Corona-Pandemie:RKI-Chef sieht Virusvariante mit "großer Sorge"

Coronavirus - Spahn und Wieler zur aktuellen Lage

"Das Letzte, was uns jetzt noch fehlt, ist eine eingeschleppte neue Variante", sagt Jens Spahn (rechts). Am Freitag hat er mit Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), über die aktuelle Corona-Lage informiert.

(Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa)

WHO nennt die Variante "besorgniserregend", EU-Länder stellen Flüge aus Südafrika ein. Biontech prüft, ob sein Impfstoff gegen den neuen Erreger namens Omikron wirkt.

Von Christina Berndt und Claudia Henzler

Eine neue Variante des Coronavirus aus Südafrika beunruhigt den Präsidenten des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, und den geschäftsführenden Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). "Wir sind tatsächlich in sehr großer Sorge", sagte Wieler während der wöchentlichen gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag. In Südafrika breitet sich ein mutiertes Virus mit dem Namen B.1.1.529 in hohem Tempo aus, wie die südafrikanischen Gesundheitsbehörden am Donnerstag mitteilten. Einzelfälle von Infektionen mit B.1.1.529 wurden mittlerweile auch aus Belgien, Israel, Botswana und Hongkong berichtet.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO stufte die neue Variante am Freitagabend als besorgniserregend ein und gab ihr den Namen Omikron-Variante. Die EU-Länder stellten ebenso wie weltweit zahlreiche weitere Staaten den Flugverkehr aus Südafrika ein. Die EU will zusätzlich Passagierflüge aus Botswana, Swasiland, Lesotho, Mosambik, Namibia und Simbabwe aussetzen.

Deutschland stuft Südafrika und die genannten Länder als Virusvariantengebiet ein. Ab Samstag dürfen demnach nur noch Deutsche aus diesen Ländern einreisen und müssen sich daraufhin in Quarantäne begeben. Für Reisende, die noch am Freitag in Deutschland landeten, habe man keine Handhabe, sagte Spahn. Er könne diese Menschen nur bitten, sich freiwillig einem PCR-Test zu unterziehen und sich bis zum Ergebnis zu isolieren. Einreisende aus der Region würden von der Bundespolizei "vorsorglich auf ein infektionseindämmendes Verhalten in Deutschland" hingewiesen.

"Das Letzte, was uns jetzt noch fehlt, ist eine eingeschleppte neue Variante, die noch mehr Probleme macht", sagte Spahn. Das Land befinde sich ohnehin schon in einer dramatischen Lage. "Es ist mittlerweile halb eins, aber der Weckruf ist noch nicht überall angekommen", sagte der Gesundheitsminister. Gemeinsam mit Wieler forderte er "massive Maßnahmen zur Kontaktbeschränkung" - "jetzt sofort". Je länger man damit warte, desto einschneidender würden die Maßnahmen in einigen Wochen ausfallen müssen, warnte Spahn. Und Wieler fragte: "Wie viele Menschen müssen denn noch sterben? Was muss denn noch geschehen, damit alle daran mitwirken, das Virus zu bekämpfen?"

Derzeit würden die noch freien Intensivbetten in den Kliniken dadurch erkauft, dass planbare Operationen verschoben oder ausgesetzt werden, berichtete Spahn. Zudem hat aus Mangel an Behandlungsplätzen die Verlegung von fast 100 Intensivpatienten in andere Regionen Deutschlands begonnen. Daran war erstmals auch die Luftwaffe der Bundeswehr beteiligt. Ein Airbus A310 MedEvac, eine Art fliegende Intensivstation, brachte Schwerkranke aus Bayern nach Nordrhein-Westfalen.

Weiterhin offen ist, ob die für den 9. Dezember geplante Ministerpräsidentenkonferenz, wie von einigen Bundesländern gefordert, vorgezogen wird. Die Regierungschefs von Hamburg und Schleswig-Holstein sagten am Freitag, sie sähen keine Notwendigkeit. Jetzt sei es Zeit zum Handeln, insbesondere in den Ländern mit sehr hoher Inzidenz.

Weil die Infektionszahlen auch bei Kindern und Jugendlichen steigen, planen die Grünen in Baden-Württemberg als erstem Bundesland flächendeckende Impfangebote für Schüler aller Altersgruppen - Grundschüler eingeschlossen. In den letzten drei Schultagen vor den Weihnachtsferien sollen landesweit Impfteams vor oder in den Schulgebäuden im Einsatz sein, um Kinder, Eltern und Lehrer auf Wunsch gegen das Coronavirus zu impfen.

Die WHO warnte unterdessen vor vorschnellen Reisebeschränkungen wegen der neuen Virusvariante. Es werde sich erst in einigen Wochen herausstellen, ob B.1.1.529 tatsächlich ansteckender oder aggressiver sei als bisherige Varianten, teilte die Behörde mit. Fraglich ist auch, ob sich die Ausbreitung von B.1.1.529 überhaupt noch aufhalten lässt: Der Infizierte in Belgien etwa ist am 11. November aus Ägypten eingereist.

Weltweit gingen die Finanzmärkte auf Talfahrt. Die Firma Biontech prüft, ob ihr Corona-Impfstoff gegen den neuen Erreger wirkt. In spätestens zwei Wochen seien Ergebnisse zu erwarten.

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