Süddeutsche Zeitung

Corona-Maßnahmen:Ampel streitet über kostenlose Tests

Gesundheitsminister Lauterbach plant offenbar, nur noch besonders gefährdeten Gruppen Zugang zu anlasslosen Tests zu geben. Die Grünen sehen das anders. Und das ist nicht der einzige Konfliktpunkt.

In der Ampel-Koalition deutet sich eine Kontroverse über die kostenlosen Corona-Schnelltests an. "Wir sind dafür, dass wir breit verfügbare kostenlose Tests in der Bevölkerung auch im Herbst haben", sagt der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen im Deutschlandfunk. Kostenlose Schnelltests seien ein entscheidendes Instrument, um den Überblick in der Pandemie zu behalten, um Infektionen frühzeitig zu erkennen und damit sich jeder Einzelne verantwortungsvoll verhalten könne.

Nach dem Willen von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) soll der Zugang zu den kostenlosen Corona-Bürgertests deutlich eingeschränkt werden. Nur noch Patienten mit Symptomen sollen dafür in Frage kommen sowie andere ausgewählte Personengruppen wie Kleinkinder und Schwangere. Dies geht aus der "Corona-Herbststrategie" des Ministeriums hervor, über die zuerst das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet hatte. Als weitere Einsatzmöglichkeiten für kostenlose Tests werden in dem Papier Großveranstaltungen genannt oder Tests für Geflüchtete aus der Ukraine.

Das kostenlose Testangebot an alle Bürger ist bisher nur bis Ende Juni vorgesehen. Danach läuft die Regelung aus. An diesem Mittwoch beraten die Gesundheitsminister von Bund und Ländern über das weitere Vorgehen bei den Tests und bei Schutzmaßnahmen für eine mögliche Corona-Welle im Herbst. Grünen-Gesundheitsexperte Dahmen sagt, er sei zuversichtlich, dass sich SPD, Grüne und FDP noch vor der Sommerpause auf eine neues Infektionsschutzgesetz einigen. Es gebe aber sehr unterschiedliche Sichtweisen in der Koalition, was in der Pandemie erforderlich und geboten sei.

Zuletzt war aus den Ländern der Druck auf den Bund gewachsen. Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen fordern eine rasche Änderung des Infektionsschutzgesetzes. Außerdem meldet das Robert-Koch-Institut kontinuierlich steigende Fallzahlen. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt am Mittwochmorgen bei 489, die Gesundheitsämter in Deutschland melden fast 120 000 Corona-Neuinfektionen. Expertinnen und Experten vermuten, dass derzeit nur ein Bruchteil der tatsächlichen Corona-Fälle erfasst wird.

Der Vorsitzende der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, reagiert mit Kritik auf Lauterbachs Plan und fordert eine Fortsetzung kostenloser Corona-Tests für alle. Der Gesundheitsminister müsse seinen Vorschlag "an die Lebenswirklichkeit der Hilfsbedürftigen daheim anpassen", sagte er der Rheinischen Post. Präventiv-Testungen auf Krankenhäuser und Pflegeheime zu begrenzen, schließe alleine 3,2 Millionen Pflegebedürftige, ihre Angehörigen und Pfleger aus. Dieser "größte Pflegedienst Deutschlands" brauche anlasslose kostenlose Tests.

Maskenpflicht in der Diskussion

Diskutiert wird derzeit auch die Rückkehr der Maskenpflicht. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, bringt deren Wiedereinführung im Klassenzimmer ins Gespräch und äußert Unverständnis über Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Wenn dieser sage, dazu fehle derzeit die wissenschaftliche Begründung, "dann kann ich nur den Kopf schütteln. Zur Wirksamkeit von Masken, auch an Schulen, gibt es Studien ohne Ende", sagt Meidinger der Rheinischen Post.

Kassenärztechef Andreas Gassen spricht sich trotz gestiegener Corona-Infektionszahlen indes gegen die Ausweitung der Maskenpflicht aus. "Das Narrativ war immer, dass das Gesundheitssystem nicht überlastet werden dürfe", sagt der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung dem RND. Dafür gebe es keine Anzeichen, die Krankheitsverläufe seien überwiegend leicht. "Viele Betroffene merken es nicht einmal", so Gassen. Höhere Infektionszahlen für sich genommen könnten nicht Grundlage für eine erneute Maskenpflicht sein.

Der Hamburger Virologe Jonas Schmidt-Chanasit warnt davor, die Wirkung der Masken zu überschätzen. Zwar könnten richtig getragene FFP2-Masken vor einer Infektion schützen, andere Maßnahmen seien aber effizienter und sollten vor einer Maskenpflicht eingeführt werden. Der Virologe nennt im Interview mit dem RND etwa das Home-Office.

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