Corona-Pandemie:EU-Impfpass soll bis Sommer kommen

EU-Sondergipfel zur Corona-Pandemie

Die EU-Kommission wolle in den kommenden drei Monaten die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, nationale digitale Impfausweise miteinander zu verbinden, sagt Kanzlerin Angela Merkel.

(Foto: dpa)

Laut Bundeskanzlerin Merkel wird das Dokument aber nicht alleine bestimmen, wer reisen darf. Mehrere Mitgliedstaaten fordern Erleichterungen für Bürger mit Corona-Schutz, andere halten das für vorschnell.

Von Björn Finke, Matthias Kolb, Brüssel, und Henrike Roßbach, Berlin

Die EU-Staaten wollen bis Frühsommer ein System gegenseitig anerkannter Corona-Impfpässe etablieren. Die 27 Staats- und Regierungschefs tauschten sich darüber am Donnerstag bei einem Videogipfel zur Pandemiebekämpfung aus. Danach sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die politische Vorgabe sei, "dass man das in den nächsten Monaten erreicht, ich habe ja von drei Monaten gesprochen". Keine Einigung gab es bei der Frage, welche Vorteile diese Pässe bieten sollten. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte, dies müsse jedes Land für sich entscheiden, das System werde "politisch neutral" sein.

Merkel stellte klar, die Einführung bedeute jedenfalls nicht, dass künftig nur reisen dürfe, wer einen Impfpass habe: "Darüber sind überhaupt noch keine politischen Entscheidungen getroffen." Vor dem Videogipfel hatte Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz die Debatte angeheizt, ob und welche Reiseerleichterungen die Impfnachweise bringen sollen. "Wer geimpft ist, der soll volle Freiheit haben", sagte der Christdemokrat in einem Interview mit Bild Live. "Aber genauso all jene, die gerade Corona hatten und daher immun sind, und auch all jene, die einen Test machen und nachweisen können, dass sie negativ sind." Später drohte Kurz mit Alleingängen, sollten auf EU-Ebene Fortschritte ausbleiben: "Wenn es keine europäische Lösung gibt, dann müssen wir dieses Projekt national umsetzen."

Tourismus-Länder drängen auf Reisefreiheit für Geimpfte

Griechenlands Premier Kyriakos Mitsotakis hatte in einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung ähnlich argumentiert und gesagt, wer mit einem solchen Pass eine Impfung nachweise, müsse einfacher zwischen den Mitgliedstaaten reisen können, etwa ohne Quarantänepflicht. Sowohl die griechische als auch die österreichische Wirtschaft hängen stark vom Tourismus ab; die Regierungen hoffen deshalb, dass die Pandemie die Reisesaison in diesem Sommer weniger stark belastet als zuletzt. Angeheizt wird die Diskussion von der Tourismusbranche selbst. So will der Düsseldorfer Reiseveranstalter Alltours von November an in einigen Hotels Zimmer nur an Geimpfte vermieten.

Nach dem Gipfel äußerte sich Kanzler Kurz zufrieden: "Es freut mich, dass es unter den EU-Mitgliedsstaaten eine breite Front der Unterstützung" gebe, schrieb er auf Twitter. "Nun geht es um die möglichst rasche Umsetzung!" EU-Ratspräsident Charles Michel sagte, nach der Gipfeldebatte blieben noch manche Fragen offen, doch seien einige Missverständnisse unter den Mitgliedstaaten ausgeräumt worden.

Während vom Tourismus abhängige Mitgliedstaaten auf Reiseerleichterungen für Geimpfte drängen, sind andere Länder zurückhaltender. Ein hochrangiger EU-Diplomat sagte, Regierungen von Staaten wie Frankreich und Deutschland befürchteten, dass solche Regelungen eine Impfpflicht "durch die Hintertür" etablieren könnten. Merkel betonte, dass Vorteile für Geimpfte "zurzeit bei der geringen Durchimpfung der Bevölkerung gar nicht das Thema" seien. Darauf hätten alle Staats- und Regierungschefs hingewiesen: "Aber man muss sich ja vorbereiten."

Kommissionschefin von der Leyen sagte, es sei auch immer noch unklar, ob Geimpfte ansteckend seien. Die Deutsche erklärte, wie das System gegenseitig anerkannter EU-Impfpässe funktionieren soll. Demnach haben sich die Staaten und die Kommission bereits geeinigt, welche Daten diese Nachweise enthalten sollen. Die Mitgliedstaaten müssten nun im Gesundheitswesen und an den Grenzen die nötigen Systeme etablieren. Aufgabe der Kommission sei es, Datenaustausch und Kompatibilität zu ermöglichen. Von der Leyen mahnte die Regierungen, dass sie "schnell vorankommen müssen".

Welche Vorteile die Pässe bieten sollen, ist noch umstritten

Spätestens wenn die Systeme einsatzbereit sind, ist der schwierigen Debatte nicht mehr auszuweichen, welche Vorteile die Pässe bieten sollen. Wie mühsam diese Diskussion wird, zeigt sich zum Beispiel schon daran, dass selbst innerhalb der SPD-Fraktion im Bundestag keine Einigkeit herrscht. Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte der SZ, er sehe einen EU-weiten Impfpass zum jetzigen Zeitpunkt kritisch: Man wisse nicht, "ob und insbesondere für wie lange Corona-Impfstoffe eine Immunität im Sinne von Schutz vor Ansteckung und Schutz vor Weitergabe der Ansteckung bieten".

Lauterbachs Fraktionskollegin Bärbel Bas dagegen hält einen europäischen Impfnachweis für sinnvoll. Er stelle sicher, dass etwa Deutschen im Ausland keine Nachteile entstünden. Auch die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Christine Aschenberg-Dugnus, befürwortete den EU-Impfpass, allerdings erst, wenn alle Impfwilligen ein Angebot erhalten hätten. Die CDU-Gesundheitspolitikerin Karin Maag mahnte einheitliche Regeln an, auch was Auffrischungsimpfungen angeht.

Die griechische Regierung schafft unterdessen Fakten. Seit einer Woche stellt sie Corona-Impfzertifikate aus und vereinbarte mit Israel, die jeweiligen Impfzertifikate gegenseitig anzuerkennen.

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