Pandemie:Ende des gemeinsamen Kampfes

Pandemie: 2-G-Hinweis am Eingang zu einem Geschäft in der Darmstädter Innenstadt: Das Land Hessen hat Anfang dieser Woche seine Corona-Regeln gelockert - wie viele andere Bundesländer auch.

2-G-Hinweis am Eingang zu einem Geschäft in der Darmstädter Innenstadt: Das Land Hessen hat Anfang dieser Woche seine Corona-Regeln gelockert - wie viele andere Bundesländer auch.

(Foto: Frank Rumpenhorst/picture alliance/dpa)

Sowohl bei der Impfpflicht in Gesundheitsberufen als auch bei 2G im Einzelhandel zeigt sich: Die Ampelkoalition kann nicht mehr alle überzeugen. Insbesondere die Union begehrt auf.

Von Boris Herrmann, Kathrin Müller-Lancé, Roland Preuß und Henrike Roßbach

Eine Woche vor der nächsten Videokonferenz der Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) driftet die Corona-Politik von Bund und Ländern zunehmend auseinander. Besonders verfahren ist die Situation mit Blick auf die beschlossene Impfpflicht für das Personal in Pflegeheimen und anderen medizinischen Einrichtungen, die eigentlich von Mitte März an gelten soll.

"Wir gehen davon aus, dass Gesetze eingehalten werden", ließ Scholz über seinen stellvertretenden Regierungssprecher ausrichten. Das sei "einer der Vorzüge des deutschen Rechtssystems". Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte dagegen angekündigt, den Vollzug der einrichtungsbezogenen Impfpflicht zunächst auszusetzen. Weitere unionsgeführte Länder haben sich inzwischen seiner Kritik angeschlossen und fordern präzisere Regelungen vom Bund, etwa was arbeitsrechtliche Fragen oder die Rolle der Gesundheitsämter angeht.

Das Bundesgesundheitsministerium sieht jedoch keinen größeren Bedarf, das im Dezember beschlossene Gesetz nachzuschärfen. Die Länder hätten einen gewissen Ermessensspielraum, sagte ein Sprecher am Mittwoch. Ob ein ungeimpfter Mitarbeiter weiterbeschäftigt, anderweitig eingesetzt oder ob ein "Betretungsverbot" für den Betrieb ausgesprochen werde, sei nicht pauschal durch den Bund zu klären. Allerdings werde man sich nicht verschließen, sollten die Länder tatsächlich noch Abstimmungsbedarf sehen.

Der stellvertretende Regierungssprecher betonte zudem, dass es die Länder gewesen seien, die den Bund im November gebeten hätten, eine einrichtungsbezogene Impfpflicht zu beschließen. Zudem hätten sie dem Gesetzentwurf im Bundesrat zugestimmt.

Allerdings sind auch im Unionslager die Reihen nicht geschlossen. Nach Söder sprach sich zwar auch der neue CDU-Vorsitzende Friedrich Merz dafür aus, das Gesetz zu stoppen, und zwar bundesweit. Im Anschluss an ein Treffen der CDU-Fraktionsvorsitzenden aus Bund und Ländern am Montag sagte er, das sei die "ganz einhellige Meinung von Präsidium und Bundesvorstand der CDU". Doch nach Angaben von Teilnehmern wurde in den Gremien nur am Rande über dieses Thema diskutiert. Ein gemeinsamer Beschluss soll nicht gefasst worden sein. Da sei definitiv keine abgestimmte Position der Union, heißt es aus Parteikreisen.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) kritisierte zwar, dass der Bund es bislang versäumt habe, bundeseinheitliche Regeln zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht vorzulegen und das Gesetz deshalb auf "enorme Schwierigkeiten" in den Krankenhäusern und Einrichtungen der Städte und Kreise stoße. Stoppen will Wüst das Gesetz deshalb in seinem Land aber nicht: "Solange die einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt, werden wir einen möglichst praxisorientierten Weg suchen, sie umzusetzen", sagte er der SZ.

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) kündigte an, das Gesetz wie geplant zum 15. März umzusetzen. "Wir werden in Schleswig-Holstein Kurs halten", sagte Günther. Sowohl Wüst als auch Günther gehören dem CDU-Präsidium an. Weitere Präsidiumsmitglieder wie die Ministerpräsidenten Hessens und des Saarlandes, Volker Bouffier und Tobias Hans, folgen dagegen der Linie von Merz und Söder.

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund unterstützt diesen Kurs - eine durchaus ungewöhnliche Interessengemeinschaft von Union und Gewerkschaften. DGB-Chef Reiner Hoffmann sprach am Mittwoch von "erheblichen Webfehlern" der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. "Es kann nicht sein, dass die arbeitsrechtlichen Auswirkungen hier nicht geregelt sind", sagte er. Es gebe "erheblichen Klärungsbedarf". Der DGB hatte sich bereits in der Vergangenheit kritisch zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht geäußert. Insbesondere die Mitgliedsgewerkschaft Verdi kritisierte, dass die Beschäftigten in Kliniken und Heimen durch die Regelung stigmatisiert würden.

Viele Länder schaffen 2-G-Regel im Einzelhandel ab

Zwischen Bund und Ländern bröckelt es aber noch an anderer Stelle. Während Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Lockerungen für nicht vertretbar hält und darauf verweist, dass der Höhepunkt der Omikron-Welle noch bevorstehe, verabschieden sich die Länder nach und nach von der 2-G-Regel im Einzelhandel. Die hessische Landesregierung hat sie schon vergangene Woche aufgehoben. Seit Mittwoch ist sie auch in Brandenburg und Schleswig-Holstein ausgesetzt. Von Samstag an fallen die Beschränkungen zudem in Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern weg, in Bremen soll es ebenfalls bald so weit sein.

Auch in Berlin hat sich der Senat laut der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) grundsätzlich darauf verständigt, 2G im Einzelhandel abzuschaffen. Im Saarland ist die Beschränkung nach einem Gerichtsurteil ausgesetzt; Thüringen und Sachsen haben 2G durch 3G ersetzt - damit dürfen auch negativ Getestete wieder einkaufen gehen. In Baden-Württemberg soll die 2-G-Regel nur von einer bestimmten Alarmstufe an gelten, die derzeit nicht gegeben ist. Damit gilt die Regelung uneingeschränkt nur noch in zwei Ländern: Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt.

Allerdings kündigte die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) mit Blick auf die Bund-Länder-Runde kommende Woche eine bundesweite Regelung an: "Klar ist, dass 2G im Handel auf jeden Fall fallen wird."

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