Pandemie:Müsst ihr doch wissen

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Kann bald (fast) überall weg: Die FFP2-Maske. (Foto: Leonhard Simon)

Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz gibt Bundesminister Karl Lauterbach die Macht über neue Corona-Maßnahmen weitgehend an die Länder ab. Das könnte kompliziert werden.

Von Angelika Slavik, Berlin

Die Zeit ist ganz schön knapp geworden, aber am Mittwoch tritt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) dann doch vor die Journalisten. Neben ihm steht Bundesjustizminister Marco Buschmann von der FDP, noch tags zuvor haben beide miteinander gerungen. Man könnte wohl auch sagen: aneinander gelitten. Lauterbach und Buschmann, das sind die zwei Antipoden der deutschen Corona-Politik. Team Freiheit gegen Team Vorsicht. Der eine fürchtet um die Grundrechte und der andere die nächste Mutante. Aber jetzt haben sie sich geeinigt, nach "intensiven Tagen", wie Buschmann sagt. Mehr Zeit hätten sie auch nicht mehr benötigen dürfen, denn es sind ja nur noch zehn Tage: Am 19. März läuft das aktuelle Infektionsschutzgesetz aus. Wie dann mit Maskenpflicht, Zugangskontrollen und Testpflicht zu verfahren ist, war bis zu diesem Mittwoch völlig offen. Aber nun habe man ja einen guten Kompromiss gefunden, sagen beide.

Konkret soll es also so laufen: In bestimmten Bereichen sollen Masken- und Testpflicht zwar beibehalten werden, grundsätzlich kehre Deutschland aber "zur Normalität des Lebens zurück", wie Buschmann sagt. Umfangreichere Maßnahmen sollen dennoch möglich bleiben, falls notwendig: wenn sich also bestimmte Regionen zu "Corona-Hotspots" entwickeln. Das wäre der Fall, wenn etwa die Inzidenz stark steigt, das Gesundheitssystem in kritischem Maß belastet ist oder eine neue Virus-Variante auftaucht. Als Hotspots könnten Stadtviertel, Städte, Regionen oder auch ganze Bundesländer definiert werden, sagt Lauterbach. Das hänge dann eben vom Infektionsgeschehen ab.

Das Bundesgesetz definiert den Instrumentenkasten, mit dem die Landesregierungen auskommen müssen

Dass gerade bundesweit die Inzidenzzahlen steigen, mache die Pläne zur neuen deutschen Lockerheit keineswegs obsolet. Das Robert-Koch-Institut meldete am Mittwoch eine Inzidenz von 1319, binnen 24 Stunden wurden 215 854 Neuinfektionen registriert. "Ich habe immer noch die Hoffnung, dass wir den Anstieg beherrschen können", sagt Lauterbach. Aber wenn das nicht gelinge, dann würde das neue Infektionsschutzgesetz eben Anwendung finden. Dann würden per Hotspot-Regelung stärkere Schutzmaßnahmen erlassen.

Die Anordnung der Schutzmaßnahmen liegt bei den Ländern, sie sollen die Maskenpflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln, sowie in Kliniken und Pflegeheimen verfügen können. In diesen Einrichtungen, in denen besonders vulnerable Gruppen geschützt werden sollen, können ebenso wie in Schulen weiterhin Testpflichten angeordnet werden. In den Hotspots dagegen soll die Maskenpflicht ausgeweitet werden können, auch Abstandsgebote, Hygienekonzepte und verpflichtende Impf- oder Testnachweise sollen dort als Instrumente zur Pandemiebekämpfung zur Verfügung stehen. Ist eine Region kein Corona-Hotspot, haben die Länder aber auch keine Möglichkeit, schärfere Maßnahmen zu verhängen. Das Bundesgesetz definiert den Instrumentenkasten, mit dem die Landesregierungen auskommen müssen. Das macht der Bundesjustizminister deutlich. Die Rückkehr zur "Normalität des Lebens" zu verweigern oder zu verschieben, einfach nur mal so aus Vorsicht? Ist nicht drin.

Der Entwurf nennt keine Grenzwerte für die Inzidenz oder die Krankenhausbelegung

Weniger präzise ist der Entwurf allerdings an einer anderen Stelle: Bei der Frage, wann eine Region ein Corona-Hotspot ist, wird es kompliziert. Denn der Entwurf nennt keine Grenzwerte - etwa für die Inzidenz oder die Krankenhausbelegung - mit deren Überschreitung die Hotspot-Regelung automatisch in Kraft gesetzt wird. Die Definition der Gefährdungslage liegt bei den Ländern selbst. Ob eine Region in Not ist, ist damit wohl stark davon abhängig, ob der jeweilige Ministerpräsident oder die jeweilige Ministerpräsidentin eher mit Lauterbach'scher Vorsicht oder mit Buschmann'schem Freiheitsdrang auf die Pandemieentwicklung blickt. Die Macht über die Corona-Politik geht damit in großem Maß zurück an die Länder: Müsst ihr doch wissen, ob ihr in Not seid oder nicht.

Die Regelungen, die in der kommenden Woche im Bundestag beschlossen werden sollen, werden dann bis zum 23. September gelten. Vor einer möglichen neuen Welle im Herbst, mit der der Bundesgesundheitsminister wohl fix rechnet, müsste dann wieder ein Nachfolgegesetz beschlossen werden.

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