Pandemiepolitik:Das Virus geht, Lothar Wieler auch

Pandemiepolitik: Nicht immer einer Meinung: RKI-Chef Lothar Wieler (links) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach

Nicht immer einer Meinung: RKI-Chef Lothar Wieler (links) und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach

(Foto: Chris Emil Janssen/imago images)

Der Chef des Robert-Koch-Instituts war eines der prägenden Gesichter der Pandemie - und ein streitbarer Vertreter des "Teams Vorsicht". Nun zieht er sich zurück.

Von Angelika Slavik, Berlin

Der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, gibt sein Amt auf. Er werde seine Aufgaben zum 1. April abgeben, teilte das RKI in Berlin mit. Das geschehe "auf eigenen Wunsch", Wieler wolle sich wieder verstärkt Forschung und Lehre zuwenden. Der 61-jährige Mikrobiologe stand seit März 2015 an der Spitze des RKI. Mit dem Beginn der Pandemie Anfang 2020 wurde er zu einem der prominentesten Gesichter der Krise.

In den Hochphasen der Corona-Pandemie informierte Wieler im Wochenrhythmus über das Virusgeschehen, erst an der Seite des damaligen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU), später neben dessen Nachfolger Karl Lauterbach (SPD). Es sei "ein Privileg" gewesen, in der Krise in solch exponierter Position gearbeitet zu haben, teilte der scheidende RKI-Chef schriftlich mit. Während seiner Amtszeit haderte Wieler allerdings auch mit der für einen Wissenschaftler ungewohnten öffentlichen Rolle: Mehrmals beklagte er die aus seiner Sicht unangemessene Berichterstattung der Medien über die Pandemie - etwa, wenn über Spannungen zwischen ihm und seinen Vorgesetzten Spahn und später Lauterbach berichtet wurde. Zudem wurden Wieler und seine Familie zum Ziel von Beschimpfungen und Drohungen, nicht nur im Internet.

Was genau Wieler in Zukunft machen wird, wurde am Mittwoch nicht bekannt. Auch seine Nachfolge an der Spitze des RKI ist noch nicht geklärt. Für eine Übergangsphase soll sein bisheriger Stellvertreter Lars Schaade das Institut leiten. Lothar Wieler habe während der Pandemie "herausragende Verdienste erworben", sagte Bundesgesundheitsminister Lauterbach. Er bedaure den Rückzug. Ohne Wieler "wäre Deutschland deutlich schlechter durch diese Pandemie gekommen".

Wieler stand in der Corona-Bekämpfung stets für einen Kurs der Vorsicht, plädierte für Maskenpflicht und Abstandsgebote. Seine Überzeugungen verteidigte Wieler mit Verve, auch gegenüber den ihm vorgesetzten Ministern: Im Sommer 2021 kam es zu einem öffentlichen Dissens mit dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, als dieser dafür plädierte, den Inzidenzwerten - also der Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen - weniger Bedeutung beizumessen als zuvor. Auch mit Nachfolger Lauterbach gab es Verwerfungen: Als Anfang 2022 durch eine Kommunikationspanne über Nacht die Einstufung von Genesenen verkürzt wurde und somit viele Tausend Menschen in Deutschland den 3G-Status nicht mehr erfüllten, schoben sich Lauterbach und Wieler wechselseitig die Schuld zu.

Der Abschied Wielers kommt zu einer Zeit, in der zahlreiche Experten die Pandemie bereits für beendet erklärt haben und Schutzmaßnahmen aufgehoben werden. Dissens über die Corona-Politik gibt es dennoch: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) fordert ein Ende der Maskenpflicht im Fernverkehr. Karl Lauterbach wies dieses Ansinnen zurück: Es könne zwar sein, dass man die Maskenpflicht vor April abschaffe, sagte Lauterbach dem Stern. Derzeit sei es aber "noch zu früh".

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