Corona-Bekämpfung:EU droht mit härteren Exportregeln

Corona-Bekämpfung: Kommissionschefin Ursula von der Leyen während einer Pressekonferenz am Mittwoch in Brüssel.

Kommissionschefin Ursula von der Leyen während einer Pressekonferenz am Mittwoch in Brüssel.

(Foto: John Thys/AP)

Kommissionschefin Ursula von der Leyen regt an, Covid-Vakzine nicht mehr in Staaten auszuführen, die selbst Lieferungen in die EU verbieten. Ein heikler Vorstoß.

Von Björn Finke, Brüssel

Die EU-Kommission droht, die Exportregeln für knappe Corona-Impfstoffe aus der EU zu verschärfen. Künftig könnten EU-Regierungen und die Kommission Ausfuhren in Länder verbieten, wenn diese selbst Lieferungen nach Europa verhindern. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Mittwoch in Brüssel, wenn sich die Situation nicht verbessere, müsse die EU "darüber nachdenken, die Exporte in impfstoffproduzierende Länder vom Grad ihrer eigenen Offenheit abhängig zu machen". Das dürfte sich vor allem gegen Großbritannien und die USA richten - zwei Staaten, die aus der EU Millionen Impfstoffdosen erhalten haben, während umgekehrt offenbar keine Lieferungen in die EU möglich sind.

Zudem kündigte die Deutsche an, darüber nachzudenken, "ob Exporte in Länder, die höhere Impfraten haben als wir, verhältnismäßig sind". Sie wolle über dieses und andere Themen rund um die Impfkampagne mit den 27 Staats- und Regierungschefs sprechen, wenn diese Ende kommender Woche ihren Gipfel abhalten - sehr wahrscheinlich in Brüssel und nicht nur per Video.

Aus der Kommission heißt es, man rede gerade mit Mitgliedstaaten, Herstellern und mit den Ländern, die Exporte in die EU erschweren. Ziel sei es, Lieferungen aus diesen Staaten in die EU zu ermöglichen - und wenn es nicht anders gehe, müsse die EU am Ende tatsächlich Exportbeschränkungen einführen, um ein Einlenken zu erzwingen oder selbst mehr Dosen zu behalten. Von der Leyen sagte mit Blick auf Großbritannien, dies sei "eine Einladung, uns zu zeigen, dass Dosen aus dem Vereinigten Königreich zu uns kommen und dass wir hier Gegenseitigkeit haben".

Hintergrund sind die Verzögerungen beim britisch-schwedischen Hersteller Astra Zeneca. Das Unternehmen warnte in der vergangenen Woche, im zweiten Jahresviertel nur 70 anstatt der versprochenen 180 Millionen Dosen Covid-Vakzin an die EU liefern zu können. Ursache sind Probleme in einem belgischen Werk - und die Tatsache, dass der Konzern keinen Impfstoff von Fabriken in den USA und Großbritannien in die EU exportieren darf.

In den USA stapeln sich die Impfdosen im Lager

Dabei stapeln sich in den USA Millionen Impfdosen von Astra Zeneca im Lager. Das Unternehmen lässt dort fertigen, doch das Mittel kann im Moment nicht eingesetzt werden, da noch die Zulassung vor Ort fehlt. Exporten in die EU steht allerdings eine Order entgegen, die der damalige US-Präsident Donald Trump im Dezember erließ: Demnach soll die Impfstoffproduktion amerikanischer Werke zunächst den US-Bürgern dienen. Sein Nachfolger Joe Biden hat das bislang nicht aufgehoben.

US-Regierungssprecherin Jen Psaki sagte vorige Woche, es gebe Anfragen einer ganzen Reihe von Ländern nach diesen Astra-Zeneca-Impfdosen, doch die Regierung habe bisher keine herausgegeben. Bidens erste Pflicht sei es, sich um die Krise in den USA zu kümmern.

Im Fall von Großbritannien verbieten offenbar Klauseln im Vertrag mit der britischen Regierung Astra Zeneca Ausfuhren, solange Briten noch auf ihre Spritze warten. Dabei nennt der Vertrag, den die Kommission mit Astra Zeneca im August abgeschlossen hat, sogar zwei britische Werke als Produktionsstandorte für die EU. Von der Leyen sagte, Fabriken in der EU hätten zehn Millionen Impfdosen ins Vereinigte Königreich geschickt: "Wir warten immer noch auf Dosen, die aus Großbritannien bei uns ankommen." Ein britischer Regierungssprecher sagte in London, man erwarte, "dass sich die EU an ihre Zusagen hält".

Die EU-Kommission führte Ende Januar eine Genehmigungspflicht für den Export von Covid-Impfstoffen ein. Hersteller müssen nun in dem EU-Staat, in dem sie fertigen, einen Ausfuhrantrag stellen. Der soll bisher nur in dem Fall abgelehnt werden, dass die Exporte die Erfüllung der Lieferverpflichtungen in der EU gefährden. Nach Angaben von der Leyens wurden seitdem mindestens 41 Millionen Impfdosen in 33 Länder exportiert. Das Allermeiste stammt vom Mainzer Unternehmen Biontech und seinem Partner Pfizer, die ihre Zusagen gegenüber EU-Staaten einhalten. Nur einmal wurde eine Erlaubnis verweigert: Italien stoppte die Ausfuhr von 250 700 Dosen des Astra-Zeneca-Vakzins nach Australien.

"Lieber an die eigene Nase fassen"

Dass die Premiere in Italien über die Bühne ging, überrascht nicht: Ministerpräsident Mario Draghi sprach sich schon beim EU-Video-Gipfel Ende Februar für eine härtere Linie bei Exporten aus - und bekam einige Unterstützung von Amtskollegen.

Von der Leyens Ankündigung könnte bedeuten, dass künftig auch Exporte von Biontech gestoppt werden, wenn der Empfängerstaat selbst Ausfuhrverbote verhängt hat oder in seiner Impfkampagne viel weiter ist als die EU. Aus der Kommission heißt es, dass die Unternehmen in solchen Fällen entschädigt würden.

Im Europaparlament brachte zuletzt der CDU-Abgeordnete Peter Liese, der gesundheitspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion, "ein totales Exportverbot" für Vakzine ins Spiel. Am Mittwoch äußerte sich aber der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange kritisch zu von der Leyens Drohungen. Der Vorsitzende des Handelsausschusses sagte der SZ, die Zulieferketten bei Impfstoffen gingen über Grenzen hinweg, und "wenn man jetzt anfängt, Impfstoff-Nationalismus durchzusetzen, führt das unweigerlich zu Gegenreaktionen und auch zum Brechen dieser Wertschöpfungsketten". Nur weil ein Hersteller Probleme mache, "sollte man nicht das schwere Geschütz Exportverbot aus dem Keller holen", monierte Lange. Wenn Großbritannien und die USA bessere Verträge ausgehandelt und mehr in den Produktionsaufbau investiert hätten und daher nun mehr Impfstoff erhielten, "dann muss man sich vielleicht an die eigene Nase fassen, aber nicht Maßnahmen ergreifen, die nicht angemessen sind".

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