Corona-Pandemie:Vermehrt Virus-Ausbrüche bei Kindern

Weitere Entwicklung in der Corona-Pandemie

Ein fast tägliches Ritual: Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geben eine Pressekonferenz.

(Foto: Kay Nietfeld/dpa)

RKI-Chef Wieler berichtet von steigenden Zahlen bei unter 15-Jährigen und in Kitas. Dennoch hält er die Öffnung der Schulen für angemessen.

Von Thomas Hummel, München

Die steigenden Infektionszahlen in Deutschland basieren teilweise darauf, dass sich vermehrt Kinder und Jugendliche mit dem Coronavirus anstecken. Wie Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, am Freitag in Berlin sagte, steigt bei den unter 15-Jährigen die Zahl der Infektionen rasant. "Wir sehen auch mehr Ausbrüche in Kitas, mehr als vor Weihnachten", erklärte Wieler. Das könne an der Verbreitung der sogenannten britischen Virusvariante B.1.1.7 liegen, die ansteckender ist als das Ursprungsvirus.

Das RKI meldete am Freitag 12 834 neue Positiv-Tests. Das waren 2254 Fälle mehr als vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg im Vergleich zum Vortag von 65,4 auf 72,4. Dennoch unterstützte Wieler die Öffnungsstrategien der Bundesländer für Schulen und Kindertagesstätten (Kitas). Aus infektionsmedizinischer Sicht sei eine Schließung zwar ein guter Weg zur Eindämmung der Pandemie. Doch in der Abwägung aller Folgen seien die aktuellen Schritte nachvollziehbar.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wies darauf hin, dass der Virusschutz zwar wichtig, aber nicht absolut sei. Man müsse sich auch die Frage stellen, welche gesundheitlichen Folgen eine monatelange Schließung der Einrichtungen für Kinder und Jugendliche habe. "Keiner weiß doch, was das eigentlich mit einem so kleinen Menschen macht", sagte Spahn. So habe etwa ein sechsjähriges Kind jetzt ein Sechstel seines Lebens in der Pandemie verbracht.

Wieler forderte die Einrichtungen auf, kluge Konzepte umzusetzen, mit denen man sich zwar nicht hundertprozentig schützen, aber doch die Verbreitung des Virus eindämmen könne. Etwa das Tragen von Masken, das Lüften oder Gruppenbildungen.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Bayern nennt aufgrund der steigenden Zahlen eine Öffnung der Schulen dennoch "unverantwortlich" und forderte, dass Lehrerinnen und Lehrer zuerst geimpft werden sollten. Das dürfte indes noch ein bisschen dauern, wenngleich die Impfkampagne etwas schneller wird.

Am Mittwoch und Donnerstag sind zum ersten Mal täglich mehr als 260 000 Impfungen in Deutschland durchgeführt worden, damit haben nun 7,2 Prozent der Bevölkerung mindestens eine Injektion erhalten. Vor allem bei der gefährdeten Gruppe der über 80-Jährigen sind viele Bundesländer inzwischen weit gekommen. Die Fallzahlen bei Älteren gehen zurück.

Deutschland impft weiterhin mit Astra Zeneca

Ältere werden seit Kurzem auch mit dem Stoff des Herstellers Astra Zeneca geimpft, um den es Irritationen gibt. Nach mehreren europäischen Ländern wie Dänemark hat am Freitag auch Bulgarien die Verabreichung des Vakzins ausgesetzt, weil es angeblich Zusammenhänge mit Fällen von Thrombosen im Anschluss der Injektion gab. Spahn sagte, er nehme diese Berichte ernst, doch Experten der europäischen und deutschen Zulassungsbehörden hätten keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Impfung und einigen Todesfällen gesehen. Deshalb setze Deutschland die Impfung mit Astra Zeneca fort.

Trotz der fortschreitenden Impfungen warnte Wieler, dass Deutschland aufgrund der ansteckenden Virus-Mutanten am Anfang der dritten Welle stehe, die man so flach wie möglich halten müsse. "Wir laufen einen Marathon und befinden uns im letzten Drittel. Das ist bekanntlich am anstrengendsten", sagte der RKI-Chef.

Die Vermutung, die höheren Infektionszahlen könnten in Zusammenhang mit der zunehmenden Verteilung von Schnell- und Selbsttests stehen, wies Wieler zurück. Denn auch die Zahlen der Patienten in den Krankenhäusern und Intensivstationen würden in einigen Bundesländern steigen. Er hoffe aber, dass die steigende Zahl an Tests das Dunkelfeld symptomloser Krankheitsverläufe besser ausleuchten würde und damit die Verbreitung des Virus eingeschränkt werden könne. "Trotz gewisser Schwächen nutzen diese Tests am Ende der ganzen Bevölkerung", erklärte Wieler.

Der von vielen geforderte Einlass der Hausärzte in die Impfstrategie verzögert sich, weil noch nicht genügend Impfstoff vorhanden ist. Spahn sagte, den Impfzentren seien 2,25 Millionen Dosen pro Woche zugeteilt, erst wenn die Hersteller mehr liefern könnten, ginge dieser an die Hausärzte. Er gab dabei zu, dass bislang die Zusagen über konkrete Liefermengen für April von Astra Zeneca und Moderna noch ausstünden. Nur Biontech legte schon verbindliche Zahlen vor. Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder wollen am 17. März in einer Telefonschalte über den Start der Corona-Impfungen in den Arztpraxen beraten. Es hieß, die Kanzlerin wolle schnellstmöglich in einer Kombination von Impfzentren und Hausärzten den Impfstoff an die Bürger zu bringen.

Ginge es nach der Ärztin Anke Richter-Scheer, wäre das besser "gestern als morgen" geschehen. Das Vorstandsmitglied des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe gab allerdings zu, dass die Zentren etwa das Impfen ganzer Berufsgruppen wie Lehrerinnen und Erzieher besser organisieren können. Zudem klagte sie über einen großen bürokratischen Aufwand mit zum Beispiel sechs bis sieben Unterschriften eines Arztes pro Impfung.

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