Vor der vierten Corona-Welle:Sind Gesundheitsämter und Testzentren vorbereitet?

"Nutzt doch die Zeit, die wir jetzt haben", fordert Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes.

Dr. Ute Teichert im November 2020 bei Markus Lanz.

(Foto: imago images/teutopress)

Angesichts niedriger Infektionszahlen fahren Testzentren und Gesundheitsämter ihre Kapazitäten zurück. Ungewiss ist, wie gut sie auf eine mögliche vierte Welle vorbereitet sind.

Von Claudia Henzler, Stuttgart

Auf Stuttgarts Volksfestplatz steht eine Reihe farbenfroher Kassenhäuschen, die für rasante Fahrgeschäfte werben. Doch auf dem Cannstatter Wasen sind weder Karussells noch Achterbahnen aufgebaut. An den Buden können sich Autofahrer vor ihrem Corona-Test registrieren. Dann heißt es: Fenster runter und Stäbchen in die Nase. Hier wurden seit vergangenem Herbst 100 000 PCR-Tests durchgeführt, die das Gesundheitsamt bei einem Infektionsverdacht anordnet.

Im ganzen Land sind in der Pandemie große Testzentren entstanden, meist wurden sie im Auftrag der kassenärztlichen Vereinigung und der Kommunen betrieben. Nun, da die Inzidenzwerte niedrig sind, werden viele geschlossen. Die Nachfrage sei drastisch zurückgegangen, sagt Kai Sonntag von der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) in Baden-Württemberg. Angesichts des Personalaufwands und der Kosten könne man dieses Angebot momentan nicht aufrechterhalten. "Die Ressourcen brauchen wir an anderer Stelle." Etwa zum Impfen. "Wir versuchen jetzt, so viele Impfungen wie möglich vorzunehmen, um eine vierte Welle abzuschwächen oder zu verhindern."

Ein einheitliches Vorgehen gibt es bei den Testzentren, wie so oft in dieser Pandemie, nicht. So hat die Stadt Stuttgart beschlossen, das Drive-in-Zentrum auf dem Wasen vorerst bis Ende September weiterzubetreiben. Das städtische Gesundheitsamt rechnet damit, dass der Bedarf in den Ferien wieder steigen könnte. Die Stadt bereitet sich auch in anderen Bereichen auf eine vierte Welle vor: Wenn diese kommt, will sie zum Beispiel weiterhin Tests für Kita-Kinder anbieten.

Die Kassenärztliche Vereinigung werde die Struktur der Corona-Schwerpunkt-Praxen aufrechterhalten, wo ebenfalls PCR-Tests angeboten werden, sagt KV-Sprecher Sonntag. Bei den Testzentren gehe man in einen "Stand-by"-Betrieb. "Wir stellen uns darauf ein, dass wir sie relativ kurzfristig wieder öffnen müssen." Nachdem sich die sogenannte Delta-Variante des Coronavirus zuletzt sehr schnell in Portugal ausgebreitet hat, wird in Deutschland über eine allgemeine Testpflicht für Reiserückkehrer diskutiert.

"Wir können das personell schnell wieder hochziehen."

In den Gesundheitsämtern rechnet man mit einem anstrengenden Herbst. "Die Frage wird sein, wie man politisch mit einer vierten Welle umgeht", sagt Knut Bühler vom Gesundheitsamt in Karlsruhe. Wenn die Politik bei milde steigenden Infektionszahlen auf größere Einschränkungen verzichtet, könne das für die Kontaktverfolgungsteams viel Arbeit bedeuten. Denn es ist eher unwahrscheinlich, dass man die Pandemie einfach laufen lässt. Die Gesundheitsämter wären damit allein für die Eindämmung des Virus verantwortlich.

Am Gesundheitsamt in Karlsruhe, das für 750 000 Menschen zuständig ist, haben zu Spitzenzeiten 180 Menschen in der Kontaktverfolgung gearbeitet, darunter 40 Soldaten. Nun ist das Containment-Team stark geschrumpft. Aber, so sagt Bühler mit Blick auf den Herbst: "Wir können das personell schnell wieder hochziehen."

Im Landkreis Lörrach an der Grenze zur Schweiz und zu Frankreich nutzt Katharina von der Hardt die momentane Atempause, um neue Mitarbeiter zu schulen. Fünf Stellen konnte die Leiterin des Gesundheitsamts durch den Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst (ÖGD) besetzen, mit dem Bund und Länder bis Jahresende 1500 neue Stellen in Gesundheitsämtern schaffen. Bis Ende 2022 sollen noch einmal 3500 hinzukommen. So lange wollte der Landkreis Lörrach jedoch nicht warten. Er rekrutiert im Vorgriff auf diese zweite Tranche schon jetzt Personal. Zusätzlich hat er von der Hardt auch noch 20 befristete Stellen genehmigt.

Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes, empfiehlt allen Kommunen, die Gesundheitsämter in dieser Pandemiephase aufzustocken. Außerdem fordert sie, dass die kommunalen Behörden jetzt eine bundeseinheitliche Software in Betrieb nehmen: "Es wäre wichtig, dass alle Gesundheitsämter Sormas nutzen, damit Infektionsketten-Nachverfolgung endlich länderübergreifend möglich ist", sagt sie und appelliert an ihre Kollegen: "Nutzt doch die Zeit, die wir jetzt haben."

Zur SZ-Startseite
Kommt die vierte Welle - und sind wir darauf vorbereitet?

SZ PlusPandemie
:Nach dem Sommer kommt die Welle

Ist der Sommer 2021 eine Kopie des Sommers 2020? Und lässt sich das Land im Herbst womöglich wieder vom Virus überraschen? Ein Überblick, wie sich Schulen, Wirtschaft und Kultur wappnen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: