Coronavirus:Die EU-Kommission kann nicht viel mehr tun, als koordinieren

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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Foto: dpa)
  • Geht es um die Bekämpfung des Coronavirus hat die EU-Kommission vor allem da Spielräume, wo es ums Geld geht.
  • Gesundheitspolitik ist Ländersache - das ist in der Europäischen Union nicht anders als in der Bundesrepublik.
  • Eine wichtige Rolle übernimmt die Behörde hingegen bei der Frage, wie die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie zu begrenzen sind.

Von Karoline Meta Beisel und Björn Finke, Brüssel

Am Mittwochnachmittag wandte sich Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen an die Italiener. "Ihr seid in eurem Kampf gegen das Virus nicht alleine", sagte sie in einem kurzen Video, das auf Twitter verbreitet wurde. Sie beobachte die italienischen Maßnahmen mit tiefem Respekt und Bewunderung. Dass die Deutsche diese Botschaft überhaupt aufzeichnete, dürfte jedoch nicht nur Respekt und Bewunderung geschuldet sein. Sondern auch der Tatsache, dass sie zuvor harsch kritisiert worden war, weil sie auf die Situation bis dahin vor allem aus dem wirtschaftlichen Blickwinkel reagiert hatte: "Wir werden alle uns zur Verfügung stehenden Mittel nutzen, damit die europäische Wirtschaft diesem Sturm widersteht", sagte sie am Dienstagabend nach der Videokonferenz mit den Staats- und Regierungschefs.

Was die Kommunikation angeht, war die Sturmwarnung zumindest unglücklich, aber sie spiegelt die Rechtslage wider: Bei der Bekämpfung des Coronavirus hat die Kommission vor allem da Spielräume, wo es ums Geld geht. Gesundheitspolitik dagegen ist Ländersache, das ist in der Europäischen Union nicht anders als in der Bundesrepublik. Die EU-Kommission kann auf diesem Gebiet nicht viel mehr tun, als koordinieren: beim Informationsaustausch helfen, etwa über die Europäische Gesundheitsbehörde ECDC, oder Forschungsgelder frei machen. Bei der Videokonferenz mit den Staats- und Regierungschefs wurde noch vereinbart, dass die Behörde ermittelt, welche Vorräte und Produktionskapazitäten es für medizinische Ausrüstung in Europa gibt. Für alles, was über solche Unterstützung hinausgeht, ist nicht die EU zuständig. Im Zweifel müssen sich die Mitgliedstaaten abstimmen und auf gemeinsame Schritte einigen.

Das passiert aber zu wenig, findet der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese: "Wenn in Polen Schulen geschlossen werden, dann sollten wir das in Deutschland zumindest in Gebieten mit hohen Corona-Fallzahlen auch tun", sagt der gesundheitspolitische Sprecher der Christdemokraten im EU-Parlament. "Die Mitgliedstaaten müssen noch viel enger zusammenarbeiten, auch oder gerade weil die EU rechtlich zu wenig Kompetenzen auf dem Gebiet des Gesundheitsschutzes hat."

Das Flickwerk bei den Maßnahmen ärgert viele auch deswegen, weil sich Infizierte im Schengenraum nach wie vor weitgehend ungehindert bewegen können. Offiziell hat bislang lediglich Österreich der Kommission angezeigt, die Schengenregeln wegen des Virus außer Kraft zu setzen und die Einreise aus Italien zu beschränken. Andere Länder haben aber ebenfalls begonnen, wieder Grenzkontrollen einzuführen - etwa Tschechien an den Grenzen zu Deutschland und Österreich.

Über solche Kontrollen entscheiden die Länder selbst. Aufgabe der Kommission ist es zu prüfen, ob die dafür vorgesehenen Regeln eingehalten werden. So dürfen dem Schengener Grenzkodex zufolge solche Maßnahmen im Normalfall höchstens 30 Tage andauern, wobei Verlängerungen möglich sind. In der Vergangenheit - etwa bei der Wiedereinführung der Binnenkontrollen im Zuge der Flüchtlingskrise - hat die EU-Kommission bei Verstößen gegen diese Regeln aber nicht sehr hart reagiert.

Eine wichtige Rolle übernimmt die Behörde hingegen bei der Frage, wie die wirtschaftlichen Folgen der Epidemie zu begrenzen sind. Nach der Videokonferenz mit den Staats- und Regierungschefs war die schlagzeilenträchtigste Ankündigung von der Leyens, einen 25 Milliarden Euro schweren Hilfsfonds aufzusetzen. Die Zahl führt allerdings ein wenig in die Irre: Konkret geht es darum, dass Mitgliedstaaten nicht genutzte Mittel aus den EU-Strukturfonds - also aus Töpfen zur Förderung armer Regionen - behalten können, anstatt sie wie sonst üblich an die Behörde zurückzuzahlen. Es handelt sich um 7,5 Milliarden Euro.

Die Regierungen können dann bei der Kommission die Unterstützung von Projekten beantragen. Bei solchen Vorhaben müssen die Staaten einen Eigenbeitrag leisten. Und 7,5 Milliarden Euro Eigenbeitrag reichen aus, um Projekte im Wert von 25 Milliarden Euro bewilligt zu bekommen.

Zudem versprach von der Leyen, dass die Kommission den Stabilitätspakt und Regeln zu Staatsbeihilfen flexibel anwenden werde. An diesem Freitag wird sie dazu Leitlinien präsentieren, bevor sich am Montag die EU-Finanzminister treffen. Möchten Regierungen Branchen oder Konzerne mit Subventionen unterstützen, müssen sie die Behörde um Erlaubnis fragen. Die Kommission will sich nun bei Beihilfe-Fällen wegen der Corona-Krise, etwa bei Geld für darbende Hoteliers, flexibel zeigen. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt wiederum, das Regelwerk für solide Haushaltsführung in den Euro-Staaten, sieht ohnehin reichlich Spielräume vor. Finanzminister dürfen höhere Schulden machen, um auf unvorhergesehene Krisen und auf Katastrophen zu reagieren.

Die Europäische Investitionsbank (EIB), das Förderinstitut der EU, könnte ebenfalls dazu beitragen, die Konjunktur zu stützen. Das Luxemburger Geldhaus, eine der größten Banken der Welt, stellt günstige Kredite bereit. Am Donnerstag sollte der Verwaltungsrat tagen, das Entscheidungsgremium. Doch die Sitzung wurde wegen der Corona-Epidemie abgesagt.

© SZ vom 13.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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