Corona-Proteste:Wenn die Radikalen das Regiment übernehmen

Querdenken Initiative Protests In Frankfurt Against Coronavirus Lockdown Measures

Bei den Demos der "Querdenker", wie hier im November in Frankfurt, gibt es immer wieder Ärger - weil weder Maskenpflicht noch Abstandsregeln eingehalten werden. Mehrmals kam es schon zu Zusammenstößen mit der Polizei.

(Foto: Thomas Lohnes/Getty Images)

Die Warnungen vor der "Querdenken"-Bewegung werden immer lauter. Auch ein Verfassungsschutzpräsident spricht davon, dass die Gruppe bald ein "Verdachtsfall" sein könnte.

Die Sorge vor einer weiteren Radikalisierung der "Querdenken"-Bewegung nimmt immer mehr zu. Der Thüringer Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer sagte am Donnerstag, es lägen inzwischen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Gruppe als Verdachtsfall eingestuft werden könnte. Eine abschließende Bewertung soll in Kürze im Verbund mit den anderen Landesämtern für Verfassungsschutz erfolgen, erzählte er dem RBB. Die Einstufung als Verdachtsfall würde es dem Verfassungsschutz ermöglichen, nachrichtendienstliche Mittel bei der Beobachtung und Informationsgewinnung einzusetzen.

Hintergrund sei ein Treffen von den Organisatoren der "Querdenken"-Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen mit Angehörigen der "Reichsbürger"-Szene in Saalfeld, sagte Kramer. Daran hätten etwa 100 Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet teilgenommen. Nur wenige seien wieder abgereist, nachdem ihnen die Zusammensetzung der Teilnehmer bewusst geworden sei. Laut Kramer beobachten die Verfassungsschutzämter inzwischen bundesweit, dass "Rechtsextremisten, Reichsbürger, Impfgegner und Verschwörungsphantasten" in der "Querdenken"-Bewegung "das Regiment übernehmen" würden.

Auch der bayerische Verfassungsschutz sieht die "Querdenken"-Bewegung als möglichen Nährboden für staatsfeindliche Bestrebungen. Die Mehrzahl der "Querdenken"-Veranstaltungen in Bayern sei nicht von Extremisten gesteuert worden. Bundesweit habe sich an einzelnen Veranstaltungen eine niedrige zweistellige Zahl Rechtsextremisten aus Bayern beteiligt.

"Sie greift die Demokratie an."

Der Antisemitismusbeauftragte der baden-württembergischen Landesregierung, Michael Blume, wirft den "Querdenkern" offen Demokratiefeindlichkeit vor. "Sie greift die Demokratie an", sagte Blume am Donnerstag im ZDF-"Morgenmagazin" über die Gruppe. "Wer es jetzt noch nicht sehen will, wie gefährlich diese Bewegung ist und wie die sich radikalisiert, der möchte es offensichtlich gar nicht wahrnehmen."

Uli Sckerl, Landtagsabgeordneter der baden-württembergischen Grünen, rechnet mit einer Entscheidung über einen sogenannten Prüffall in den kommenden Wochen. Das wäre zunächst die Vorstufe eines Verdachtsfalls. "Es gibt hinreichend Material, um in absehbarer Zeit eine gemeinsame und bundesweite Entscheidung zu fällen", sagte Sckerl, der auch dem Parlamentarischen Kontrollgremium im Stuttgarter Landtag vorsteht. Bereits vor etwa einer Woche hatte Innenminister Thomas Strobl (CDU) im Innenausschuss des Landtags vor dem zunehmenden Einfluss von Extremisten und Verfassungsfeinden in den Reihen der "Querdenker" gewarnt.

Am Samstag wollte die Gruppe in Bremen demonstrieren

Der Stuttgarter Unternehmer Michael Ballweg wehrte sich gegen die Vorwürfe: "Die Bewegung wird falsch dargestellt", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Wir sind eine friedliche Bewegung und keine politische Partei." Extremismus, Gewalt, Antisemitismus und menschenverachtendes Gedankengut hätten ebenso wenig Platz bei den "Querdenkern" wie die Symbole dieser Denkweisen.

Am Samstag wollen die "Querdenker" in Bremen am Hauptbahnhof demonstrieren. Sie hatten 20 000 Teilnehmer angemeldet. Der Innensenator hat die Versammlung verboten, weil der Platz viel zu klein sei, um dort die Corona-Regeln einhalten zu können. Das Bremer Verwaltungsgericht nannte das Verbot verhältnismäßig und erforderlich, die Veranstalter wollen nun die nächste Instanz anrufen.

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