Coronavirus in Deutschland:Spahn pocht auf schnellen Vertrag mit Biontech/Pfizer

Weekly Government Cabinet Meeting

Will den Biontech/Pfizer-Impfstoff möglichst schnell für Deutschland und Europa sichern: Gesundheitsminister Spahn.

(Foto: Getty Images)
  • Jens Spahn kritisiert, dass es bislang zwischen der EU und dem Impfstoff-Hersteller Biontech und Vertreiber Pfizer nur einen Vorvertrag gibt.
  • Das RKI meldet am Montag 13 363 Neuinfektionen mit dem Coronavirus.
  • Spahn warnt, dass bereits Ende November 6000 Covid-Patienten intensivmedizinisch behandelt werden müssen - diese Belastung für das Gesundheitswesen sei nur "unter ziemlicher Anspannung" zu bewältigen.
  • Bayerische Regierung hinterfragt Strategie der kostenlosen Tests für alle.
  • Die aktuellen Meldungen zum Coronavirus weltweit.
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CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn verlangt, dass die Europäische Union so schnell wie möglich einen Vertrag über die Lieferung eines Corona-Impfstoffs mit dem Mainzer Unternehmen Biontech und dem Pharmakonzern Pfizer abschließt. Es gebe bisher einen Vorvertrag, aber keinen Abschluss, kritisierte Spahn am Montagabend im ZDF-heute journal. Auch wenn viele rechtliche Fragen zu klären seien - es gehe auch um Geschwindigkeit.

"Ich möchte vor allem, dass wir in den nächsten Tagen zu einem Abschluss kommen als Europäische Union. Ich könnte es als deutscher Gesundheitsminister jedenfalls schwer erklären, wenn in anderen Regionen der Welt ein in Deutschland produzierter Impfstoff schneller verimpft würde als in Deutschland selbst", betonte der Minister. Deshalb dringe er "sehr sehr stark darauf", dass man jetzt endlich zu einem Ergebnis komme.

Die EU-Kommission verhandelt bereits seit einiger Zeit mit Biontech/Pfizer über einen Rahmenvertrag zur Lieferung des Impfstoffs an alle EU-Staaten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schrieb am Montagnachmittag auf Twitter, man werde bald einen Vertrag über bis zu 300 Millionen Impfdosen schließen. Von der EU-Kommission unterzeichnet sind bisher Rahmenverträge mit den Pharmafirmen Johnson&Johnson, AstraZeneca und Sanofi-GSK.

Als erste westliche Hersteller hatten Biontech und Pfizer am Montag vielversprechende Ergebnisse veröffentlicht. Demnach bietet ihr Impfstoff einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor Covid-19. Die Unternehmen wollen voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen. Spahn geht von einer parallelen Beantragung bei der europäischen Arzneimittelbehörde EMA aus.

RKI meldet 13 363 Neuinfektionen

Das Robert-Koch-Institut (RKI) verzeichnet am Montagmorgen laut Webseite 13 363 Neuinfektionen mit dem Coronavirus. Das sind deutlich weniger Neuansteckungen binnen 24 Stunden als noch am Samstag - hier wurde mit knapp 24 000 Neuinfektionen ein neuer Höchststand seit Ausbruch der Pandemie in Deutschland registriert. Allerdings sind die Zahlen, die das RKI am Montag meldet, mit Vorsicht zu betrachten: Am Wochenende übertragen nicht alle Gesundheitsbehörden aktuelle Zahlen.

Berücksichtigt man den Montagswert, wurden seit dem Frühjahr 671 868 Coronavirus-Fälle in Deutschland erfasst. Die Zahl der Menschen, die infolge einer Covid-19-Erkrankung gestorben sind, steigt um 63 auf 11 352.

Spahn: "30 bis 40 Prozent der Bevölkerung sind Risikogruppe"

Gesundheitsminister Spahn blickt in der Corona-Krise mit Sorge auf die Altersstruktur in Deutschland und warnt vor einer Überlastung der Intensivmedizin. Die Bundesrepublik sei nach Japan das zweitälteste Land der Welt, so Spahn im Livestream "Die richtigen Fragen" der Bild-Zeitung. "Bei uns sind 23 Millionen Deutsche über 60. Wir sind ein Wohlstandsland mit Zivilisationskrankheiten: Diabetes, Bluthochdruck, Übergewichtigkeit. Alles Risikofaktoren für dieses Virus, wie für viele Infektionskrankheiten übrigens auch." Damit gehörten per Definition 30 bis 40 Prozent der Bevölkerung zu einer Risikogruppe.

"Wenn von 20 000 Neuinfizierten an einem Tag etwa zwei Prozent in die Intensivmedizin müssen, dann sind das 400 am Tag. Wenn die intensivmedizinische Behandlung und Begleitung 15 Tage im Schnitte dauert - sind das 6000." Diese Zahl werde Deutschland noch im November erreichen, das sei bereits absehbar. Für das Gesundheitswesen sei diese Belastung nur "unter ziemlicher Anspannung" zu bewältigen. "Wenn die Intensivmedizin mal zu voll ist, überfüllt ist, überlastet ist, dann ist es zu spät."

Gleichzeitig legte Spahn nahe, dass sich Deutschland auch nach dem Ende des zweiten Lockdowns auf weitere Einschränkungen einstellen muss. Zur Frage, wann die Bürger wieder voll über ihre in der Pandemie eingeschränkten Grundrechte verfügen könnten, sagte der CDU-Minister: "Das ist absehbar für die nächsten Monate sicher nicht der Fall." Ziel sei es, Kitas und Schulen so lange es geht im Regelbetrieb offen zu halten. "Wenn Sie mich aber fragen, kann ich Ihnen das abschließend versprechen, dann ist die ehrliche Antwort: Das kann ich nicht." Spahn appellierte, in den Wintermonaten auf Feiern zu verzichten. Die Erkenntnis der vergangenen Wochen sei, dass es die Vernunft gebiete, "jetzt mal über viele Wochen, wenn nicht Monate, keine Veranstaltungen mit zehn, 15 oder 20 Leuten zu haben, wenn überhaupt".

Söder will bayerische Teststrategie prüfen

In Bayern kann sich derzeit jeder ohne Anlass kostenlos testen lassen - allerdings meldeten Labore und Ärzte zuletzt Engpässe. Deshalb erwägt Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nun eine Anpassung. "Wir müssen jetzt sehen, ob bei steigendem Testaufkommen die Kapazitäten weiter ausreichen", sagte er dem Spiegel.

Bayern sei ein Transitland, daher sei die offensive Teststrategie nützlich gewesen. "Der Staat mutet den Bürgern viel zu, daher ist der kostenlose Test ein Service für die Bürger. Besorgte Menschen in Bayern haben das Angebot gern angenommen. Aber wir werden sehen, wie sich die Kapazitäten in den kommenden Wochen entwickeln", so Söder. "Jetzt müssen wir sehen, wie wir die nationale Teststrategie weiterentwickeln." Wichtig sei, dass Deutschland gemeinsam handle. Wie das konkret aussehen soll, sagte Söder nicht.

In dem Doppelinterview zusammen mit dem Hamburger Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sprach dieser sich gegen Tests ohne Anlass aus. "Wir können nicht beliebig viel testen, sondern müssen gezielt vorgehen", sagte Tschentscher. "Wer keine Symptome hat, muss in der Regel nicht getestet werden."

Risikogebiete in ganz Europa

Wegen dramatisch steigender Infektionszahlen stuft die Bundesregierung ganz Italien ab Sonntag als Corona-Risikogebiet ein. Zudem wurden am Freitag das gesamte portugiesische Festland, fast ganz Schweden sowie Dänemark mit Ausnahme von Grönland und der Färöer auf die vom Robert-Koch-Institut (RKI) geführte Risikoliste gesetzt. Auch ganz Nordgriechenland und die Provinz um Athen sowie einzelne Regionen in Estland, Lettland, Litauen und Norwegen kommen hinzu.

Damit gibt es kein Land mehr in Europa ohne Risikogebiet. Bis auf zwei kleine Gemeinden in Österreich ist nun auch das komplette Grenzgebiet zu Deutschland in den neun Nachbarländern betroffen. Die Einstufung als Risikogebiet und die damit automatisch verbundenen Reisewarnungen des Auswärtigen Amts bedeuten zwar kein Reiseverbot, sollen aber eine möglichst große abschreckende Wirkung auf Touristen haben. Das Gute für Urlauber: Sie können bereits gebuchte Reisen stornieren, wenn ihr Ziel zum Risikogebiet erklärt wird. Das Schlechte: Rückkehrer aus den Risikogebieten müssen derzeit bis zu 14 Tage in Quarantäne, können sich aber durch einen negativen Test davon vorzeitig befreien lassen.

Die Einstufung als Risikogebiet erfolgt, wenn ein Land oder eine Region den Grenzwert von 50 Neuinfektionen auf 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen überschreiten. Auch ein Großteil Deutschlands ist nach diesen Kriterien bereits Risikogebiet.

Italien wurde erst sehr spät von der zweiten Corona-Welle getroffen, dann stiegen die Infektionszahlen aber auch dort rasant. Zuletzt war in dem zweitbeliebtesten Urlaubsland der Deutschen nach Spanien nur noch Kalabrien im Süden des Landes "risikofrei". Ab Sonntag steht Italien komplett auf der Risikoliste des RKI. In Portugal sind dann nur noch die weitab vom Festland liegenden Inseln der Azoren und Madeira von der Reisewarnung des Auswärtigen Amts ausgenommen. Anders die Algarve, die Südküste des portugiesischen Festlands: Als eines der letzten beliebten Urlaubsziele auf dem europäischen Festland wird sie zum Risikogebiet.

In Griechenland bleiben die Inseln in der Ägäis von der Reisewarnung ausgenommen sowie der Peloponnes und einige weitere Gebiete in der Südhälfte des Landes. Estland und Norwegen sind zurzeit noch die beiden einzigen europäischen Länder ohne Risikogebiet. Auch Teile dieser beiden Länder kommen am Sonntag auf die Liste.

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