Corona-Proteste:"Mehr als beängstigend"

Querdenken Demonstration in München München Bayern Deutschland Copyright: xAaronxKarasekx

Die Proteste gegen die Corona-Maßnahmen - hier ein Bild aus München - bekamen zuletzt wieder Zulauf.

(Foto: Aaron Karasek/imago images)

Nachdem Gegner der Corona-Politik mit Fackeln vor das Privathaus der sächsischen Gesundheitsministerin zogen, fordern Behörden und Politiker ein hartes Vorgehen gegen die eskalierenden Proteste.

Von Markus Balser, Berlin

Wie aktiv die Protestszene gegen Corona-Maßnahmen gerade ist? Der Nachrichtendienst Telegram lässt tief blicken: "Impfpflicht, Bußgelder, Beugehaft, alle sechs Monate boostern", warnt etwa die Junge Alternative in ihrem Kanal. "Aber nicht mit uns", so der Aufruf der AfD-Jugendorganisation, der mit den Worten schließt: "Die Jugend steht auf!" Dass in Deutschland niemand Beugehaft für Impfverweigerer fordert, stört die Absender ganz offenbar wenig. Der Termin steht trotzdem: Berlin, Samstag um 15 Uhr. Den genauen Treffpunkt wollen die Organisatoren allerdings "kurzfristig" bekanntgeben. Dass Behörden dazwischenfunken, will man offenbar lieber verhindern.

Zwar soll es laut AfD-Jugend um friedlichen Protest gehen. Dennoch alarmieren solche Aufrufe inzwischen Politiker und Sicherheitsbehörden im ganzen Land in höchstem Maß. Erst recht, seit am Freitag im sächsischen Grimma mutmaßlich Rechtsextreme mit Fackeln vor das Privathaus von SPD-Gesundheitsministerin Petra Köpping zogen. "Fürchterliche Bilder" seien durch das Land gegangen, sagte der designierte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montag, als er seine künftigen Ministerinnen und Minister vorstellte. Er kündigte eine harte Linie der neuen Regierung an. "Das dürfen wir uns als Land nicht gefallen lassen. Das war als Bedrohung gemeint."

Der schon scharfen Reaktion des künftigen Kanzlers folgten am Montag noch eindringlichere Warnungen seiner Koalitionspartner. Denn Grüne und FDP sehen schon zum Start der Regierung ein ernstes Problem. "Die noch immer zunehmende Radikalisierung weiter Teile der Szene ist mehr als beängstigend", sagte der stellvertretende Grünen-Fraktionschef Konstantin von Notz der Süddeutschen Zeitung. Die Bedrohung demokratischer Institutionen und ihrer Repräsentantinnen und Repräsentanten habe im Zuge der Corona-Proteste nochmals zugenommen. Wie schon die "Reichsbürger" seien auch "Querdenker" viel zu lange als harmlos abgetan worden.

Auch die FDP sieht rote Linien überschritten

Auch die FDP, die die Corona-Maßnahmen lange selbst als zu hart kritisiert und zunächst gegen eine Impfpflicht geworben hatte, sieht rote Linien überschritten. Wenn Aufmärsche vor den Häusern von Politikern stattfänden und Parlamentsgebäude nur noch mit hohem Polizeiaufwand geschützt werden könnten, sei eine Ebene "klar außerhalb des demokratischen und rechtsstaatlichen Spektrums" erreicht, warnt auch FDP-Vize und Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki.

Auch Ministerien befürchten wegen neuer Maßnahmen gegen Corona und der Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht eine weitere Radikalisierung des Milieus. In den vergangenen Tagen hätten die Sicherheitsbehörden festgestellt, dass in Messenger-Diensten wie Telegram zunehmend dazu aufgerufen werde, die Privatadressen von Politikern öffentlich zu machen, sagt etwa Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD). Verbunden sei dies mit der Forderung, "für die solle es jetzt ungemütlich werden". Es sei nicht auszuschließen, dass "Demokratiefeinde" in der vierten Corona-Welle "starken Zulauf bekommen könnten", hatte auch Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang schon Ende November gewarnt.

Damit wächst schon vor ihrem Start auch der Druck auf die künftige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), direkt nach ihrem Amtsantritt am Mittwoch klare Signale zu setzen. Bei ihrer Vorstellung als künftige Ministerin bezeichnete sie den Rechtsextremismus allgemein als die größte Gefahr, die sie energisch bekämpfen wolle. Aus der Union wurden am Montag Forderungen laut, die Strafverfolgung durch die Behörden zu verschärfen. Fraktionsvizechef Thorsten Frei sprach sich für den Aufbau von Schwerpunktstaatsanwaltschaften im Kampf gegen Hass und Hetze aus. Die würden "nicht nur die Bündelung von Expertise, sondern auch die Konzentration auf solche Verfahren ermöglichen", die zu "öffentlichkeitswirksamen Gerichtsverfahren" führen würden. "Ich glaube, dass eines der großen Probleme darin besteht, dass die Täter allzu oft anonym bleiben", sagte Frei.

Freiberg dürfe nicht "Abenteuerspielplatz der Rechtsextremen und Corona-Leugner werden"

Zuletzt hatten die Proteste gegen Corona-Maßnahmen wieder Zulauf bekommen. Am Wochenende waren in mehreren deutschen Städten Tausende auf die Straße gegangen. Allein in Hamburg protestierten nach Polizeiangaben etwa 5000 sogenannte Querdenker und Impfskeptiker. Demonstrationen gab es auch in Berlin, Potsdam, Hannover, Frankfurt am Main und Trier. Meist blieb es dabei friedlich. Für Montagabend waren in mehreren ostdeutschen Bundesländern weitere Proteste angekündigt.

Aber auch der Protest gegen den Protest formiert sich. Im sächsischen Freiberg übten mehr als 600 Bürgerinnen und Bürger harte Kritik an den anhaltenden Demonstrationen. "Mit Unverständnis, Sorge und immer größerem Zorn beobachten wir die montäglichen 'Corona-Spaziergänge' durch Freiberg", heißt es in einem Offenen Brief der Initiative "Freiberg für alle". Die Stadt dürfe nicht zum "Abenteuerspielplatz der Rechtsextremen und Corona-Leugner werden". Sachsen hat derzeit mit 1234 die höchste Sieben-Tage-Inzidenz im Bundesgebiet.

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