Beziehungen zwischen EU und China:EU-Vertretung in China ließ sich zensieren

Beziehungen zwischen EU und China: Zwei Männer sitzen am Mittwoch in Peking auf einer Bank: Aus China wurden an diesem Tag nur zwei neue Infektionen mit dem Coronavirus gemeldet, immer mehr Beschränkungen werden gelockert.

Zwei Männer sitzen am Mittwoch in Peking auf einer Bank: Aus China wurden an diesem Tag nur zwei neue Infektionen mit dem Coronavirus gemeldet, immer mehr Beschränkungen werden gelockert.

(Foto: AP)

Peking zensiert in einem Gastbeitrag der EU-Botschafter die Aussage, das Coronavirus sei in China ausgebrochen. Die EU-Diplomaten willigten "nach erheblichem Zögern" und Protest ein, um andere Botschaften zu senden.

Von Lea Deuber und Matthias Kolb

Die chinesische Staatszeitung China Daily hat einen Gastbeitrag der 27 europäischen Botschafter und der EU-Vertretung in Peking zensiert. In dem Artikel anlässlich des 45. Jahrestags der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen wurde nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung ein Halbsatz gestrichen, in dem China als das Land bezeichnet wird, in dem das Coronavirus "ausgebrochen" sei und "von wo aus es sich in den vergangenen drei Monaten im Rest der Welt verbreitet" habe. In dem englischsprachigen Beitrag hatten die Botschafter für einen weiterhin engen Austausch plädiert.

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Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) teilte der SZ mit, man bedauere, dass der Beitrag "nicht vollständig" von China Daily veröffentlicht worden sei. Die EU-Vertretung sei informiert worden, "dass die Publikation nur mit Zustimmung des chinesischen Außenministeriums" möglich sei, und habe "klipp und klar" ihre Bedenken geäußert. Die EU-Vertretung, die der Franzose Nicolas Chapuis leitet, habe sich "nach erheblichem Zögern" entschlossen, den gekürzten Text in China Daily zu veröffentlichen, um wichtige Botschaften der EU zu kommunizieren: "vor allem in Bezug auf Klimawandel und Nachhaltigkeit, Menschenrechte, Multilateralismus und die globale Antwort auf das Coronavirus".

Der EAD verweist darauf, dass etwa die Botschaften Deutschlands und Frankreichs sowie die EU-Vertretung in Peking den Originaltext auf ihren Internetseiten veröffentlichten und ihn via Social Media verbreiteten. Man werde sich weiter für Pressefreiheit in China einsetzen, versichert eine Sprecherin. Allerdings fehlte auf den Websites ein Hinweis darauf, dass der Text in China nur zensiert erschienen war.

Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte Ende April im EU-Parlament bestätigt, dass chinesische Diplomaten scharf gegen einen kritischen EAD-Bericht protestiert hatten, der Chinas Desinformationskampagnen dokumentiert. Den Vorwurf des "Einknickens" wies er zurück: Die Substanz eines zuvor bekannt gewordenen internen Berichts sei unverändert. Auf der Webseite EUvsDisinfo.eu heißt es, dass "offizielle chinesische Quellen" daran arbeiteten, von "jeglicher Schuld Pekings am Ausbruch der Pandemie" abzulenken.

Chinesische Behörden haben im Januar selbst bestätigt, dass das Virus das erste Mal Ende 2019 in Wuhan entdeckt worden war. Später hatten sie diese Darstellung zurückgenommen. Im März behauptete ein hochrangiger chinesischer Diplomat, das Virus könnte im Oktober vom US-Militär nach Wuhan eingeschleppt worden sein. Forschung zum Ursprung des Coronavirus muss inzwischen von der Zentralregierung genehmigt werden, wissenschaftliche Publikationen müssen ein mehrstufiges Zensurverfahren durchlaufen, wie von zwei chinesischen Universitäten veröffentlichte und später wieder aus dem Internet gelöschte Anweisungen zeigen.

Mehrere Staaten fordern nun eine unabhängige internationale Mission, die in China den Ursprung des Virus erforschen soll. Unterstützt wird dies von Borrell und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen. Auch die Weltgesundheitsorganisation soll die Forderung befürworten. Peking lehnt das bisher ab.

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