Süddeutsche Zeitung

Corona und Sicherheit:BKA warnt vor Attacken auf Impfstoffhersteller und Impfzentren

Aufgrund der "hohen Dynamik und Emotionalität" beim Thema Corona müsse von einer "abstrakten Gefährdung" durch Proteste ausgegangen werden. Auch vor ausländischen Geheimdiensten warnen die Beamten.

Von Florian Flade, Georg Mascolo und Ronen Steinke

Das Bundeskriminalamt (BKA) warnt vor einer möglichen Gefährdung für die deutsche Pharma-Branche. Das ergibt sich aus einem internen Lagebild, das von alarmierenden Szenarien ausgeht: Aufgrund der "hohen Dynamik und Emotionalität, die dem Themenkomplex Corona innewohnt" müsse von einer "abstrakten Gefährdung" für Impfstoffhersteller, aber auch für Impfzentren sowie die Transport- und Lagerstätten ausgegangen werden, heißt es nach Recherchen von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR in dem vertraulichen Papier. Zuerst hatte die Wirtschaftswoche berichtet.

Insbesondere warnt das BKA davor, dass Kritiker der Corona-Maßnahmen versuchen könnten, in die Impfzentren einzudringen, um für ihren Protest besonders große mediale Aufmerksamkeit zu bekommen. Diese Sorge hat einen konkreten Hintergrund. Für diesen Samstag war eine Demonstration der "Querdenker" vor der Firmenzentrale von Biontech angekündigt, jenes Forschungsunternehmens in Mainz, das nach bisherigem Forschungsstand einen vielversprechenden Corona-Impfstoff entwickelt hat.

Aus Sorge um die Sicherheit hat inzwischen zwar das örtliche Ordnungsamt interveniert. Die Stadt Mainz schlug einen alternativen Veranstaltungsort vor, machte auf strikte Auflagen aufmerksam. Daraufhin zog der Demo-Anmelder zurück. Das BKA warnt dennoch, bei "Protesten von Impfgegnern, Corona-Skeptikern und Verschwörungstheoretikern" an solchen Orten seien Sachbeschädigungen "wahrscheinlich" und sogar "physische Übergriffe" möglich.

Warnung auch vor Diebstählen

Aber auch aus einer anderen Richtung könnten, wenn demnächst erste Impfstoffe marktreif sein sollten, neue Gefahren kommen. Es sei "auch ein Entwenden des gelagerten Impfstoffes denkbar, dies insbesondere bei Verzögerungen der Impfprozesse sowie bei einer Verknappung des Impfstoffes." Einbrecher könnten versuchen, die kostbare Ware für ihren eigenen Gebrauch oder für den Verkauf auf dem Schwarzmarkt zu stehlen. Allerdings sei diese Gefahr eher als gering einzuschätzen, da der Transport und die Lagerung der Impfstoffe mit hohem Aufwand verbunden seien.

Weltweit seien Forschungseinrichtungen und Produktionsanlagen der Impfstoffe im Visier von "Konkurrenzunternehmen" und "staatlichen Akteuren", so das BKA. Daher könnten auch deutsche Unternehmen Ziele von Cyberangriffen werden - etwa durch ausländische Geheimdienste. "Insbesondere der möglicherweise bevorstehende Durchbruch bei der Impfstoffforschung kann ein verstärktes Interesse von staatlichen Angreifergruppierungen bedeuten", heißt es in der Analyse.

Seit einigen Wochen werden innerhalb der Bundesregierung Pläne erarbeitet, wie die begehrten Impfstoffe gegen das Coronavirus zukünftig gelagert und verteilt werden können. Die Bundeswehr hatte angeboten, bei der Logistik zu unterstützen und eventuell Lagerstätten zur Verfügung zu stellen, die auch bewacht werden könnten.

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