Neuseeland:Der Heimflug naht

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Auckland: Eine Boeing von Air New Zealand steht vor ihrem Abflug nach Frankfurt am Main am Flughafen von Auckland bereit. (Foto: dpa)
  • Neuseeland ist das Land der Welt, in dem derzeit die mit weitem Abstand größte Gruppe von Deutschen festsitzt und auf Heimreise wartet.
  • Nach Tagen der Unsicherheit werden vom Auswärtigen Amt organisierte Rückflüge nach Deutschland wiederaufgenommen.
  • Eine Woche zuvor hatte Neuseelands Regierung die Luftbrücke völlig überraschend abgesagt. Die Erklärungen dafür waren dürftig.

Von Stefan Ulrich, Auckland

Auf diese Nachricht haben Tausende in Neuseeland gestrandete Deutsche lange gewartet. Am Donnerstagabend neuseeländischer Zeit tauchte auf der Internet-Seite der deutschen Botschaft in Wellington der befreiende Satz auf: "Die Rückflüge werden wieder aufgenommen." Sodann teilte Botschafter Stefan Krawielicki den "lieben Landsleuten" mit, die mehr als Zehntausend wegen der Corona-Krise auf dem Inselstaat festsitzenden Touristen, Austauschschülerinnen oder Praktikanten würden von diesem Freitag an von Auckland auf der Nordinsel und voraussichtlich von Montag an auch von Christchurch auf der Südinsel aus ausgeflogen. In Hotelzimmern, Ferienwohnungen und Wohnwägen rund um die Flughäfen der beiden Städte machte sich Erleichterung breit. Viele hatten schon befürchtet, auch noch über Ostern unfreiwillig ihren Neuseelandaufenthalt ausdehnen zu müssen.

Nach Angaben der Botschaft haben sich bislang etwa 11 000 noch in Neuseeland weilende Deutsche in der Rückholdatei des Auswärtigen Amtes für die - kostenpflichtigen - Sonderflüge angemeldet, die Lufthansa und Air New Zealand abwickeln sollen. Damit ist Neuseeland das Land der Welt, in dem derzeit die mit weitem Abstand größte Gruppe von Deutschen festsitzt und auf die Heimreise wartet.

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In den Tagen und Wochen zuvor hat das Auswärtige Amt bereits knapp 190 000 Deutsche aus aller Welt in die Heimat zurückfliegen lassen. Dass sich ausgerechnet der mit Deutschland in engem Austausch stehende Rechtsstaat Neuseeland dermaßen sperrte, verstörte nicht nur viele Touristen aus europäischen Ländern, sondern offensichtlich auch das Auswärtige Amt. Außenminister Heiko Maas telefonierte wegen der Krise am Dienstag mit seinem neuseeländischen Kollegen Winston Peters. Vertreter der deutschen Botschaft äußerten sich immer wieder überrascht über Neuseelands Verhalten. Auf Beschwerden über eine zum Teil dürftige Informationspolitik der Botschaft erwiderte Botschafter Krawielicki: "Leider können wir nicht immer alle Unsicherheiten über Maßnahmen und Entscheidungen der neuseeländischen Seite auffangen." Für diplomatische Verhältnisse ist das eine kräftige Kritik.

Mancherorts wurden Touristen panisch abgewiesen

Die Misere der Deutschen in Neuseeland begann vor etwa zwei Wochen mit der Stornierung zahlreicher regulärer Rückflüge durch die Luftfahrtgesellschaften wegen der Corona-Krise. Viele versuchten da zu hohen Kosten, rasch auf noch bestehende Verbindungen umzubuchen. "Ich habe gerade noch ein Ticket bei Qatar Airways bekommen", sagte eine deutsche Krankenschwester am Flughafen Auckland. "Für 6000 Euro, meine ganzen Ersparnisse." Etliche mussten aber erleben, dass ihre neuen Flüge ebenfalls storniert und nicht in Geld zurückerstattet wurden, sondern nur in Flugmeilen. Teilweise scheiterten bestätigte Rückflüge daran, dass Australien den Transit auf seinen Flughäfen untersagte.

Den meisten gestrandeten Deutschen blieb daraufhin nur noch das Auswärtige Amt als Hoffnung, das in Berlin rund um die Uhr einen großen Krisenstab für die weltweite Rückholaktion im Einsatz hat. Auf Anraten der Botschaft reisten sie von überall zu den Flughäfen Auckland und Christchurch, um sich dort einzumieten, viele mit Klein- und Kleinstkindern. Das große Warten begann. Zugleich machte die neuseeländische Regierung wegen des Coronavirus das Land weitgehend dicht, Premierministerin Jacinda Ardern rief den nationalen Notstand aus, untersagte Reisen durchs Land, ließ Restaurants und die meisten Geschäfte schließen.

In manchen Fällen, so auf der Insel Waiheke vor Auckland, wurden Touristen, die schon wochenlang im Land waren, aus Angst vor Ansteckung geradezu panisch abgewiesen. Andere Urlauber, die versuchten, nach Auckland oder Christchurch zu gelangen, wurden der Polizei gemeldet. Die meisten Gestrandeten berichten jedoch, sie seien in Hotels, Lebensmittelläden, Apotheken oder Ärztehäusern ausgesprochen freundlich behandelt worden. Etliche Hotels, etwa das Naumi Auckland Airport Hotel, setzten die Zimmerpreise für ihre unfreiwilligen Dauergäste in der Krise nicht etwa herauf - sondern kräftig herab.

Neuseelands Regierung bleibt Erklärungen teilweise schuldig

Umso mehr verstörte viele Urlauber die Regierung Neuseelands. Nachdem das Auswärtige Amt vor einer Woche den ersten Sonderrückflug mit Lufthansa von Auckland gestartet hatte, wurde die Luftbrücke von der neuseeländischen Regierung kurzfristig und völlig überraschend abgesagt. Behörden forderten Urlauber zwar per E-Mail auf, eventuell ablaufende Visa verlängern zu lassen, informierten sie aber nicht, warum sie im Land festgehalten wurden. Auch die deutsche Botschaft teilte das tagelang nicht mit, die Gerüchte kochten, viele waren verunsichert.

Erst nach und nach ließ sich Erklärungen der neuseeländischen Regierung entnehmen, dass sie Reisen von Urlaubern auf eigene Faust zu den Flughäfen unterbinden wollte, um Ansteckungsrisiken zu mindern. Warum sie dann aber Tausende bereits in ausgebuchten Hotels um die Flughäfen konzentrierte Touristen an der Ausreise hinderte und so auch das Hotelpersonal gefährdete, blieb unerklärt. Unklar blieb auch, warum manche internationale Linienflüge weiter starten durften, obwohl auch dafür die Passagiere anreisen mussten.

Manche Gestrandeten empfanden ihre Lage angesichts all dieser Ungereimtheiten als geradezu "kafkaesk". Andere starteten verzweifelt Petitionen, um die beteiligten Regierungen zum Handeln zu drängen. Am Donnerstagnachmittag verkündete die Regierung in Wellington schließlich: "Ausländischen Regierungen wird es erlaubt, Charterflüge zu organisieren, um ihre Bürger heimzubringen." Viele Betroffene empfanden das als reichlich spät, ja zu spät. Volker P. aus Hamburg, dessen 19-jährige Tochter in Neuseeland festsitzt, sagte der Zeitung New Zealand Herald, er fühle sich, als wäre seine Tochter als Geisel genommen worden. Premierministerin Ardern wolle sich offenbar auf dem Rücken von Urlaubern profilieren. Den Preis werde der neuseeländische Tourismus zahlen.

© SZ vom 03.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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