Coronavirus:Europa macht dicht

Viele Länder schicken ihre Bürger diese Woche in mehr oder weniger harte Lockdowns. Die Grenzen sollen aber offen bleiben, verspricht Bundesaußenminister Maas.

Von Sebastian Schoepp, München

Europa richtet sich auf einen harten Corona-Winter ein. Mehrere Länder gehen diese Woche ähnlich wie Deutschland in Lockdowns oder Teil-Lockdowns, die das öffentliche Leben stark einschränken. In Österreich muss wegen einer drohenden Überlastung der Intensivmedizin die Gastronomie und fast das gesamte Kultur- und Freizeitangebot schließen, landesweit dürfen die Bürger ihre Wohnung zwischen 20 und sechs Uhr nur in Ausnahmefällen - zu denen allerdings auch die Erholung im Freien zählt - verlassen. "Ab Dienstag, dem 3. November, um null Uhr, bis Ende November wird es zu einem zweiten Lockdown in Österreich kommen", sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Samstag in Wien. Noch vor Kurzem hatten die Regierung einen solchen Schritt praktisch ausgeschlossen.

Italien, das im Frühjahr am stärksten betroffen war, steht zum Wochenstart ebenfalls vor schärferen Corona-Schutzmaßnahmen. Angesichts rasant steigender Infektionskurven wolle Ministerpräsident Giuseppe Conte am Montag in beiden Kammern des Parlaments in Rom Erklärungen abgeben und anschließend per Dekret neue Restriktionen erlassen, berichteten mehrere Medien am Sonntag.

In England bleiben von Donnerstag an nur noch Schulen, Universitäten und bestimmte Geschäfte geöffnet. Der britische Premier Boris Johnson mahnte die Bürger: "Bleiben Sie zu Hause, schützen Sie das Gesundheitssystem, retten Sie Leben." In den anderen Landesteilen, also Schottland, Wales und Nordirland, gelten bereits weitgehend deutlich schärfere Regeln als bisher in England.

Besonders betroffen sind Deutschlands Nachbarländer Belgien und Tschechien. Der tschechische Innenminister Jan Hamáček sagte, der ausgerufene Notstand könne bis Weihnachten dauern. Die Rückkehr zur Normalität sei keine Frage von Tagen, sondern von Wochen und Monaten. In der Slowakei hat die Regierung einen zweitägigen landesweiten Massentest organisiert. Ziel ist, so viele Menschen wie möglich zu testen und damit einen harten Lockdown zu vermeiden. "Wir haben die große Chance, Europa und der Welt zu zeigen, dass es auch anders geht, ohne Schließung der Wirtschaft und Millionen Arbeitslose", sagte Ministerpräsident Igor Matovič.

Trotz der gefährlichen Lage sollen die Grenzen zwischen den europäischen Ländern anders als im Frühjahr offen bleiben. Das versprach Bundesaußenminister Heiko Maas in einem Interview mit dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Lage in Deutschland nannte er zwar "angespannt", aber besser als in einigen anderen Ländern. "Was ich aus dem Ausland an Reaktionen wahrgenommen habe, war eher eine Mischung aus Bewunderung und dem Wunsch, es ähnlich zu machen", sagte der SPD-Politiker.

In Spanien ließ sich Ministerpräsident Pedro Sánchez im Parlament den Alarmzustand bis Mai verlängern, allerdings gelten in dem Land bisher keine einheitlichen Regelungen, nur 13 der 17 autonomen Regionen haben ihre Territorien zunächst für zwei Wochen abgeriegelt. In Spanien gab es am Wochenende erstmals massive Proteste, ähnlich wie in anderen Ländern. Am Samstag kamen in Madrid Hunderte Menschen zunächst zu friedlichen Demonstrationen zusammen, die in Gewalt umschlugen, als die Polizei sie auflösen wollte. Müllcontainer brannten, Steine wurden geworfen und Schaufenster zerstört. Es gab 30 Festnahmen.

Auch in Frankreich, wo bereits eine strenge nächtliche Ausgangssperre gilt, kam es zu Protesten gegen die Corona-Maßnahmen. Bürgermeister und Präsidenten großer Ballungsräume beklagten am Sonntag in einem Brief an Premierminister Jean Castex, die Regelungen seien ungerecht, manche Branchen würden erheblich härter getroffen als andere.

China, wo die Pandemie ihren Ausgang nahm, meldete am Sonntag einen Rückgang der Corona-Fälle. Die Zahl der Neuinfektionen sei in den vergangenen 24 Stunden auf 24 gefallen, nachdem es tags zuvor noch 33 gewesen seien, teilte die Gesundheitsbehörde mit.

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