Süddeutsche Zeitung

Pandemie:"Auf alle Eventualitäten vorbereitet"

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will für den Herbst im großen Stil Impfstoff einkaufen - obwohl Deutschland bereits Millionen ungenutzter Dosen lagert. Was steckt dahinter?

Von Angelika Slavik, Berlin

Es ist nur ein kurzer Auftritt, den der Bundesgesundheitsminister am Mittwoch in seinem Haus absolviert. Und doch könnten diese knapp 25 Minuten gleich in doppelter Hinsicht entscheidend sein: Zum einen für das politische Schicksal von Karl Lauterbach, dessen Bilanz als Minister bislang eher durchwachsen ausfällt. Und zum zweiten für das Land, das durch einen dritten Pandemieherbst kommen muss - und zwar nach Möglichkeit besser als durch die beiden vorangegangenen.

Lauterbach hat sehr kurzfristig eingeladen, um seine Pandemiestrategie für die kommenden Monate vorzustellen. Seit er im Dezember das Ministeramt übernommen hat, gab es rund um ihn viel Unruhe: Öffentlicher Streit mit dem Chef des Robert-Koch-Instituts, öffentlicher Streit mit den Ländern, chaotische Kommunikation rund um das Ende der Maskenpflicht und um die Quarantäneverordnung - Lauterbachs erste Monate im Amt waren ein wilder Ritt. Der Erfolg seines Pandemiekonzepts entscheidet auch über die Deutung seiner Amtszeit: Wenn er das Land nun besser durch Herbst und Winter bekommt als sein Vorgänger, werden die Schwierigkeiten des Anfangs rückblickend nur Scharmützel gewesen sein. Wenn nicht, sieht die Gesamtbilanz nicht gut aus. Wie also will er es angehen?

"Wir müssen auf alle Eventualitäten vorbereitet sein", sagt Lauterbach vor den Journalisten. Alle Eventualitäten, das bedeutet: Es könnte sein, dass im Herbst eine Virusvariante dominiert, die mehrheitlich nur milde Verläufe verursacht, so wie aktuell Omikron. Es könnte aber auch sein, dass eine neue, gefährlichere Variante die Lage komplett verändert. Es könne sein, dass die aktuellen Impfstoffe perfekt passen. Oder dass man einen angepassten Impfstoff benötigt. Wie es kommt, kann niemand sagen. Genau deshalb werde er auch für alle denkbaren Szenarien entsprechenden Impfstoff einkaufen, kündigt Lauterbach an. Es sollen alle, die eine vierte Impfung benötigen oder auch einfach nur wünschen, auf jeden Fall versorgt werden können. Ob das nur sehr wenige Menschen sein werden oder viele Millionen, das hängt vom Infektionsgeschehen ab.

Deshalb könne man leider nicht verhindern, dass man einerseits neuen Impfstoff bestelle, während viele Millionen alter Dosen kurz vor dem Verfallsdatum stünden und vermutlich entsorgt werden müssten, sagt Lauterbach. "Eine Lehre aus der Pandemie ist: Nie wollen wir wieder zu wenig Impfstoff haben." Man könne nicht so tun, sagt der Minister, als würde der aktuell gelagerte Impfstoff sicher ausreichen, "um im Herbst klarzukommen". Deshalb werden 830 Millionen Euro für den Ankauf von neuem Vakzin bereitgestellt.

Die aktuelle Pandemie sei nicht vorbei, so Lauterbach

Auch die Impf-Infrastruktur soll erhalten bleiben - der Bund will Impfzentren mit 100 Millionen Euro pro Monat unterstützen, sagt Lauterbach. Auch an einer Informationskampagne, die zum Impfen aufrufen soll, werde für den Herbst wieder gearbeitet. Wer bereits grundimmunisiert ist, soll übrigens auch im Fall eines an eine neue Variante angepassten Impfstoffs nur eine zusätzliche Dosis benötigen, nicht mehrere.

Bislang sind in Deutschland nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums 63,1 Millionen Menschen mindestens zweimal geimpft, das entspricht 75,8 Prozent der Gesamtbevölkerung. Eine Auffrischungsimpfung haben bislang insgesamt 59,6 Prozent der Bevölkerung erhalten.

Am Donnerstag und am Freitag will Lauterbach zudem mit den Gesundheitsministern der anderen G7-Staaten beraten, wie künftige Pandemien schneller erkannt und effektiver bekämpft werden könnten. Die aktuelle Pandemie sei nicht vorbei, so Lauterbach - gleichzeitig steige das Risiko neuer Pandemien, nicht zuletzt infolge der Klimaerwärmung. Auch darauf müsse man sich vorbereiten.

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