Bund und Länder haben sich darauf verständigt, die Beschränkungen des öffentlichen Lebens auch über Ostern hinaus bis zum Sonntag, den 19. April, aufrechtzuerhalten. Einen entsprechenden Beschluss fassten Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die 16 Ministerpräsidenten der Länder in einer Schaltkonferenz am Mittwoch. Am Dienstag nach Ostern will man im gleichen Gremium über die nächsten Schritte beraten.
Merkel bedankte sich in einer Pressekonferenz bei den Bürgerinnen und Bürgern, die sich mehrheitlich an die Vorgaben zur sozialen Distanzierung hielten. "Das ist eine großartige Leistung", sagte die Kanzlerin. Zugleich müsse sie aber weiter um Geduld bitten. "Es wäre ganz schlimm, wenn wir die Kontaktsperrungen zu früh lockern würden und dann wieder zurückrudern müssten", sagte Merkel.
Sie appellierte an die Bürgerinnen und Bürger, auch an Ostern auf Reisen zu Verwandten und andere soziale Kontakte zu verzichten: "Ich weiß, dass das hart ist, aber es rettet Menschenleben."
Merkel und Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) betonten, dass Bund und Länder auch in den kommenden Wochen gemeinschaftlich vorgehen und unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Rücknahme von Beschränkungen des öffentlichen Lebens verhindern wollen. Man habe die Maßnahmen gegen die Pandemie "als Bundesrepublik Deutschland" beschlossen und wolle sie auch zusammen wieder auflösen, sagte die Kanzlerin: "Das pandemische Geschehen muss überall so sein, dass wir lockern können." Bund und Länder seien sich einig, dass "kein Flickenteppich" entstehen solle, so Merkel.
Dennoch könnte in der Öffentlichkeit nach Ostern eine solche Diskussion bevorstehen. Der Grund dafür ist, dass wichtige Kennzahlen für die Verbreitung der Corona-Pandemie zwischen den Bundesländern offenbar auseinanderfallen. Dies betrifft vor allem die Zahl der Tage, in denen sich die Neuinfektionen verdoppeln. Diese Zahl liegt umso höher, je langsamer sich das Virus verbreitet. Merkel hatte jüngst als Etappenziel eine Verdoppelungszahl bei den Infektionen "in Richtung" zehn Tage ausgegeben. Wenn dieses erreicht sei, werde das Gesundheitssystem nicht überlastet. Am Mittwoch sprach sie allerdings davon, dass der Zeitraum "über zehn Tage" liegen müsse, eher bei "12, 13, 14 Tagen". Sie begründete dies mit den Erfahrungswerten bei Beatmungszeiten von schwer erkrankten Patienten.
Insgesamt ist die Geschwindigkeit, mit der sich das Coronavirus in Deutschland ausbreitet, zuletzt deutlich zurückgegangen. Noch vor zwei Wochen verdoppelte sich die Zahl der Infizierten alle drei Tage. Zu diesem Zeitpunkt waren die Schulen erst ein paar Tage geschlossen, was sich noch nicht auf die Zahlen auswirken konnte. Geschäftsschließungen und Ausgangsbeschränkungen waren nicht beschlossen.
In der vergangenen Woche war erstmals eine Verlangsamung der Neuinfektionen messbar. Inzwischen verdoppelt sich die Zahl der bestätigten Fälle bundesweit nur noch alle acht Tage.
Doch zwischen den Ländern gibt es deutliche Unterschiede. In Berlin vergehen derzeit bereits zwölf Tage, bis sich die Fallzahl auf das Zweifache erhöht. Auch Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg liegen in dieser Hinsicht im Vorderfeld. Bayern dagegen hat nicht nur bei den absoluten Fallzahlen alle anderen Länder hinter sich gelassen - auch bei der Ausbreitungsgeschwindigkeit liegt der Freistaat mit etwas mehr als sechs Tagen bis zur Verdoppelung inzwischen an der Spitze. Es ist deshalb denkbar, dass in anderen Ländern der Ruf nach Lockerung der Maßnahmen lauter wird, zumal in jenen Regionen, wo die Fallzahlen von Anfang an vergleichsweise niedrig waren und das Wachstum nun ebenfalls zurückgeht. Dazu gehören mit Ausnahme Sachsens die ostdeutschen Flächenstaaten sowie Bremen. Hamburgs Bürgermeister Tschentscher warnte allerdings vor so einem Vorgehen. Das pandemische Geschehen könne sich binnen kurzer Zeit auch wieder verändern, sagte er. Das Virus kenne keine Landesgrenzen.
Auch Epidemiologen warnen: Auch dort, wo sich die Lage verbessert, könnte eine Abkehr von den strengen Auflagen zu früh kommen. Die Wissenschaftler halten Einschränkungen über wenige Wochen für wenig effektiv. Diese würden den Höhepunkt der Epidemie nur aufschieben, aber kaum abschwächen. Nach einer Lockerung wäre dann mit einem rasanten Wiederanstieg der Fallzahlen zu rechnen.
Experten halten eine Lockerung der Auflagen für verfrüht
Dazu kommt, dass die Fallzahlen nur jene Infektionen enthalten, die mittels eines Tests bestätigt wurden. Viele Infizierte haben keine oder nur schwache Symptome; sie bleiben meist unerkannt, können aber trotzdem weitere Menschen anstecken.
Um nach dem Lockern der Auflagen nicht sofort wieder in eine exponentielle Ausbreitungsphase zu geraten, müssen neue Ausbrüche schnell erkannt und bekämpft werden: durch konsequentes Testen und Isolieren der Erkrankten, indem man die Kontaktpersonen ausfindig macht und unter Quarantäne stellt. Im Gespräch ist dazu auch weiter eine App, mit der Infektionsketten nachverfolgt werden könnten. Ein entsprechendes System wird derzeit in Berlin von Soldaten der Bundeswehr getestet. Es geht dabei um eine App, die Bürger freiwillig installieren könnten und die sie ohne Preisgabe von Namen oder Standortdaten anonymisiert warnt, wenn sie Kontakt mit einem bestätigten Infizierten hatten. Die Kanzlerin sprach sich für eine solche App aus und ist bereit, auch ihre eigenen Daten einzugeben.