Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:"Auch wir stoßen beim Personal an Grenzen"

Die Luftwaffe hilft bei der Verlegung von Covid-Patienten aus Bayern in andere Länder. Der Bedarf an Patiententransporten sei "überwältigend", sagt der Leitende Fliegerarzt Tilmann Moll. Doch er warnt vor zu hohen Erwartungen.

Von Mike Szymanski, Berlin

Die Luftwaffe, die seit Freitag mit ihren "fliegenden Intensivstationen" im Einsatz ist, um Corona-Patienten aus überlasteten Krankenhäusern in andere Teile Deutschlands auszufliegen, warnt vor zu hohen Erwartungen. "Die Bundeswehr leistet ihren Beitrag, aber auch unsere Ressourcen sind begrenzt", sagte Tilmann Moll, Leitender Fliegerarzt der Luftwaffe, der Süddeutschen Zeitung. Er bezeichnete den Bedarf an Transportkapazitäten in diesen Tagen als "überwältigend", verwies aber darauf, dass die Luftwaffe weiterhin sicherstellen müsse, jederzeit verwundete Soldaten aus Auslandseinsätzen zurückholen zu können.

"Wir müssen ein Flugzeug in ständiger Bereitschaft vorhalten als Teil der Rettungskette für die Soldaten im Auslandseinsatz. Denn auch dort könnte etwas passieren und das ist unser Kernauftrag", führte Moll aus. Erst im Sommer hatte es zwölf verwundete Bundeswehrsoldaten in Mali gegeben, als Terroristen einen Anschlag auf einen Konvoi verübten.

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Am Dienstag war das sogenannte Kleeblatt-Konzept zur strategischen Verlegung von Intensivpatienten in weniger belastete Bundesländer aktiviert worden. Darin soll auch die Bundeswehr mit ihren Rettungsflugzeugen eine Rolle spielen. Laut Verteidigungsministerium stünden dafür drei Flugzeuge und ein Hubschrauber zur Verfügung.

Nach jedem Flug muss die Maschine desinfiziert werden

Am Freitag hatte der Luftwaffen-Airbus A310 Hermann Köhl im bayerischen Memmingen sechs Intensivpatienten aufgenommen, um sie zum Flughafen Münster-Osnabrück in Nordrhein-Westfalen zu bringen. Von dort aus sollen sie auf Krankenhäuser in der Region verteilt werden, die noch Kapazitäten haben. Ebenfalls mit Intensiv-Betten ausgerüstet sind eine A400M-Transportmaschine (sechs Intensivplätze), eine A319 (zwei Intensivplätze) sowie ein Hubschrauber vom Typ CH-53 (zwei). Damit eine Art täglichen Pendelbetrieb auf die Beine zu stellen, ist allerdings kaum möglich. Nach einem solchen Einsatz dauert es etwa zwölf Stunden, das Flugzeug zu desinfizieren und für den nächsten Einsatz vorzubereiten.

Wie in den Krankenhäusern ist auch bei der Luftwaffe das Personal der limitierende Faktor. "Das Personal, das in den Flugzeugen die Intensivpatienten betreut - Ärzte wie Pfleger - ist bereits im Alltag mit der Bewältigung der Pandemie beschäftigt, nämlich auf den Intensivstationen unserer Bundeswehr-Krankenhäuser", erklärte Oberstarzt Moll. Die Kliniken stehen allen Bürgern offen. "Auch wir stoßen beim Personal an Grenzen, unsere Krankenhäuser laufen auch voll."

Der Einsatz stelle auch die Bundeswehr vor neue Herausforderungen: "Wenn Soldaten im Einsatz verwundet werden, dann können sie schwer verletzt sein. Aber in der Regel ist die Lunge nicht derart betroffen", sagte Moll. Ein Arzt könne sich im Flieger um drei bis vier Schwerstverletzte kümmern. "Bei Covid ist das im Lufttransport maximal für zwei Intensivpatienten möglich. Hinzu kommt das notwendige große Team an Assistenten und Pflegern, die ja die Hauptarbeit leisten."

Auch für die Kranken sei der Transport eine Belastung. "Das Fliegen ist für den Patienten anstrengend, auch wenn er in Narkose liegt", führte der Arzt aus. Man könne Schwerstkranke transportieren, aber sie müssten stabilisiert sein. "Nicht jeder Patient eignet sich für einen Lufttransport." Bei Covid könne sich der Zustand der Patienten in kurzer Zeit verändern. Die Luftwaffe stelle sich auf einen schwieriger werdenden Einsatz ein.

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