Den ganzen Montag über hatten sich Sprecher von Downing Street, Minister und Freunde von Boris Johnson darin abgewechselt zu betonen, dass alles in Ordnung sei und es dem Premierminister den Umständen entsprechend gut gehe. Am Abend dann der Schock: Man habe Johnson auf die Intensivstation des St Thomas' Hospital transferieren müssen, hieß es, weil sich sein Zustand weiter verschlechtert habe. Er sei bei Bewusstsein, könne noch sprechen, sei aber in die Nähe von Beatmungsgeräten verlegt worden - für alle Fälle. Kabinettsminister Michael Gove sagte einem Radiosender am Morgen, Johnson habe Sauerstoffunterstützung bekommen, sei aber nicht an ein Beatmungsgerät angeschlossen.
Die Nation ist bestürzt; auch all jene, die nicht viel von den politischen Talenten des Premierministers halten, drücken ihre unbedingte Sorge aus, dass es ihm schnell besser gehen möge. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel ließ Johnson über ihren Sprecher Steffen Seibert gute Besserung wünschen - sie hoffe, dass Johnson das Krankenhaus bald wieder verlassen könne. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron wünschten Johnson via Twitter eine schnelle Genesung. Aus den USA meldete sich Donald Trump. Wenn man wegen der Lungenkrankheit Covid-19 auf der Intensivstation behandelt werde, werde es "sehr, sehr ernst", sagte Trump bei einer Pressekonferenz im Weißen Haus und drückte Johnson seine besten Wünsche aus. Der Regierungschef sei ein "sehr guter Freund von mir und ein Freund unserer Nation".
Tatsächlich muss der Zustand des britischen Premiers, der sich vor elf Tagen mit Symptomen der Lungenkrankheit Covid-19 in heimische Quarantäne zurückgezogen hatte und danach positiv auf Sars-CoV-2 getestet worden war, schon in den vergangenen Tagen sehr schlecht gewesen sein. Der 55-Jährige selbst hatte sich noch am Donnerstag kurz vor Downing Street gezeigt, um gemeinsam mit Millionen Briten den Mitarbeitern des Nationalen Gesundheitssystems zu applaudieren.
Allerdings wurde später bekannt, dass es ihm schon die ganze vergangene Woche relativ schlecht gegangen sei; er habe immer wieder hohes Fieber und Atemnot gehabt. Im Laufe des Montags wurde dann bekannt, dass Johnson offenbar schon seit Samstag nicht mit seinem designierten Stellvertreter, Außenminister Dominic Raab, gesprochen habe. Fragen wurden laut, ob er dazu nicht mehr in der Lage war und die Berichte über seinen Gesundheitszustand geschönt wurden, um die Bevölkerung zu beruhigen.
Die für Dienstag geplante Kabinettssitzung war wohlweislich schon verlegt worden; Raab hatte am Morgen immerhin bereits ein Sicherheitsbriefing geleitet. Am Montagabend soll Johnson dann seinen Stellvertreter angerufen und ihn formell gebeten haben, die Amtsgeschäfte bis zu seiner Genesung zu übernehmen. Raab sicherte den Briten am Montagabend Kontinuität bei der Regierungsarbeit zu. "Die Regierungsgeschäfte werden weitergehen", so der Außenminister. Johnson habe ihn gebeten, die Pläne der Regierung für den Kampf gegen das Coronavirus voranzutreiben.
Dramatisch ist die Lage indes auch für die die 32-jährige Lebensgefährtin des Premierministers. Carrie Symonds ist hochschwanger und selbst gerade erst von einer Corona-Infektion genesen. Sie hat den Vater ihres Kindes, der nun auf der Intensivstation in einem Londoner Krankenhaus isoliert ist, seit knapp zwei Wochen nicht gesehen.
Mit Material der Agenturen