Süddeutsche Zeitung

Coronavirus:Immer mehr Staaten schotten sich ab

  • Am Freitag soll eine Bundeswehrmaschine nach China fliegen, um deutsche Staatsbürger aus der Region um die Elf-Millionen-Metropole Wuhan zurückzuholen.
  • Auch andere Staaten führen bereits Rückholaktionen durch, einige Länder haben ihre Grenzen für Besucher aus China geschlossen.
  • Russland meldet indes erste Fälle.
  • Am Donnerstag hatte die Weltgesundheitsorganisation das Coronavirus als weltweiten Notfall eingestuft.

Die Luftwaffe will noch am Freitag ein Flugzeug nach China schicken, um Deutsche aus der vom Coronavirus am stärksten betroffenen zentralchinesischen Provinz Hubei auszufliegen. Inzwischen lägen alle Genehmigungen vor, der dafür eingesetzte Truppentransporter werde bald starten, kündigte Außenminister Heiko Maas am Freitag in Berlin an.

Der Luftwaffen-Airbus soll etwa 100 Deutsche transportieren. Niemand der Auszufliegenden sei mit dem Virus infiziert, auch Verdachtsfälle würden nicht an Bord sein, so Maas. Die Bundeswehr bringe aber auf Bitten der Verantwortlichen in China etwa 10 000 Schutzanzüge mit.

"Um die Sicherheit der Bevölkerung in Deutschland zu gewährleisten, werden diejenigen, die ausgeflogen werden, für zwei Wochen in Quarantäne genommen an einem Bundeswehr-Standort, um sicherzugehen, dass keine Infektion bei einem der Ausgeflogenen vorliegt", erklärte der Minister. Laut dpa werden die Rückkehrer auf dem Luftwaffenstützpunkt Germersheim in Rheinland-Pfalz untergebracht. "Von der Rückkehr aus einem Krisengebiet darf keine Gefahr für die Bevölkerung hier ausgehen", stellte Maas auf Twitter klar.

Gesundheitsminister Jens Spahn erließ eine Eilverordnung, nach der ab Samstag alle begründeten Virus-Verdachtsfälle gemeldet werden müssen. Forschungsministerin Anja Karliczek sagte, es werde international an der Entwicklung eines Impfstoffes gearbeitet.

Inzwischen reagieren immer mehr Länder mit Abschottung. Japan verweigert Personen, die in den vergangenen beiden Wochen in der chinesischen Provinz Hubei waren, die Einreise. Singapur untersagt Reisenden, die sich in jüngster Zeit in China aufgehalten haben, den Eintritt ins Land komplett. Visa für Chinesen würden nicht mehr erteilt, erklärte das Gesundheitsministerium. Dies soll von Samstag an gelten und auch Transitreisende betreffen. Auch die Mongolei reagierte mit deutlichen Maßnahmen. Sie schließt bis 2. März ihre Grenze zu China.

Wegen der Abschottung vieler Länder ruft die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Staaten zur Offenhaltung der Grenzen auf. Sie hatte am Donnerstag wegen der Virusausbreitung einen internationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Es gebe gute Gründe, die Grenzübergänge durchgängig zu lassen, damit Menschen nicht unkontrolliert und ohne medizinische Untersuchung einreisen, sagte WHO-Sprecher Christian Lindmeier in Genf. Die Staaten hätten die Souveränität, ihre Bürger zu schützen, doch sollten Grenzen so kurz wie möglich geschlossen werden.

Auch andere Staaten fliegen Landsleute aus Wuhan aus

Auch Großbritannien hat Staatsbürger aus der besonders vom Coronavirus betroffenen Stadt Wuhan in Zentralchina ausfliegen lassen. Ein vom britischen Außenministerium gechartertes Flugzeug flog am Freitag Menschen aus Wuhan aus. An Bord waren 110 Passagiere, darunter 83 Briten.

Am Freitagmittag kündigte Russland an, russische Staatsbürger aus Wuhan auszufliegen und isoliert unterzubringen. Zudem meldete das Land die ersten Infektionsfälle: Es handele sich dabei um zwei chinesische Staatsbürger. Sie seien unter Quarantäne gestellt worden. Direktflüge zwischen Russland und China würden in der Nacht von Freitag auf Samstag von Mitternacht an ausgesetzt werden, mit Ausnahme von Flügen der russischen Airline Aeroflot.

Japan schickte derweil eine dritte Chartermaschine nach Wuhan, die 149 Staatsbürger zurückholte. In dem Land sind bisher elf bestätigte Fälle gemeldet.

In Südkorea wurde am Freitag der vierte Coronavirus-Fall bestätigt. Betroffen sei ein 28-Jähriger, der Wuhan besucht und dann Fieber bekommen habe. Eine Chartermaschine mit mehr als 360 Südkoreanern traf am Freitag in Seoul ein. Die Passagiere wurden zunächst auf Fieber getestet und dann per Bus zu Quarantäneeinrichtungen in den Städten Asan und Jincheon gebracht. Anwohner liefen gegen Regierungspläne Sturm, aus China evakuierte Landsleute in ihrer Nachbarschaft unterzubringen. Protestierende bewarfen Regierungsvertreter mit Eiern und anderen Gegenständen.

Zahl der Infektionen steigt

In China ist die Zahl der Infektionsfälle laut dem chinesischen UN-Botschafter Wang auf mehr als 9800 gestiegen. Insgesamt gebe es mittlerweile 9809 bestätigte Fälle, 213 Todesfälle sind bekannt. Am Freitag wurden erstmals zwei Fälle in Großbritannien bestätigt. Die Patienten seien in England positiv auf das Virus getestet worden, teilte der oberste englische Gesundheitsbeamte Chris Whitty mit. Es handele sich um zwei Mitglieder derselben Familie. Wo die beiden behandelt werden, ließ Whitty ebenso offen wie weitere Details zu ihrer Identität.

Außer in Großbritannien sind in der EU bislang Fälle der neuartigen Lungenerkrankung in Frankreich, Italien, Deutschland und Finnland bestätigt worden. Italien hat den nationalen Notstand ausgerufen.

Mit fast 10 000 Fällen weltweit zählt der Ausbruch der "akuten Atemwegserkrankung", wie sie offiziell genannt wird, schon deutlich mehr Infektionen als vor 17 Jahren die ebenfalls von China ausgegangene Sars-Pandemie mit - laut WHO - 8096 Infektionen. Durch das "Schwere Akute Atemwegssyndrom" (Sars) 2002/2003 starben 774 Menschen. Der neue "2019-nCoV"-Erreger ist eine Variante des damaligen Sars-Virus. Vermutlich stammt er auch von Wildtieren.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4779348
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/dpa/AP/thba/cck
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.