Coronavirus:Iran nach China offenbar am schwersten betroffen

Coronavirus im Iran

Passantinnen tragen in Irans Hauptstadt Teheran Atemschutzmasken, um sich vor dem Coronavirus zu schützen.

(Foto: dpa)
  • Nach offiziellen Angaben sind in Iran bislang zwölf Menschen am Coronavirus gestorben, 64 weitere Menschen sind infiziert.
  • Allerdings gibt es wachsende Zweifel an den offiziellen Zahlen; ein Abgeordneter aus der Stadt Qom sagt, dort seien bereits 50 Menschen gestorben.
  • Irans Regierung reagiert unter anderem mit Schulschließungen und der Einrichtung eines Krisenzentrums.
  • Alle sieben Nachbarn Irans haben inzwischen die Landesgrenzen geschlossen oder lassen nur noch ihre eigenen Staatsangehörigen durch.

Von Paul-Anton Krüger

Iran hat sich binnen weniger Tage zum am schwersten vom Coronavirus betroffenen Land nach China entwickelt. Das Staatsfernsehen meldete am Montag, die Zahl der Toten sei auf zwölf gestiegen. Diese Zahl wurde auch von Mitgliedern des scheidenden Parlaments bestätigt, das in nichtöffentlicher Sitzung über den Umgang mit dem Krankheitsausbruch beriet. Die halbamtliche Nachrichtenagentur Mehr zitiert ein Mitglied des Parlamentspräsidiums, dem zufolge das Gesundheitsministerium inzwischen 64 bestätigte Fälle einer Infektion registriert habe. Am Sonntag hatte das Gesundheitsministerium acht Tote und 35 weitere bestätigte Infektionen gemeldet.

Präsident Hassan Rohani hatte am Sonntag angeordnet, ein Krisenzentrum einzurichten, das die Reaktion der Behörden koordinieren soll, und die Aufgabe an Gesundheitsminister Said Namaki übertragen. In dem Hauptquartier sollen die Ministerien für Inneres, Verkehr, Erziehung und Wissenschaft, Tourismus und Kultur vertreten sein sowie die Justiz und das Oberkommando der Streitkräfte, der Polizei, des staatlichen Rundfunks und der für Pilgerfahrten zuständigen Organisationen. Iran hatte am Sonntag die Schließung von Schulen und Universitäten in 14 Provinzen für zehn Tage angeordnet, auch wurden die meisten öffentlichen Veranstaltungen abgesagt.

Allerdings gibt es wachsende Zweifel an den offiziellen Zahlen. In Qom, einer der heiligen Städte der Schia, sind am Mittwoch nach offiziellen Angaben die ersten beiden Menschen an dem Virus gestorben. Der Abgeordnete Ahmad Amirabadi-Farahani sagte der halbamtlichen Nachrichtenagentur ILNA zufolge, in den vergangenen Wochen seien 50 Menschen alleine in Qom an dem Virus gestorben. Er forderte, die Stadt unter Quarantäne zu stellen und sagte, sie verfüge nicht über die nötigen Mittel, um mit der Krise umzugehen. Der stellvertretende Gesundheitsminister bestritt diese Zahlen. Selbst wenn die Zahl der Toten in Qom nur ein Viertel dessen wäre, werde er sofort zurücktreten, sagte er in einer vom Staatsfernsehen übertragenen Pressekonferenz.

Nach Amirabadis Angaben gab es bereits am 13. Februar die ersten Todesfälle, dies sei aber von der Regierung nicht bekanntgegeben worden. 250 Patienten seien unter Quarantäne gestellt worden und 32 nach der Isolation gestorben. Amirabadi, ein Konservativer, hatte zuvor schon in Tweets die Regierung in Teheran kritisiert, dass sie den Ausbruch der Krankheit in Qom nicht ernst nehme.

Ähnlich hatte sich der Kanzler der Medizinischen Universität in Qom zuvor schon im Staatsfernsehen geäußert: Die Situation in der Stadt sei "kritisch", sagte Mohammad-Reza Ghadir. Höhere Regierungsstellen hätten die lokalen Behörden angewiesen, keine Zahlen öffentlich bekannt zu geben. Nach Ghadirs Darstellung hat sich auch Klinikpersonal infiziert. Wie der Abgeordnete Amirabadi sagte, wurde Ghadir selbst am Sonntag ebenfalls positiv getestet und unter Quarantäne gestellt.

Inzwischen sind in sieben weiteren Ländern Reisende positiv auf das Corona-Virus getestet worden, die aus Iran gekommen waren, darunter zwei iranische Touristen in den Vereinigten Arabischen Emiraten und eine Frau, die Qom besucht hatte, in Libanon. In der irakischen Stadt Najaf wurde ein iranischer Student positiv getestet. Auch Kanada, Bahrain und Kuwait haben Fälle gemeldet. In Afghanistan gab es in der an Iran angrenzenden Provinz Herat am Sonntag drei Verdachtsfälle, einer davon wurde am Montag bestätigt. Mehr als 1000 schiitische Hazara aus der Provinz waren nach Angaben der Regierung in den vergangenen Wochen nach Qom gepilgert. In der Provinz wurde der Notstand ausgerufen, ebenso wie in der pakistanischen Grenzregion Belutschistan.

In Kuwait sind drei Menschen betroffen, die sich zuvor in Maschhad aufgehalten hatten, Irans zweitgrößte Stadt und mit dem Schrein von Imam Reza das wichtigste Pilgerziel in Iran, das jedes Jahr von Millionen Schiiten besucht wird. Offiziell sind aus der Stadt bislang keine Infektionen gemeldet. Verdachtsfälle gibt es der Regierung zufolge in Qom und der Hauptstadt Teheran, in der Provinz Isfahan sowie in den Provinzen Markazi, Gilan, Mazandaran, Hamedan, Qazvin, Alborz und Golestan, also im Nordwesten des Landes und entlang der Küste des Kaspischen Meeres.

Alle sieben Nachbarn Irans haben inzwischen die Landgrenzen geschlossen oder lassen nur noch ihre eigenen Staatsangehörigen durch. Die Türkei, Kuwait, Irak und Georgien haben die Flugverbindungen eingestellt. Lufthansa und andere europäische Fluggesellschaften hatten ihre Flüge bereits nach dem Abschuss einer ukrainischen Zivilmaschine mit 176 Menschen an Bord durch die Revolutionsgarden aus Sicherheitsgründen eingestellt und hatten angekündigt, diese Entscheidung im März zu überprüfen. Die meisten Fluggesellschaften westlicher Länder haben die Verbindungen nach Festland-China bis auf weiteres ausgesetzt.

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