Pandemie:Wie der Corona-Herbst für Ungeimpfte aussehen könnte

Pandemie: Bis Mitte Oktober soll allen Bürgern ein Impfangebot gemacht werden, dann könnten auch die Schnelltests kostenpflichtig werden.

Bis Mitte Oktober soll allen Bürgern ein Impfangebot gemacht werden, dann könnten auch die Schnelltests kostenpflichtig werden.

(Foto: CHRISTOF STACHE/AFP)

Bei steigenden Infektionszahlen könnten Veranstaltungen oder größere Treffen laut dem Gesundheitsministerium Menschen mit Impfung vorbehalten sein. Die FDP kritisiert das als "Impfpflicht durch die Hintertür".

Von Peter Burghardt, Andreas Glas und Henrike Roßbach, Berlin

Kurz vor der nächsten Bund-Länder-Runde am Dienstag zeichnet sich ab, dass die Bundesregierung trotz steigender Impfquote weiter an einem Großteil der Corona-Schutzmaßnahmen festhalten will. Das Ziel sei es, einen "harten Lockdown" im Herbst und Winter zu verhindern, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch. "Wir können den Pandemieverlauf beeinflussen", betonte sie, verwies auf Abstand und Masken und sprach von einem "Leben in der Lage". Die steigenden Infektionszahlen seien "eine Warnung".

Dass die Regierung fürs Erste kein Ende der Maßnahmen plant, geht auch aus einem Papier hervor, das Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit Blick auf die Ministerpräsidentenkonferenz an Länder und Bundestag verschickt hat. Unter dem Titel "Sicher durch Herbst und Winter - jetzt die Vorbereitungen treffen" heißt es darin, dass sich eine "vierte Welle" ankündige. Je niedriger diese Welle werde, desto besser sei das für das Gesundheitswesen, für Wirtschaft, Gesellschaft und insbesondere auch für den "Start von Schule und Kita nach den Sommerferien". Demmer nannte das Papier eine "Diskussionsgrundlage".

In dem Schreiben ist davon die Rede, dass Deutschland sich in der Übergangsphase vom "pandemischen in ein endemisches Geschehen" befinde. Die Dauer dieses Übergangs lasse sich zeitlich noch nicht bestimmen, die "Brücke raus aus der Pandemie zurück in die Normalität" sei zwar beschritten, aber noch nicht ganz überquert. Die Regierungssprecherin konnte am Mittwoch zunächst keine genaueren Angaben dazu machen, wie lang diese "Brücke" am Ende werden könnte. In dem Papier wird auf das Ziel einer "Grundimmunität in der Bevölkerung" abgestellt, allerdings hatte sich die Impfkampagne zuletzt verlangsamt. Derzeit ist erst gut die Hälfte der Bevölkerung vollständig geimpft, gut 62 Prozent mindestens ein Mal. Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) sagte im Deutschlandfunk: "Wir müssen eine höhere Impfquote kriegen, sonst gefährden wir auch den Schulunterricht."

Ein so "einschneidender Lockdown" wie in der zweiten und dritten Welle werde "aller Voraussicht nach nicht mehr notwendig sein", heißt es in Spahns Schreiben. Basismaßnahmen seien aber weiter "durchgängig und inzidenzunabhängig" nötig; Masken etwa "bis ins Frühjahr 2022" - auch für Geimpfte und Genesene. Geht es nach dem Minister, soll zudem der Zugang zu Restaurants, Hotels oder Veranstaltungen von September an nur noch geimpft, genesen oder getestet möglich sein - und zwar unabhängig von der Inzidenz. Bei steigenden Zahlen könnten für Ungeimpfte zudem weitere Einschränkungen gelten, etwa Kontaktbeschränkungen oder der Ausschluss von Veranstaltungen und Restaurantbesuchen.

"Wir wollen keine Impfpflicht, auch nicht durch die Hintertür", betonte allerdings Regierungssprecherin Demmer. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sagte, gesellschaftliches Leben müsse grundsätzlich allen Geimpften, Getesteten und Genesenen offenstehen. "Dabei soll es auch bleiben." Sie verwies aber zugleich auf die Vertragsfreiheit, etwa für Restaurantbesitzer oder Hoteliers, die Maßnahmen zugunsten von Geimpften vornehmen könnten.

In Spahns Papier wird auch vorgeschlagen, Schnelltests von Mitte Oktober an kostenpflichtig zu machen, weil nun allen Bürgern ein Impfangebot gemacht werden könne. Ausgenommen sein sollen all jene, für die es keine allgemeine Impfempfehlung gibt. Aus Bayern kam bereits Zustimmung. Landesgesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte: "Für mich war immer klar: Wer die Chance ausgeschlagen hat, sich impfen zu lassen, sollte sich nicht mehr auf Kosten der Solidargemeinschaft freitesten können."

Auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) ist dafür, Corona-Tests kostenpflichtig zu machen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) forderte ebenfalls ein Ende der staatlich finanzierten Tests. Es gebe nun keine Begründung mehr dafür, dass eine geimpfte Krankenschwester mit ihrem Steuergeld zahle, "damit sich jemand testen lassen kann, der keinen Bock auf Impfen hat", sagte er. Als Datum für den Beginn der Kostenpflicht schlug er den 20. September vor. Die Impfung nannte Günther "absolute Bürgerpflicht".

Härter gerungen werden dürfte beim Treffen am Dienstag um die vorgeschlagenen Härten für Ungeimpfte. Holetschek etwa wollte sich diesem Vorstoß noch nicht sofort anschließen. "Da müssen wir zunächst einen Wert definieren. Da gibt es noch unterschiedliche Bewertungen, auch zwischen den Ländern", sagte er mit Blick auf die Suche nach einem neuen Grenzwert, der nicht nur die Inzidenz, sondern beispielsweise auch die Lage in den Krankenhäusern berücksichtigt. Kritik kam von FPD-Generalsekretär Volker Wissing. "Die Diskriminierung Ungeimpfter und deren Ausschluss vom sozialen Leben ist nichts anderes als eine Impfpflicht durch die Hintertür", sagte er dem Fernsehsender RTL/ntv.

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