Süddeutsche Zeitung

Pandemie:Die Corona-Krise entzaubert die Populisten

In der Not zeigt sich, wie weltfremd die Trumps, Johnsons und Bolsonaros denken und handeln - und was der Rechtsstaat wert ist. Doch damit diese später nicht wieder triumphieren, müssen die Demokraten etwas tun.

Kommentar von Joachim Käppner

Jener Politiker, der sonst so von sich selbst ergriffen die Einheit der Nation beschwört, steht beiseite, wenn nun wirklich die Solidargemeinschaft der Italiener gefragt ist. Matteo Salvini, einst starker Mann ganz rechts, pöbelt weiter gegen eine angeblich versagende, volksferne Regierung und lässt die Welt wissen, nur mit ihm, dem Möchtegern-Duce, sei das Land zu retten. Aber die Welt hat plötzlich kein Interesse mehr an seinen Provokationen, wenigstens zur Zeit nicht.

Die Corona-Krise entfacht eine bezeichnende Nebenwirkung: Sie greift das zentrale Nervensystem des Populismus an. So wie im Märchen von des Kaisers neuen Kleidern stehen seine Leitfiguren politisch plötzlich ohne Hemd und Rock da. Ihre Destruktivität, Konzeptlosigkeit und Inkompetenz sind für jedermann sichtbar.

Brasiliens rechter Regenwaldschänder, Präsident Jair Bolsonaro, wirkt völlig überfordert von der Pandemie; mehr als wirre Verschwörungstheorien hat er dem Volk nicht zu bieten. Die Kur, die Großbritanniens Brexit-Premier Boris Johnson vorschwebt, erinnert an spätmittelalterliche Quacksalber; diese predigten gern Selbstgeißelungen als Vorbeugung gegen den Schwarzen Tod, die Pest. Und US-Präsident Donald Trump schiebt wie stets anderen die Schuld zu (der EU), sieht sinistre Kräfte am Werk (die US-Demokraten) und erzählt, was seinen Zwecken gerade dient.

Diesmal könnte der Erfolg ausbleiben. All das eigensüchtige Gebaren hat nur eines erreicht: Die USA, das Vereinigte Königreich, Brasilien verloren noch mehr wertvolle Zeit im Kampf gegen die Pandemie als andere. Jeden Tag greift sie weiter um sich, und wenn Regierungen sie nicht entschlossen eindämmen, wird sie das mit der wachsenden Wucht einer Lawine tun.

Ob die osteuropäischen Regierungen, die das Virus nutzen, um sich weiter abzuschotten und den Rechtsstaat noch mehr abzubauen, den Härtetest bestehen, ist noch längst nicht ausgemacht. Jeder Versuch, die Seuche kleinzureden, ist binnen Tagen als Geschwätz enttarnt, der dunkle Zauber des Populismus zeigt sich als Verweigerung von Verantwortung.

Jetzt kommt es darauf an, soziale Härten auszugleichen

Die Coronakrise, schreibt der Dortmunder Wirtschaftsprofessor Henrik Müller, entlarve Nationalisten und Populisten "als das, was sie sind - als gefährliche Scharfmacher, die sich allein auf kommunikativen Bullshit stützen, nicht um die Wahrheit scheren und genau deshalb folgenschwere Fehler machen".

Die "Ich bin das Volk"-Attitüde und geschickt inszenierte Feindbilder haben so lange funktioniert, wie es noch keinen Notstand gab, der jedermann betrifft. Der Klimawandel, von dem die Rechtspopulisten behaupten, er sei eine Erfindung linker Eiferer und unbelegbar, betrifft zwar auch jeden, brutal spürbar werden seine Folgen in der westlichen Welt jedoch erst mittelfristig sein. Aber eine globale Seuche greift hier und heute in unsere Freiheit, unser Wohlbefinden, unsere Existenz ein.

Am Aufstieg des Rechtspopulismus waren die Demokratien nicht unschuldig. Stark wurde er erst durch ihre Schwächen. Seine Botschaft bietet simple, trügerisch einfache Erklärungsmuster für beunruhigend verwirrende Probleme. Die Demokratien haben Bürger, die sich mit ökonomischen Sorgen, Migration, gesellschaftlichem Wandel, gefühlten oder berechtigten Ängsten zurückgelassen fühlten, zu oft vernachlässigt. Wer dem Populismus aber mit Haltung und demokratischem Selbstbewusstsein entgegentrat wie Emmanuel Macron in Frankreich, der bewies, dass es durchaus Mittel gegen die manipulativen Vereinfacher gibt.

Macron hat nun den "Krieg" gegen das Virus ausgerufen. Man muss sich den Begriff nicht zu eigen machen. Aber auch in Deutschland wird tatkräftiges Handeln der Regierungen erwartet und mit Zustimmung belohnt. Selbst in der AfD sehen manche die Gefahr, als Stänkerer am rechten Rand außen vor zu bleiben, wenn Vertreter der Parteispitze die Coronakrise wie alle anderen Übel der Welt der Bundesregierung anlasten.

Noch sind sehr viele Bürger bereit, aus Solidarität und Einsicht all die Einschränkungen mitzutragen. Sie machen eine Erfahrung, die in manchen von Verunsicherung geprägten Debatten allzu leicht verloren ging: Die Demokratie, der freiheitliche Rechtsstaat versagt eben doch nicht, wenn es darauf ankommt.

Anlass zur Beruhigung ist das nur begrenzt. Vielleicht wird sein Dilettieren angesichts der Pandemie der erste Nagel zum Sarg der Trump'schen Präsidentschaft sein. Vielleicht aber triumphiert der Populismus erneut - dann nämlich, wenn die Demokratien die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie nicht abfedern. Diese Folgen treffen Ärmere, Geringverdiener, sozial Schwächere, Alleinerziehende zuerst; sie alle werden am dringendsten Hilfe benötigen.

Hier bildet sich eine neue soziale Frage heraus, auf welche die Politik bald schon Antworten wird finden müssen. Elend und Massenarbeitslosigkeit wären ein idealer Nährboden für die Verheißungen des Rechtspopulismus. Die Welt der Demokratien sollte diesen Gegner nicht noch einmal unterschätzen.

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Quelle:
SZ vom 18.03.2020/gal
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