Coronavirus in Großbritannien:"Jede Nadel in jedem Arm macht einen Unterschied"

Coronavirus in Großbritannien: Premierminister Boris Johnson (rechts) steht in der Kritik.

Premierminister Boris Johnson (rechts) steht in der Kritik.

(Foto: ROBERT BODMAN/AFP)

In England steigt die Zahl der Corona-Infizierten massiv. Premier Johnson verhängt deshalb einen harten Lockdown. Immerhin gibt es Hoffnung: 1,3 Millionen Menschen wurden im Königreich bereits geimpft.

Von Alexander Mühlauer, London

Noch am Sonntag saß Boris Johnson in der "Andrew Marr Show" der BBC und machte allen Eltern Mut, ihre Kinder nach den Weihnachtsferien wieder in die Schule zu schicken. Er habe "keinen Zweifel" daran, dass es dort sicher sei, sagte der britische Premierminister. Und so öffneten am Montag zumindest die Einrichtungen in all jenen Landesteilen, wo es die Infektionszahlen nach Meinung der Regierung erlaubten.

Allerdings nur für diesen einen Tag.

Denn am Montagabend vollzog Johnson eine Kehrtwende und verkündete in einer Fernsehansprache einen harten Lockdown für ganz England. Für die Schulen bedeutet das: Sie bleiben geschlossen - und zwar bis vorerst Mitte Februar.

Johnson entschuldigte sich

Johnson entschuldigte sich für den plötzlichen Sinneswandel, aber das konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Premier in der Corona-Krise einmal mehr als Getriebener wirkte. Er habe "alles versucht", damit die Schulen weiter geöffnet bleiben können, sagte Johnson. Warum Kinder jedoch für einen Tag ins Klassenzimmer kommen sollen, um dann am folgenden Tag wieder zu Hause zu bleiben, konnte er nicht erklären. Und auf die Gefahr, dass dadurch Viren übertragen werden könnten, ging Johnson gar nicht erst ein.

Der Premier kündigte am Montagabend also das an, was seine wissenschaftlichen Chefberater schon seit Längerem forderten. "Wir müssen in England einen Lockdown verhängen, um die neue Corona-Variante in den Griff zu bekommen", sagte Johnson. Und wandte sich direkt an die Bürgerinnen und Bürger: "Das bedeutet, dass Sie zu Hause bleiben müssen."

Innerhalb einer Woche sind die Fallzahlen um mehr als 40 Prozent gestiegen

Wie schon bei seiner Fernsehansprache zeichnete der Premier auch am Mittwoch im Unterhaus ein dramatisches Bild der Lage. Erneut machte Johnson die Corona-Mutation namens VUI-202012/01 für den massiven Anstieg der Infektionszahlen verantwortlich. Diese ist nach Aussage des Premiers um bis zu 70 Prozent ansteckender als die bisher gängige Variante.

Die Zahlen sind jedenfalls alarmierend. Am Dienstag meldete Großbritannien fast 61 000 Neuinfektionen binnen 24 Stunden - so viele wie nie zuvor. Innerhalb einer Woche sind die Fallzahlen um mehr als 40 Prozent gestiegen. Die Inzidenz pro 100 000 Einwohner liegt nun bei knapp 520. Doch das ist nur der Durchschnitt. Im Großraum London gibt es mittlerweile Bezirke, die einen mehr als doppelt so hohen Wert verzeichnen.

Britischen Medienberichten zufolge kommen die Krankenhäuser in der Hauptstadt an ihre Kapazitätsgrenzen. Patienten werden demnach auf Fluren untergebracht oder müssen stundenlang in Krankenwagen warten, bis ein Bett frei wird. Die Zahl der Menschen, die mit Corona-Symptomen in Krankenhäusern behandelt werden, stieg innerhalb einer Woche um fast 20 Prozent. Auch die Zahl jener, die am Coronavirus gestorben sind, stieg weiter an. Allein am Dienstag meldete die Regierung 830 Tote. Das entspricht einer Steigerung von 45 Prozent binnen einer Woche.

Einmal am Tag darf man ins Freie

Wie beim ersten Lockdown im Frühjahr dürfen die Bürgerinnen und Bürger ihr Zuhause nur noch verlassen, um lebensnotwendige Besorgungen zu machen. So bleiben etwa Supermärkte, Apotheken und Banken geöffnet. Im Gegensatz zu Schottland können Eltern in England ihre Kinder weiter in die Kitas bringen. Zur Arbeitsstelle darf nur, wem es unmöglich ist, im Home-Office zu arbeiten. Einmal am Tag darf man ins Freie, um Sport zu treiben oder spazieren zu gehen. Die Einschränkungen sollen bis 31. März gelten. Johnson erklärte im Unterhaus, das Datum sei nicht deshalb gewählt, weil der Lockdown so lange dauern solle. Die Maßnahmen würden ständig überprüft und sobald wie möglich beendet.

Der Premier setzt seine Hoffnung in die Corona-Impfstoffe, denn: "Jede Nadel in jedem Arm macht einen Unterschied." Das Vereinigte Königreich impfe bereits jetzt schneller als jedes vergleichbare Land, sagte Johnson. Dem Premier zufolge haben bisher mehr als 1,3 Millionen Menschen das Vakzin erhalten.

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