Süddeutsche Zeitung

Masken im Nah- und Fernverkehr:Unter der Nase, über der Nase

Auch wenn die Mehrheit der Deutschen die Masken korrekt trägt - in öffentlichen Verkehrsmitteln müssen Ordnungsdienste immer öfter mit Geldbußen drohen.

Von Christoph Koopmann

Wer dieser Tage mit Bus und Bahn fährt, einkaufen geht oder Demonstrationen besucht, der kann die allerverschiedensten Maskentragetechniken beobachten: Maske unter der Nase, an beziehungsweise unterm Kinn, als Schlafmaskenersatz über den Augen oder ganz ohne Maske. Dabei gibt es in Bezug auf den speziellen Dresscode dieser Zeit eigentlich keinen Spielraum. In öffentlichen Verkehrsmitteln, im Einzelhandel oder sonstigem Getümmel gehört der Mund-Nase-Schutz, das sagt der Name schon, über Mund und Nase. Nur scheint das vor allem im Nah- und Fernverkehr nicht jeder so ernst zu nehmen, was einige Verkehrsbetriebe und Kommunen nun beklagen.

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) etwa haben einem Bericht des Tagesspiegels zufolge in den vergangenen drei Wochen kontrolliert und mitgeschrieben, wie viele Menschen sich in ihren Fahrzeugen nicht an die Maskenpflicht halten. Das Ergebnis: 30 000 Verstöße. In den allermeisten Fällen habe jedoch ein Hinweis ausgereicht, um Einsicht und Maske-Aufsetzen zu erreichen. Nach Angaben der BVG wurden zudem mehr als 1000 Masken an Fahrgäste verteilt, die ihre eigene nicht dabei hatten. Nur etwa 200 besonders renitente Verweigerer hätten eine Vertragsstrafe von mindestens 50 Euro aufgebrummt bekommen. Obwohl die absolute Zahl an Verstößen in Berliner Bussen und Bahnen erst einmal hoch klingt, betont der Betreiber, dass 90 Prozent der Kontrollierten Mund und Nase vorschriftsmäßig bedeckten. Um den Anteil weiter zu steigern, stellte die BVG Mitte Juli einen 20-sekündigen Clip online, in dem ein Kontrolleur im Stile der Sicherheitseinweisungen in Flugzeugen die korrekte Handhabung der Maske vorführt.

In Köln beherrschen nach Angaben der örtlichen Verkehrsbetriebe KVB tagsüber immerhin etwa 95 Prozent der Fahrgäste die korrekte Bedienung der Maske, wie ein Sprecher berichtet. Zu späterer Stunde lasse die Disziplin nach, da liege die Maskenquote bloß noch bei 80 Prozent. Bemerken die Kontrolleure einen fehlenden oder unter der Nase hängenden Schutz, folgen ein Hinweis und bei weiterer Missachtung der Rauswurf an der nächsten Haltestelle. Allen, die die Maske dann immer noch verweigern, blühen 100 Euro Bußgeld. So weit hätten es bis Ende Juni - aktuellere Zahlen gibt es noch nicht - aber nur 19 Maskenverweigerer kommen lassen, sagt ein Sprecher der Stadtverwaltung.

Auch an den übrigen Orten in Köln, an denen Masken zu tragen sind, müsse der Ordnungsdienst oft erst mit Strafe drohen, bis die Menschen ihre Münder und Nasen verhüllten. "Bei vielen ist das leider offensichtlich der einzige Weg, um sie zu überzeugen", sagt der Stadtsprecher. Viele Einzelhändler machten - wie die Verkehrsbetriebe - außerdem von ihrem Hausrecht Gebrauch, Maskenlose rauszuwerfen, ohne die Vergehen extra zu melden.

In München wurden bislang etwa 250 Verstöße gegen die Maskenpflicht mit Bußgeldern belegt, wie eine Sprecherin des Kreisverwaltungsreferats schreibt. In der Statistik werde zwar nicht nach dem Ort der Vergehen unterschieden, man schätze aber, dass vier von fünf Fällen auf Busse und Bahnen entfallen. "Die größere Mehrheit der Angesprochenen ist einsichtig, in einzelnen Fällen kann es aber auch zu Unstimmigkeiten bis hin zu Aggressionen kommen", teilt die Sprecherin mit. Ende Juni hatte ein 25-jähriger Maskengegner gar vier Polizisten verletzt, nachdem er sich schon in der U-Bahn wenig verständnisvoll gezeigt hatte. Ihn erwartet wohl eine härtere Strafe als die 150 Euro, die sonst in München für einen fehlenden Mund-Nase-Schutz fällig werden.

"Zehn Prozent tragen nur einen Mundschutz - und zehn Prozent gar keine Maske"

Ganz so drastisch musste es in Bremen nicht werden, um Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) ob der ÖPNV-Maskenquote zu enttäuschen: "Zehn Prozent tragen nur einen Mundschutz, was eindeutig nicht reicht, und zehn Prozent gar keine Maske. Hier wollen und müssen wir in Bremen besser werden", sagte Mäurer jüngst. Bußgelder drohen hier wie in einigen anderen Bundesländern aber weiter nicht, man setze auf Vertrauen. Doch das scheint einigermaßen erschüttert, denn Mäurer kündigte zugleich verstärkte Kontrollen an.

Die Deutsche Bahn war beim Umgang mit Maskenverweigerern bislang zurückhaltender als regionale Verkehrsbetriebe. Meist blieb es bei Ermahnungen. Am Montag forderten die Grünen mehr Konsequenz: Die Bundespolizei müsse kontrollieren, ob Fahrgäste eine Schutzmaske tragen und nötigenfalls Bußgelder verhängen - sowie Verweigerer des Zuges verweisen können. Nun hat auch das Bundesverkehrsministerium die Bahn nach eigenen Angaben in einem Schreiben ermahnt: Reisende, die auf Aufforderung die Maske nicht anlegen, sollten mithilfe der Bundespolizei von der Beförderung ausgeschlossen werden. Die bestehende Eisenbahn-Verkehrsordnung erlaube dies. Es gebe auch bereits eine Vereinbarung zwischen Bahn und Bundespolizei. Die Deutsche Bahn versicherte am Montag auf Anfrage, diese Maßgaben "konsequent" umzusetzen.

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SZ vom 04.08.2020/mane
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