Süddeutsche Zeitung

Corona-Maßnahmen:"Zuerst versuchen wir, an die Vernunft der Leute zu appellieren"

Wie der Polizist Peter Schnaars im Corona-Hotspot Bremen die Regeln durchsetzt und warum dort keine "Corona-Streifen" mehr unterwegs sind.

Interview von Anika Blatz

Bremen ist derzeit einer der Corona-Hotspots. Der Polizist Peter Schnaars wird die nun in Berlin beschlossenen strengeren Regeln mit umsetzen müssen. Schnaars ist Fachgruppenvorsitzender für die Schutzpolizei bei der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Bremen. Er ist seit 1988 Polizist und selbst als Einsatzleiter daran beteiligt, die Corona-Auflagen umzusetzen.

SZ: Herr Schnaars, fühlen Sie sich mit den jetzt geltenden Corona-Regeln ans Frühjahr erinnert?

Peter Schnaars: Große Unterschiede stelle ich zumindest nicht fest. Die Abläufe sind noch die gleichen: Eine Verordnung wird erlassen, die dann von unserer Hausspitze entsprechend umgesetzt und mit einer Handlungsanleitung versehen wird.

Was hat ein Polizist danach zu tun, wenn er auf eine größere, dicht stehende Menschenansammlung stößt?

Dann werden diese Menschen von uns auf ihr Fehlverhalten angesprochen und daran erinnert, dass Zuwiderhandlungen ganz schön viel Geld kosten können. Wir arbeiten auch mit Platzverweisen, aber zuerst versuchen wir, an die Vernunft der Leute zu appellieren.

Und dem wird dann Folge geleistet?

Ja, der Großteil der Menschen zeigt sich einsichtig, wenn man sie auf die Corona-Regeln anspricht und erklärt, was dahinter steht, nämlich der Gesundheitsschutz der Bevölkerung. Widerstand oder erhebliche Schwierigkeiten gibt es bei der Durchsetzung der Maßnahmen eher selten.

Wie gehen Sie vor, wenn sich zu viele Menschen privat treffen? Bußgeld?

Man kann das dann streng formalrechtlich handhaben, ein Bußgeld verhängen, aber wir haben ein gewisses Ermessen. Es kommt auf die Umstände an, ob sich jemand einsichtig zeigt. Meist ist es keine böse Absicht - der Bürger kommt der Entwicklung einfach oft nicht mehr hinterher. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt. Ich glaube unserer Gesellschaft hilft es mehr, wenn wir um Verständnis werben als gleich mit der Bußgeld-Keule zu kommen.

Bremen ist nun ein Hotspot. Sind die Menschen deshalb jetzt womöglich noch kooperativer als im Frühjahr?

Kooperativ waren sie immer. Was im Frühjahr anders war, ist, dass wir ein wesentlich höheres Einsatzaufkommen hatten, sprich die Leute haben uns viel mehr Verstöße gemeldet. Das hatte schon ein bisschen was von Denunziantentum. Wir hatten "Corona-Streifen", die rumgefahren sind. Das hat aber alles nachgelassen, die Menschen sind richtig Coronamüde geworden - sowohl im Anzeigeverhalten als auch im Verhalten in der Öffentlichkeit.

Gibt es ein bestimmtes Problemklientel, das besondere Schwierigkeiten macht?

Nein. Weder fallen Jugendliche besonders auf, noch haben wir Probleme bei Hochzeiten von Großfamilien. Unsere Behörde hat engen Kontakt zu den Veranstaltungszentren. Die wissen, dass sie mit Sanktionen rechnen müssen, wenn private Feiern eskalieren sollten. Aber bislang gibt es in diesem Bereich überhaupt keine Probleme.

Haben Kollegen dennoch die Sorge, bei ihren Einsätzen auf Unverständnis und Aggressionen zu treffen?

Situationen können eskalieren, aber unabhängig von Corona. Man muss auf größere Menschenmengen mit entsprechenden polizeilichen Mitteln, also auch genug Personal, reagieren, da geht Eigenschutz vor.

Haben Sie vor, wieder Corona-Streifen an Brennpunkten zirkulieren zu lassen?

Bei uns und bundesweit wurde viel Personal eingespart in den letzten Jahren. Das fehlt jetzt. Wir haben relativ wenig Reserven, um auf so stark erhöhte Infektionszahlen wirklich reagieren zu können. Wenn zu unserem "Alltagsgeschäft", also Einbrüche etc., noch die Überwachung der Corona-Regeln hinzukommt, kommen wir sehr schnell an unsere Belastungsgrenze.

Wie ist die Stimmung unter den Kollegen angesichts der Belastung?

Natürlich merken wir die hohe Belastung. Aber noch herrscht bei uns keine Katastrophenstimmung.

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Quelle:
SZ vom 16.10.2020/jsa
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