Corona-Pandemie:Lebensretter im Überfluss

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Lange waren Beatmungsgeräte Mangelware - jetzt bricht die Nachfrage ein. Wie kann das sein?

Von Bernd Dörries

Es war ein freudiges Ereignis an einem Ort, der nicht der einfachste war in den vergangenen Monaten. Vor einer Woche bekam das Charlotte-Maxeke-Krankenhaus in Johannesburg eine Lieferung neuer Beatmungsgeräte. Die Maschinen seien in der Corona-Pandemie entscheidend, sagte der leitende Arzt Oliver Smith. Es waren die ersten von 20 000 Geräten, die in den kommenden Wochen an Krankenhäuser in ganz Südafrika verteilt werden sollen - allesamt aus südafrikanischer Produktion. Es ist ein kleines Wunder, das da in Südafrika vollbracht wurde, innerhalb weniger Monate wurden die Beatmungsgeräte konzipiert, zertifiziert und schließlich produziert. Dennoch regte sich Kritik. Brauchen wir die überhaupt, fragen Politiker der Opposition.

Als die Corona-Pandemie begann, galten Beatmungsgeräte als wichtiger Indikator, wie gut ein Land durch die Pandemie kommen würde - oder eben nicht. Tabellen wurden erstellt, auf denen die reichen Länder an der Spitze standen und die armen ganz unten. Für Solidarität war kein Platz, die USA ließen Beatmungsgeräte konfiszieren, die nur auf US-amerikanischen Flughäfen zwischengelandet waren. Es wirkte wie ein Wettlauf gegen die Zeit. Etwa 60 Länder erließen Exportbeschränkungen für medizinisches Gerät, die Welthandelsorganisation sah sich im April gezwungen, die internationale Gemeinschaft zu einem "angemessenen, transparenten und nicht diskriminierenden" Verhalten zu ermahnen.

Ein halbes Jahr später rücken nun viele Länder von ihren umfangreichen Bestellungen ab. Deutschland hatte ursprünglich 26 281 Geräte bestellt und versucht nun nach der Auslieferung von knapp 8000 Apparaten den Rest zu stornieren, teilte die Bundesregierung auf eine Anfrage der FDP mit. Die USA brauchen mehrere Zehntausend Maschinen nicht mehr, auch Ungarn hat zu viele Geräte. Wie konnte es dazu kommen?

Zu Anfang der Pandemie, so sagen viele Ärzte, seien viele Patienten sehr schnell an eine Beatmungsmaschine angeschlossen worden, es galt als fast einzige Möglichkeit der Lebensrettung. Mittlerweile haben Mediziner viel gelernt über den Krankheitsverlauf. Zudem infizieren sich momentan eher jüngere Menschen, deren Verläufe milder sind und die weniger häufig beatmet werden müssen. Durch drastische Lockdowns wurde in vielen Ländern die Kurve der Neuinfektionen nach unten gedrückt, Südafrika war über mehrere Wochen hinweg in der weltweiten Spitzengruppe, das Gesundheitssystem war überlastet, kollabierte aber nicht.

Die 20 000 Beatmungsgeräte für Südafrika seien trotzdem nicht umsonst, sagt Didi Masoetsa vom Solidarity Funds, einer Stiftung, die die Geräte mit Spenden bezahlt. Die neuen Maschinen sind nicht invasiv, Patienten bekommen also nur eine Maske aufgesetzt, keinen Schlauch in den Hals und müssen nicht unter Narkose gesetzt werden, was die Überlebenschancen steigert.

Sollte es in Südafrika zu einer zweiten Welle kommen, sei das Land nun besser gerüstet. Vor allem aber gebe es nun auch in Afrika einen Produktionsstandort für Beatmungsgeräte, die dank der billigen Kosten auch für Länder erschwinglich seien, die immer noch zu wenig medizinisches Gerät haben.

© SZ vom 07.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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