Süddeutsche Zeitung

Corona-Proteste:Wofür die Flaggen auf Corona-Demos stehen

Reichsflagge, Wirmer-Flagge und Reichskriegsflagge sind bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen oft zu sehen. Schon Nationalsozialisten und Pegida-Demonstranten drückten damit ihre Demokratieverachtung aus.

Von Ronen Steinke

Reichsflagge

Bei der Corona-Demonstration am Samstag in Berlin schwenkten Demonstranten sie auf den Stufen des Reichstags: die aus drei Querstreifen in Schwarz-Weiß-Rot bestehende Reichsflagge. Einst war sie die Flagge des Deutschen Reiches, als dies noch eine Monarchie war (1871-1918). Als Farben der Demokraten hingegen galten Schwarz-Rot-Gold, die Farben des Hambacher Fests, die mit Gründung der Weimarer Republik auch die Farben des Reichs wurden; Rechte verspotteten sie als "Schwarz-Rot-Mostrich". Die Nationalsozialisten kehrten 1933 zu Schwarz-Weiß-Rot zurück, ehe sie 1935 die Hakenkreuzflagge zur alleinigen Nationalflagge erklärten.

Wirmer-Flagge

Pegida-Demonstranten haben sie in den vergangenen Jahren vielfach genutzt, und auch jetzt bei den Corona-Protesten sieht man sie: die an Norwegen oder Island erinnernde, einst von dem liberalen Zentrumspolitiker Josef Wirmer gestaltete Kreuzflagge in Schwarz-Rot-Gold. Josef Wirmer, der an der Seite von Claus Schenk Graf von Stauffenberg das Hitler-Attentat am 20. Juli 1944 plante, wurde mit diesem gemeinsam hingerichtet. Der Parlamentarische Rat verwarf 1949 die Idee, das Motiv zur Flagge der Bundesrepublik zu erheben. Schließlich nutzte nur die CDU es von 1953 bis etwa 1970 als Parteiflagge. Zuletzt bemühten sich Wirmers Nachfahren erfolglos, die Nutzung durch Pegida zu unterbinden.

Die Kriegsflagge des Deutschen Reiches, die von 1867 bis 1921 von einem schwarzen Kreuz auf weißem Grund bestimmt war, ist bis heute nicht gesetzlich verboten. Ein solches Verbot hat am Dienstag die ehemalige Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) gefordert. "Reichskriegsflaggen stehen für Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus und Demokratieverachtung", sagte Zypries, die auch Präsidentin der Deutsch-Israelischen Juristenvereinigung ist. Die Demokratie müsse Position beziehen.

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Quelle:
SZ vom 02.09.2020
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