Kitas in der Corona-Krise:Kinder nein, Gebühren ja

Corona-Krise: Mutter mit Kind vor einer Kita

Die Kitas in Deutschland sind bis auf Weiteres geschlossen, einige Eltern müssen trotzdem zahlen.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Viele private Kitas haben zwar geschlossen, nehmen aber noch Beiträge, um laufende Kosten zu decken, die trotz Corona-Krise anfallen. Manche Eltern zeigen Verständnis, andere weniger.

Von Hannah Beitzer, Berlin

600 Euro zahlt ein Vater aus Heidelberg für die private Kita - obwohl sein Kind seit Mitte März nicht mehr hingehen kann. Die städtischen und kirchlichen Träger in seiner Nachbarschaft hingegen erlassen den Eltern gerade die Beiträge, berichtet er auf Twitter. Auch eine Mutter aus Hessen zeigt eine Mail ihres Kitaträgers: Auf die Elternbeiträge könne man nicht verzichten, immerhin gibt es die 80 Euro Essensgeld für April zurück. Zwei Beispiele für ein Problem, das Eltern in Deutschland mal mehr, mal weniger umtreibt: Fallen noch Kitagebühren an, obwohl die meisten Kinder zu Hause betreut werden?

"Viele unserer Kitas können auf die Elternbeiträge nicht einfach verzichten", sagt Norbert Bender, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Elterninitiativen. "Sie machen je nach Bundesland und Alter der Kinder bis zu 30 Prozent des Haushalts aus." Rücklagen dürfen gemeinnützige Einrichtungen nur begrenzt bilden. Und viele Kosten laufen trotz Corona-Krise weiter. Anders als kommunale oder kirchliche Einrichtungen, die oft in eigenen Räumen arbeiten, fallen für Elterninitiativen und freie Träger etwa häufig hohe Gewerbemieten an. Auch die Notbetreuung müsse weiterhin gewährleistet sein.

Von ähnlichen Problemen berichtet Waltraud Weegmann. Sie leitet einen Bildungsträger, zu dem 40 Kitas gehören, die meisten davon in Baden-Württemberg. Außerdem ist sie Vorsitzende des Deutschen Kitaverbands, eines Zusammenschlusses freier Kitaträger. "Selbst wenn nur ein Kind in der Notbetreuung ist, muss ich dort zwei Betreuer einsetzen", sagt sie. Zudem kämen verschärfte Auflagen zur Hygiene hinzu. Die Notbetreuung sei also nicht mit demselben Erzieher-Kind-Schlüssel zu leisten wie der Regelbetrieb.

Trotzdem falle natürlich unterm Strich weniger Erziehungsarbeit an. Ihr Träger hat die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wegen Corona in die Kurzarbeit geschickt - stockt jedoch das Gehalt auf 100 Prozent auf. "Sonst wandern mir die Mitarbeiter bei der nächsten Gelegenheit zu den kommunalen Kitas ab", sagt sie. Denn eigentlich sind Erzieher und Erzieherinnen Mangelware - und wenn der Betrieb wieder anläuft, kann keine Kita auf ihre Fachkräfte verzichten.

Und wie reagieren die Eltern auf die Nöte der Kitas? "Die meisten mit größtem Verständnis, einige aber auch mit großem Unverständnis", sagt Weegmann. Sie versteht das sogar: "Viele Eltern haben jetzt finanzielle Probleme, sie sind in Kurzarbeit - und dann sollen sie Kitagebühren zahlen, obwohl ihre Kinder nicht in die Kita gehen." Auch Norbert Bender berichtet, dass einzelne Eltern ihre Beiträge nicht mehr zahlen wollen. Oder sogar den Kitaplatz kündigen. "Insgesamt geht es in den Elterninitiativen aber natürlich etwas familiärer zu als in großen Trägern, da gibt es schon auch viel Verständnis."

Für Spielplätze

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) fordert, die Sperrung von Spielplätzen aufgrund der Corona-Pandemie aufzuheben. "Eine kategorische Schließung von Spielplätzen finde ich nicht mehr richtig", sagte sie am Mittwoch. Gerade in der Großstadt hätten Kinder sehr wenig Bewegungsmöglichkeiten. Auch das Deutsche Kinderhilfswerk sprach sich dafür aus, die öffentlichen Spielplätze schrittweise wieder zu öffnen. Statt die Spielplätze geschlossen zu halten, solle nur eine bestimmte Anzahl von Kindern eingelassen werden, regte Giffey an. Eine Einlassbeschränkung sei im Baumarkt möglich, "wieso nicht auf Spielplätzen?", so die Familienministerin. Kinder müssten derzeit unter sehr starken Einschränkungen leben: "Sie dürfen ihre Freunde nicht sehen, nicht auf den Spielplatz, nicht in die Kita, nicht zu Oma und Opa." Man müsse daher zwischen Kindeswohl auf der einen Seite und Gesundheitsschutz auf der anderen Seite abwägen. Auch das Deutsche Kinderhilfswerk rief Länder und Kommunen auf, gerade große, weitläufige Spielplätze schrittweise wieder zu öffnen. Was die Gefahr von Infektionen über Oberflächen von Spielgeräten angehe, sollte in enger Abstimmung mit dem Robert Koch-Institut vorgegangen werden. EPD

In Bayern können Eltern nun ein wenig aufatmen: Anfang der Woche hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) angekündigt, dass sie drei Monate keine Kitagebühren zahlen müssen. Auch in Brandenburg, Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, dem Saarland und Bremen übernehmen die Länder die Kitagebühren, zumindest für April. Doch auch wo es prinzipiell eine landesweite Regelung gibt, ist es nicht immer einfach.

Zum Beispiel in Baden-Württemberg: Das Land hat Städte, Gemeinden und Landkreise mit 100 Millionen Euro Soforthilfe unterstützt, damit sie im März und April auf Elternbeiträge und Gebühren verzichten. Bei freien Trägern können die Gebühren bis zur Höhe des kommunalen Satzes erstattet werden. Elternvertreter beklagen dennoch einen "Flickenteppich", weil eben doch jede Kommune, jeder Träger anders entscheide - und fordern eine landeseinheitliche Lösung. Von diesem Flickenteppich berichtet auch Waltraud Weegmann. "Wir müssen mit jeder Kommune einzeln sprechen", sagt sie, "mit einigen davon haben wir immer noch keine Regelung gefunden."

Aktuelles zum Coronavirus - zweimal täglich per Mail oder Push-Nachricht

Alle Meldungen zur aktuellen Lage in Deutschland und weltweit sowie die wichtigsten Nachrichten des Tages - zweimal täglich im SZ am Morgen und SZ am Abend. Unser Newsletter bringt Sie auf den neuesten Stand. Kostenlose Anmeldung: sz.de/morgenabend. In unserer Nachrichten-App (hier herunterladen) können Sie den Nachrichten-Newsletter oder Eilmeldungen auch als Push-Nachricht abonnieren.

In Nordrhein-Westfalen teilen sich Land und Kommunen die Ausfallkosten. Jedoch gilt das nicht für gewerbliche Träger, die in NRW grundsätzlich von der staatlichen Finanzierung ausgenommen sind. "Das ist ein Problem für die Träger und die Eltern", sagt Weegmann, deren Kitaverband auch viele Mitglieder in Nordrhein-Westfalen hat. "Denn die Elternbeiträge betragen da schon einmal 1000 Euro." Die stecken die wenigsten Eltern einfach weg - die Kitas aber sind weiter auf Finanzierung angewiesen.

In Hessen hingegen gibt es gar keine landeseinheitliche Regelung. Ob Eltern Gebühren zahlen müssen, unterscheidet sich von Kommune zu Kommune, von Träger zu Träger. "Da herrscht großes Chaos und eine große Verunsicherung bei den Initiativen und den Eltern", sagt Norbert Bender. Auch in Niedersachsen und in Rheinland-Pfalz gibt es keine landesweite Regelung für Elternbeiträge in der Corona-Krise. Relativ unberührt von dieser Debatte sind nur Eltern und Einrichtungen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern. Sie zahlen - abgesehen von Essensbeiträgen - ohnehin keine Gebühren für die Kita.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: