offenbar auch mit der korrekten Datenerfassung. Wie zunächst der Spiegel berichtete, sollen mehr als 350 000 Impfungen, die im zweiten Quartal in Arztpraxen durchgeführt wurden, nicht wie vorgeschrieben erfasst worden sein. Sie tauchen demnach in der Statistik, die das Robert-Koch-Institut (RKI) herausgibt, nicht auf. Das RKI führt aktuell 61,3 Prozent der Bevölkerung als vollständig geimpft an, insgesamt sollen 102 Millionen Dosen verimpft worden sein. Dass die tatsächliche Zahl höher liegen könnte, geht aus Erhebungen der Kassenärztlichen Vereinigungen in mehreren Bundesländern hervor.

Demnach wurden etwa in Hamburg bis Ende Juni 71 000 Impfungen zu wenig gemeldet, das hätte die Impfquote in der Hansestadt um etwa drei Prozentpunkte erhöht. In Bayern sollen 150 000 Impfungen nicht korrekt erfasst worden sein, in Baden-Württemberg und Berlin jeweils etwa 50 000, in Sachsen etwa 29 000. Im Saarland und in Brandenburg wurden die Zahlen in die andere Richtung verzerrt, wenn auch in geringerem Ausmaß: In diesen beiden Bundesländern wurden insgesamt etwa 18 000 Impfungen zu viel registriert.

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Grundsätzlich sollen die Arztpraxen die Zahl ihrer durchgeführten Corona-Impfungen täglich über ein bestimmtes Online-Portal an das RKI melden. Das geschieht offenbar nicht überall ausreichend diszipliniert. Parallel dazu erfassen die Praxen die Impfungen aber auch über ihre Abrechnungssoftware, um die entsprechende Vergütung zu bekommen - und hier ist die Vergesslichkeit offenbar deutlich geringer. Die Differenz der beiden Statistiken fiel nun bei den Kassenärztlichen Vereinigungen auf, allerdings ist das Ausmaß der Abweichungen noch nicht in allen Bundesländern erhoben. Gemessen am Schnitt aus den bereits untersuchten Ländern könnte die Impfquote in Deutschland etwa 0,5 Prozent höher liegen als vom RKI ausgewiesen.

Die Bundesregierung fördert Projekte für Medikamente gegen Covid-19

Die Frage, wer geimpft ist und wer nicht, beschäftigt aber nicht nur die Statistiker: CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet plädiert für eine Auskunftspflicht über den Corona-Impfstatus in allen Betrieben, unabhängig von der Branche. "Der Arbeitgeber muss wissen, wer im Betrieb geimpft ist, um Schutzmaßnahmen ergreifen zu können", sagte Laschet am Montag bei einer Veranstaltung der Zeitung Heilbronner Stimme. Allerdings dürften Nicht-Geimpfte nicht diskriminiert werden: Man müsse das "behutsam machen", so Laschet. Erst vergangene Woche hatte sich die Regierungskoalition darauf verständigt, dass Arbeitgeber in Kitas, Schulen und Pflegeheimen die Beschäftigten nach ihrem Impfstatus fragen dürfen. Zuvor war das lediglich in Arztpraxen und Kliniken erlaubt. Mitarbeiter anderer Branchen müssen ihren Impfstatus gegenüber ihren Arbeitgebern nicht transparent machen.

Indes sollen jene, die an Covid-19 erkranken, in Zukunft besser behandelt werden können: Das Bundesgesundheits- und das Bundesforschungsministerium fördern deshalb die Entwicklung neuer Medikamente mit 150 Millionen Euro. Insgesamt werden Projekte von sechs verschiedenen Unternehmen unterstützt: AdrenoMed, Apogenix, Atriva Therapeutics, Corat Therapeutics, InflaRX und der DRK Baden-Württemberg-Hessen gGmbH.

Es werde nicht "das eine" Corona-Medikament geben, sagte Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) bei der Präsentation des Förderprogramms. Vielmehr werden Patienten unterschiedliche Therapien bekommen müssen, angepasst an ihren Krankheitsverlauf. Bei den geförderten Projekten soll es sowohl um die Entwicklung sogenannter antiviraler Medikamente gehen, die das Eindringen des Virus in die Zellen verhindern, als auch um Arzneimittel, die die Lungenfunktion schützen oder überschießende Immunreaktionen dämpfen könnten. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, das Förderprogramm sei "ein weiterer Schritt aus der Pandemie heraus".

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