Ein bisschen wundern muss man sich schon. Da schätzt der Deutsche Lehrerverband mehr oder weniger grob auf der Basis hier und da veröffentlichter Zahlen, wie viele Schüler, Schülerinnen und Lehrkräfte gerade bundesweit in Quarantäne hocken, statt zur Schule zu gehen. Und da greifen die Politiker, die dazu Stellung nehmen, diese Schätzung dankbar auf. Nicht nur, weil sie sagen können: 300 000 Schüler und bis zu 30 000 Lehrer sind ja gar nicht so viel - das heißt doch, dass über 95 Prozent im Klassenraum sitzen. Nein, sie beziehen auch deshalb dazu Stellung, weil sie keine eigenen Zahlen haben.
Deutschlandweite offizielle und fortlaufend aktualisierte Zahlen zu den Folgen der Corona-Krise für die Schulen existieren nämlich nicht. Bei einem der zurzeit meist diskutierten Themen ist das ganze Land darauf angewiesen, was Interessenvertreter schätzen oder was die einzelnen Bundesländer antworten, wenn Medien um aktuelle Zahlen bitten - falls sie überhaupt antworten.
Die Daten der Bundesländer sind kaum vergleichbar
Was dabei herauskommt, ist besser als nichts, aber statistisch unsicher. Manche Länder, etwa Hamburg und Bayern, lassen sich täglich über ihre Schulen informieren. Andere fragen die Daten nur zu bestimmten Stichtagen ab, etwa wöchentlich, oder "in bestimmten Abständen", wie es aus dem nordrhein-westfälischen Schulministerium heißt. Vergleichbar sind die Ergebnisse schwerlich. Auch Zeitreihen, die wie bei Aktienkursen eine Entwicklung zeigen, sind unter diesen Umständen nicht möglich.
Hinzu kommt: Nichtstaatliche Schulen, an die in Deutschland immerhin fast jeder zehnte Schüler geht, müssen offenbar nicht überall mitteilen, was das Virus in ihren Klassenzimmern anrichtet. Nordrhein-Westfalen etwa will von ihnen nur wissen, ob sie komplett schließen müssen, wie der Verband Deutscher Privatschulen der Süddeutschen Zeitung bestätigt. Andere Corona-Folgen interessierten nicht. Oder Bayern: Der Freistaat meldet für diesen Donnerstag 34 500 Schülerinnen und Schüler sowie 2100 Lehrkräfte in Quarantäne. Inwieweit die bayerischen Privatschulen mit ihren 180 000 Schülern dabei mitbedacht sind, bleibt unklar, da sie nicht verpflichtet sind, sich zu offenbaren.
Von der Kultusministerkonferenz ist keine Abhilfe zu erwarten
Wirklich belastbare Zahlen, die die Debatte über richtige und falsche Maßnahmen auf einen festen Boden stellen, fehlen also. Auch der Kultusministerkonferenz, die mehr Vergleichbarkeit im Bildungssystem verspricht, scheint daran kaum gelegen. Die Länder melden die Zahlen bisher nicht an die KMK, teilt diese der SZ mit. Zwar führe die Kommission für Statistik der KMK zurzeit zum Thema Corona eine "Piloterhebung zu Schulen, Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften" durch. Aber: "Eine Veröffentlichung der Ergebnisse dieser Länderumfrage sowie eine Verstetigung der Erhebung hängt von den Qualitäten der Daten und der Vergleichbarkeit der Länderdaten miteinander ab." Das klingt nicht sehr hoffnungsfroh.
Wer sich einen Überblick verschaffen will, bleibt bis auf Weiteres auf die Medien angewiesen. Zuletzt hat die Funke-Mediengruppe herumgefragt. Deren Zeitungen meldeten am Donnerstag Zahlen aus 14 Ländern, Hessen und Bremen antworteten nicht. Mindestens 3240 Schulen sind demnach in Deutschland nicht mehr im Regelbetrieb, weil sie Schüler in Quarantäne auf Distanz unterrichten müssen. Das entspricht rund acht Prozent aller Schulen in Deutschland.