Mangel an Schutzkleidung:Masken vom Staat

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Schnelle Umstellung: Der Osnabrücker Textilverarbeiter Zender Germany ist eigentlich ein Autozulieferer, jetzt fertigen die Beschäftigten Schutzmasken. Zahlreiche Firmen sind angesichts der Corona-Pandemie in die Maskenproduktion eingestiegen. (Foto: Friso Gentsch/dpa)

Der Bund will Millionen-Subventionen zahlen, um die heimische Produktion von Schutzmasken anzukurbeln. Doch bis dahin werden Monate vergehen. Und es gibt Zweifel, ob dies der richtige Weg ist.

Von Markus Grill, Lena Kampf, Kristiana Ludwig, Klaus Ott und Nicolas Richter, Berlin/München

Auch wenn Politiker öffentlichkeitswirksam Schutzmasken gegen das Corona-Virus in Empfang nehmen und verteilen lassen: Ärzte, Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen klagen nach wie vor über einen dramatischen Mangel an Schutzkleidung. Diese Woche haben 23 Pflegeverbände und Gewerkschaften einen eindringlichen Hilferuf an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gerichtet. Die Lage für Pflegebedürftige und Betreuer sei "gefährlich und extrem belastend". Spahn müsse "unverzüglich dafür sorgen, dass schnellstmöglich Schutzausrüstung in ausreichender Anzahl und Qualität zur Verfügung gestellt wird". Sonst drohe die Versorgung, auch in der häuslichen Pflege, zusammenzubrechen. "Die Verpflichtung für Unternehmen, ihre Produktion umzustellen", sofern dies technisch möglich sei, dürfe "kein Tabu sein".

Die Bundesregierung setzt jedoch nicht auf Zwang, sondern auf Fördergeld, um die heimische Herstellung von Schutzkleidung anzukurbeln. 40 Millionen Euro werden dafür bereitgestellt. Dennoch dürften Masken, die gut schützen, nach Recherchen von SZ, NDR und WDR kaum rasch und ausreichend aus heimischer Produktion verfügbar sein. Es könnten Monate vergehen, bis es so weit ist. Das geht aus einer Notiz über eine Besprechung von Kanzlerin Angela Merkel mit dem Corona-Kabinett am Montag dieser Woche hervor.

Darin heißt es, für medizinische Schutzmasken sei als "Herzstück" Vliesstoff notwendig, der im "Meltblown-Verfahren" hergestellt werde. Meltblown-Vliesstoffe, die in der Maske als Filter dienen, bestehen aus vielen Lagen feiner Fasern, die auch kleinste Partikel aus dem Zustrom der Atemluft zuverlässig herausfiltern. Solche Filter werden in FFP2- und FFP3-Masken eingesetzt, wie sie vor allem in Krankenhäusern, Arztpraxen und anderen Einrichtungen im Gesundheitswesen dringend benötigt werden.

Die Bundesregierung will nun deutsche Meltblown-Vlies-Produzenten mit Fördermitteln dazu bringen, ihre Produktion auszubauen. Im Besprechungs-Vermerk des Corona-Kabinetts steht allerdings, der Aufbau eines entsprechenden Maschinenparks dauere drei bis vier Monate. Daraus lässt sich der Schluss ziehen, dass Deutschland bei Schutzmasken guter Qualität noch länger von Lieferungen aus China abhängig sein dürfte. Diese Woche sollen laut Gesundheitsministerium 40 Millionen Masken kommen, so viele wie in den beiden Wochen zuvor.

Auf längere Sicht aber soll die Maskenproduktion in Deutschland angekurbelt werden, so haben es unisono Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, Finanzminister Olaf Scholz, Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und andere Spitzen des Staates angekündigt. Die Bundesregierung setzt laut Vermerk des Corona-Kabinetts auf "langlaufende Verträge mit Unternehmen, die gegen die Zusicherung bestimmter Mengen und Preise die Produktion von Schutzmasken" in Deutschland rasch ausbauen oder neu aufnehmen. Das wiederum setzt ausreichend Vliesstoff voraus, damit sich laut Vermerk "die Abhängigkeit von Drittländern nunmehr nicht auf dieses Vorprodukt verlagert". Unternehmen, die bis 30. Juni einen Förderantrag stellen, können für Produktionsanlagen einen Zuschuss von 30 Prozent der Kosten bekommen. Sofern die Vlies-Herstellung noch 2020 beginnt und weitere Auflagen eingehalten werden. Pro Firma gibt es maximal zehn Millionen Euro.

Tatsächlich wollen Unternehmen wie der Autokonzern BMW groß in die Maskenproduktion einsteigen. Der Autobauer will bis zu 300 000 Stück am Tag herstellen, für den Eigenbedarf und für Ärzte und Pfleger. Ob das aber dauerhaft die Versorgung mit Masken sicherstellt, ist strittig. Markus Mailinger aus Hessen, dessen Firma Meltblown-Vliese herstellt, hält die Pläne des Corona-Kabinetts für Unsinn. "Wir bekommen in vielen Regionen Deutschlands bereits Zuschüsse", sagt er. In Nordhessen, wo er produziere, gebe es 30 Prozent vom Staat. Zudem werde kein Unternehmen teure Maschinen anschaffen, wenn die Käufer hochwertiger Schutzmasken sich in einigen Jahren wieder günstig in China bedienten.

Mailinger hat Gesundheitsminister Spahn einen anderen Weg vorgeschlagen. Statt insgesamt 40 Millionen Euro Subventionen in Aussicht zu stellen, solle der Bund selbst eine Großanlage zum Preis von zehn Millionen Euro anschaffen. Eine solche Anlage schaffe Meltblown-Vlies für 50 bis 70 Millionen Masken pro Monat, schrieb Mailinger an Spahn. Wenn man die Anlage nicht mehr brauche, können man sie herunterfahren - und wieder hochfahren, wenn sich die nächste Pandemie andeute. Darüber hinaus könne man auch "unsere europäischen Freunde im Krisenfall mitversorgen", heißt es in Mailingers Mail.

Ob Minister Spahn diesen Plan überhaupt im Detail lesen konnte, ist nicht sicher. Am Montagvormittag schickte er Mailinger eine Mail, in der stand: "Leider kann ich Ihre Anlagen nicht alle öffnen. Mein Team versucht es."

© SZ vom 09.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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