Schulen in der Pandemie:"Wenn einer positiv ist, bricht Panik aus"

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Auch in Sachsen-Anhalt gilt von kommendem Montag an eine Testpflicht für Schüler. Die Anne-Frank-Grundschule in Halberstadt ist darauf bereits vorbereitet. (Foto: Matthias Bein/dpa)

Immer mehr Bundesländer setzen auf eine Testpflicht an Schulen. Doch das Thema ist extrem umstritten. Zum Beispiel, weil positiv getestete Kinder vor aller Augen isoliert werden müssen.

Von Paul Munzinger, München

Prüfungen sind in der Schule Alltag, aber in Hamburg müssen Schülerinnen und Schüler seit Dienstag eine besondere Prüfung ablegen: einen Corona-Test. Der findet zweimal in der Woche statt. Und nur wer besteht, darf am Unterricht teilnehmen. Im Einzelfall kann das so hart sein, wie es sich anhört: Wer ein positives Ergebnis hat, muss gehen. Wie oft das seit Dienstag passiert ist, wissen sie in Hamburg noch nicht zu sagen. In der Vorwoche - da waren die Tests noch freiwillig - betraf es 0,13 Prozent.

Klingt wenig, heißt aber: 190 Kinder und Jugendliche gingen am Morgen in die Schule und wurden noch vor Unterrichtsbeginn wieder nach Hause geschickt - mit einer frisch entdeckten Corona-Infektion.

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Testen muss sein, wenn angesichts des Infektionsgeschehens überhaupt Unterricht in Präsenz stattfinden soll, da sind sich alle Bundesländer einig. Doch während eine Reihe von Ländern wie bisher an freiwilligen Tests festhält, wächst die Zahl derer, denen das nicht reicht. Hamburg gehört dazu, die Testpflicht gilt dort schon seit Dienstag, weil es in der Hansestadt keine Osterferien gibt. In Bayern greift die Regelung vom kommenden Montag an, ebenso wie in Niedersachsen oder auch in Nordrhein-Westfalen, wo es nach den Ferien Präsenzunterricht ohnehin nur für Abschlussklassen geben soll.

Das Thema ist sogar für die Maßstäbe der Schulen, die seit einem Jahr unter Dauerspannung stehen, hochsensibel. Weil es nicht zuletzt um Vertrauen geht - das der Eltern untereinander und das des Staates zu den Eltern. Hamburg hat sich, wie Bayern oder NRW, in doppelter Hinsicht gegen Vertrauen und für Kontrolle entschieden. Indem es die Tests zur Pflicht macht und vorschreibt, dass sie in der Schule stattfinden müssen. Andernfalls, heißt es aus der Schulbehörde, könne man weder sicherstellen, dass die Tests sachgerecht durchgeführt werden, noch dass tatsächlich die Kinder getestet wurden, die später im Klassenzimmer sitzen.

Bemerkenswert ist, wie sich die Kriterien unterscheiden. Hamburg begründet die Testpflicht auch damit, dass es einen "nicht quantifizierbaren Teil der Eltern" gebe, die keine Tests für ihre Kinder wollten. In den zwei Wochen vor Ostern beteiligten sich in Hamburg aber immerhin 84 beziehungsweise 89 Prozent der Schülerinnen und Schüler an den da noch freiwilligen Tests. Ganz anders Mecklenburg-Vorpommern: Dort nahmen laut Kultusministerium zuletzt nur etwa die Hälfte der Schüler das Testangebot wahr. Dennoch hält Schwerin an der Freiwilligkeit fest. Man setze auf "Verantwortungsbewusstsein".

Einige Eltern streiten heftig über das Thema

In NRW machten vor den Ferien 20 bis 30 Prozent der Eltern von ihrem Widerspruchsrecht Gebrauch, berichtet Andreas Bartsch, Präsident des Lehrerverbands in NRW. Viele hätten Angst gehabt, vermutet er, dass der positive Test eines Kindes die ganze Familie in Quarantäne bringt - und so etwa Urlaubspläne durchkreuzt.

Dass die Landesregierung in Düsseldorf am Montag eine Testpflicht einführt, findet Bartsch deshalb richtig. Doch er hätte sich gewünscht, dass die Tests zu Hause durchgeführt werden können. Weil das Testen jeden Morgen eine Unterrichtsstunde koste. Weil die Lehrer sich dabei nicht geschützt fühlten: Die Schüler zögen ihre Masken ab, es werde geniest und gehustet. "Und wenn einer positiv ist, bricht Panik aus", sagt Bartsch. Eltern beklagten, dass Kinder diskriminiert würden.

Bartsch verweist auf Niedersachsen. Dort herrscht eine Testpflicht, die zu Hause erfüllt werden kann. Die Eltern müssen das negative Ergebnis ihres Kindes schriftlich bestätigen. Gibt es Zweifel, können Schulen sich das benutzte Testkit vorlegen lassen. Auch Sachsen erlaubt das Testen zu Hause, weil insbesondere Eltern von Grundschülern "Bedenken und Ängste" hätten. Man gehe davon aus, dass Mütter und Väter "verantwortungsvoll mit dieser Möglichkeit umgehen", teilt das Kultusministerium mit. Es betont aber, "dass es sich bei einer Falschauskunft um eine Ordnungswidrigkeit handelt".

Der Preis für die Kontrolle sind Lehrkräfte, die sich überfordert fühlen, Eltern, die sich bevormundet fühlen, und Kinder, die vor aller Augen isoliert werden müssen. Der Preis des Vertrauens besteht darin, dass es missbraucht werden kann. Welcher Preis ist höher? Welcher vertretbar?

Die Kultusministerinnen und -minister der Länder kamen am Donnerstag zusammen, bevor sich Anfang kommender Woche ihre Regierungschefs mit Bundeskanzlerin Angela Merkel treffen. Auch die Testpflicht war Thema bei den Beratungen. Doch auf eine einheitliche Linie konnten sie sich wie erwartet nur in einem einzigen Punkt verständigen: Die Abiturprüfungen sollen in diesem Schuljahr stattfinden.

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