Pandemie:Corona-Mutante breitet sich schnell aus

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In einem Bioscientia-Labor in Rheinland-Pfalz finden Sequenzanalysen statt. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Gesundheitsminister Spahn warnt, dass jede fünfte Neuinfektion in Deutschland auf die britische Variante zurückgeht. In einigen Regionen zeigt sich bereits, warum B.1.1.7 so tückisch ist.

Von Matthias Kolb, Brüssel, Christina Kunkel und Henrike Roßbach, Berlin

Die wohl deutlich ansteckendere Coronavirus-Mutante, die zuerst in Großbritannien entdeckt worden war, breitet sich auch in Deutschland rasch aus. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte am Mittwoch, der Anteil dieser Virusvariante liege bei den Neuinfektionen bei mehr als 22 Prozent, während es vor zwei Wochen noch sechs Prozent gewesen seien. "Wie schon in anderen Ländern beobachtet, verdoppelt sich der Anteil der Infektionen mit dieser Variante ungefähr jede Woche."

Auch in Deutschland könne die Mutante die dominierende Variante werden, damit müsse man rechnen. Eine andere Mutante, die zuerst in Südafrika aufgetreten war, spielt dagegen mit einem Anteil von 1,5 Prozent in Deutschland derzeit keine größere Rolle. Bei dieser Variante gibt es erste Hinweise darauf, dass die bislang zugelassenen Impfstoffe auf sie weniger gut ansprechen.

Dass die Infektionszahlen in Deutschland trotz der ansteckenden Mutanten derzeit weiter sinken, nannte Spahn "ermutigend". Die Schutzmaßnahmen wirkten. "Deshalb müssen wir sehr vorsichtig sein, wenn wir jetzt langsam den Lockdown verlassen."

Die Zahlen zur Ausbreitung der Virus-Mutanten liefert das Robert-Koch-Institut. In einigen Regionen zeigt sich bereits, warum die Variante B.1.1.7 so tückisch ist: In Flensburg zum Beispiel macht sie mittlerweile ein Drittel aller seit Mitte Januar bestätigten Fälle aus. Einen einzigen Ausbruchsherd gebe es nicht, das Virus sei in allen Stadtteilen und an verschiedensten Stellen, sagte ein Sprecher. Die Sieben-Tage-Inzidenz in Flensburg stieg in zwei Monaten von 53 auf 181. Ab Samstag gilt dort nun eine nächtliche Ausgangsbeschränkung.

Auch in Brüssel wächst die Sorge: "Die neuen Varianten des Virus entstehen sehr schnell, weshalb wir unsere Antwort noch schneller anpassen müssen", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch. Zum Schutz der Bevölkerung will die Kommission nun mit einem Aktionsplan namens "Hera Incubator" die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern, Biotech-Firmen, Herstellern und Behörden verbessern. Die Entwicklung von spezialisierten Tests für die Varianten soll mit mindestens 75 Millionen Euro gefördert werden; zudem soll den Mitgliedsstaaten geholfen werden, ihre Kapazitäten zur Genomsequenzierung zu erhöhen. Geplant ist, dass künftig in der EU fünf Prozent aller positiven Tests sequenziert werden. Bisher sind es laut EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides nur ein Prozent.

Mit 150 Millionen Euro will die EU zudem die Erforschung der Virus-Mutanten fördern. Bereits zugelassene Impfstoffe, die an diese Varianten angepasst werden, sollen schneller durch die Europäische Arzneimittelagentur freigegeben werden. Zudem soll die Impfstoffproduktion in Europa ausgebaut werden. Auch teilte von der Leyen mit, dass die EU vom US-Hersteller Moderna bis zu 300 Millionen Impfstoff-Dosen erhalten werde.

Kritik an dem Impfstoff von Astra Zeneca wies Spahn zurück

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Mit Blick auf die deutsche Impfkampagne sagte Gesundheitsminister Spahn, dass inzwischen 3,5 Prozent der Bevölkerung eine erste Impfung erhalten hätten, fast zwei Prozent auch die zweite. 6,8 Millionen Impfdosen seien ausgeliefert worden, Ende kommender Woche würden es zehn Millionen sein. Verimpft wurden bislang knapp 4,5 Millionen Dosen. Kritik an dem Vakzin von Astra Zeneca, das in Studien eine geringere Wirksamkeit aufweist als die Impfstoffe von Biontech und Moderna, wies Spahn zurück. "Ich würde mich sofort damit impfen lassen." Ein in der EU zugelassener Impfstoff sei "sicher und wirksam".

Zuletzt hatte es Berichte darüber gegeben, dass einzelne Impfberechtigte den Astra-Zeneca-Wirkstoff abgelehnt hätten. Von den bislang 740 000 ausgelieferten Dosen des Vakzins wurden erst 90 000 Dosen verimpft. Spahn erklärte das damit, dass nicht alle Bundesländer sofort mit den Impfungen begonnen hätten. Sich impfen zu lassen, sei "ein Gebot der Vernunft", betonte Spahn und appellierte insbesondere an das Pflegepersonal und an Ärztinnen und Ärzte, sich impfen zu lassen. Sie seien besonders gefährdet, "aber auch privilegiert". Grundsätzlich sei es aber nicht so, "dass wir den Impfstoff nicht verimpft bekommen". Er werde im Zweifel "den Nächsten" angeboten, etwa den 18- bis 64-Jährigen in der zweiten Prioritätsstufe. "Wir müssen ein bisschen aufpassen, dass wir uns als Gesellschaft nicht in etwas hineinreden", sagte Spahn, "und ein wirksames Instrument infrage stellen."

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