Süddeutsche Zeitung

Corona-Krise:Österreich fürchtet die Schließung der Skigebiete

Italiens Premier Conte will die europäischen Skigebiete wegen Covid-19 mindestens bis zum 10. Januar geschlossen halten, er kann dabei auf den französischen Präsidenten und Bayerns Ministerpräsidenten zählen. In Österreich ist man empört.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

"Wenn die Deutschen zu Hause bleiben" hatte die Wiener Zeitung Ende September getitelt, als im Nachbarland die ersten Reisewarnungen für Österreich verkündet wurden. Das Entsetzen über das drohende Ausbleiben ausländischer Touristen angesichts einer Saison, die wegen der Corona-Pandemie ohnehin mehr als schwierig zu werden versprach, war groß in dem Land, dessen Wirtschaft zu etwa 15 Prozent vom Wintertourismus abhängt. Nun aber müssten die Zeitungen in Österreich womöglich demnächst titeln: "Wenn alle Skifahrer zu Hause bleiben", und das Entsetzen ist, nicht nur in Österreich, noch größer.

Denn der Vorstoß des italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte, die europäischen Skigebiete wegen Covid-19 mindestens bis zum 10. Januar geschlossen zu halten, nimmt an Fahrt auf; auch der französische Präsident Emmanuel Macron und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder können dem Vorschlag viel abgewinnen. Es sei "nicht möglich, einen Winterurlaub zuzulassen", hatte Conte dem Fernsehsender LA7 gesagt. "Wir können uns das nicht leisten." Conte schlägt eine zeitversetzte Öffnung der Skigebiete in den Alpen vor, damit mögliche Erfolge der vorweihnachtlichen Lockdowns nicht gleich wieder durch Massentourismus im Schnee zunichtegemacht werden.

"Keine Skilifte offen überall"

Söder schloss sich dem am Dienstag am Rande einer Landtagssitzung an. Wenn man Grenzen offen halte wolle, sagte er, dann brauche man eine europäische Übereinkunft zum Skitourismus. Anstatt dass jeder Skitourist nach seiner Reise zehn Tage in Quarantäne gehe, wäre ihm eine gemeinsame Übereinkunft lieber: "keine Skilifte offen überall - beziehungsweise kein Urlaub überall." Söder hat dabei offenbar auch die Kanzlerin hinter sich. Diese soll schon bei der Videokonferenz der Ministerpräsidenten am vorvergangenen Montag wörtlich gesagt haben, es treibe ihr "die Sorgen auf die Stirn", wenn sie höre, dass Österreichs Kanzler Sebastian Kurz die Skilifte wieder öffnen wolle.

In Österreich ist man von der Wendung, welche die politische Debatte in Sachen Wintertourismus gerade nimmt, deshalb alles andere als begeistert. Der harte Lockdown, der vor zwei Wochen über das Land verhängt worden war, soll - nach jetziger Planung - nach dem Nikolauswochenende wieder gelockert werden; Österreichs Skigebiete wollen dann sukzessive vor und nach Weihnachten langsam in die Saison starten. "Wenn die EU wirklich vorgibt, dass die Skigebiete geschlossen bleiben müssen, dann bedeutet das Kosten von bis zu zwei Milliarden Euro", sagte Österreichs Finanzminister Gernot Blümel am Dienstag empört. In diesem Fall müsse die EU einen Skifahr-Ausfallersatz leisten", so Blümel, also die Umsatzverluste ausgleichen.

Hinter den Kulissen ist zu hören, dass sich die Italiener und Franzosen womöglich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen wollten, weil die Saison in Österreich traditionell zwischen Weihnachten und Heilige Drei Könige am Wichtigsten sei, in den anderen Ländern aber vor allem im Februar und März heiß laufe. Die Tourismusindustrie verweist darauf, dass man sich seit Monaten mit Hygienekonzepten befasse und hervorragend darauf vorbereitet sei, auch in Corona-Zeiten den Skibetrieb ohne Probleme aufrechtzuerhalten. Après-Ski sei ohnehin gestrichen.

Allerdings weist der österreichische Epidemiologe Gerald Gartlehner, der auch Mitglied der Regierungskommission zur Corona-Ampel ist, im Standard darauf hin, dass es keine Studien zur Sicherheit des Skibetriebes gebe. In der Ampelkommission sei der Wintertourismus und die Frage, wann und wie sicher man Skifahren gehen könne, "nie ein Thema" gewesen.

Proteste gegen den Vorschlag Contes gibt es aber auch in Italien selbst. Aus Südtirol kommt Widerstand; ein Skifahrverbot werde die Region in die Krise stürzen, heißt es. Der Präsident des italienischen Hotelierverbandes warnt schon mal vorsorglich vor einem Alleingang seines Landes.

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