Corona-Pandemie:Einreisestopp aus Tschechien und Tirol

210127 Grenze. Die Polizei und Bundespolizei intensivieren ihre Grenzkontrollen zu Risikogebieten. So wurden am Mittwoc

Grenznahe Gebiete Tschechiens sollen als Virusmutationgebiete eingestuft werden. Der Grenzverkehr wird dann intensiv überwacht.

(Foto: Bernd März/imago images)

Um die Ausbreitung gefährlicher Virusmutanten zu verhindern, will Innenminister Seehofer bayerische und sächsische Grenzen vom Wochenende an schließen.

Von Constanze von Bullion und Henrike Roßbach, Berlin

Wegen der Häufung von Virusmutationen will die Bundesregierung einen Einreisestopp aus Tschechien und Tirol verhängen. "Der Freistaat Bayern und der Freistaat Sachsen haben heute die Bundesregierung gebeten, Tirol und grenznahe Gebiete Tschechiens als Virusmutationgebiete einzustufen und stationäre Grenzkontrollen vorzunehmen", sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer der Süddeutschen Zeitung. "Wir werden das wohl so entscheiden. Das ist mit der Kanzlerin und dem Vizekanzler abgestimmt." Die Maßnahmen, die den Einreisesperren aus Großbritannien entsprechen, würden nun zwischen den Regierungsressorts abgestimmt. Auch über Ausnahmen wird noch verhandelt. "Wir werden wohl in der Nacht zum Sonntag starten", kündigte Seehofer an.

In Tschechien werden vermehrt Varianten des Coronavirus registriert. Einige Landkreise wurden dort isoliert. Auch im Osten Bayerns setzen sich gefährliche Mutationen durch. "Uns treibt die Sorge um vor Tirol", sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nach einer Kabinettssitzung am Donnerstag. Es sei "nicht erkennbar", dass Tirol die strengen Infektionsschutzmaßnahmen der Wiener Regierung konsequent umsetze. Deshalb hätten Bayern und Sachsen die Bundesregierung um Unterstützung gebeten.

An der bayerisch-österreichischen Grenze gibt es bereits seit 2015 stationäre Grenzkontrollen. Seehofer will diese nun auch an der tschechischen Grenze einführen. "Wir können nicht in Deutschland alle Schuhläden zusperren, aber den ungebremsten Eintrag von Virusvarianten aus dem Ausland zulassen", sagte er.

Geplant seien Transportverbote, wie sie bereits für Reisende aus Großbritannien, Irland, Portugal, Südafrika und Brasilien gelten. Da es sich bei Tschechien und Tirol um unmittelbare Nachbarregionen Deutschlands handle, müssten aber auch die Kontrollen des Individualverkehrs in Autos verschärft werden. "Stationäre Kontrollen sind unverzichtbar, da wir mit Zurückweisungen arbeiten", sagte Seehofer. Er plädierte dafür, Pflegerinnen und Pfleger sowie medizinisches Personal weiter einreisen zu lassen.

Im Bundestag hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in einer Regierungserklärung die jüngsten Corona-Beschlüsse von Bund und Ländern verteidigt. Demnach wird der Lockdown bis zum 7. März verlängert, Friseurläden dürfen bereits eine Woche früher öffnen. Über die Rückkehr zu Präsenzunterricht sollen die Länder in eigener Verantwortung entscheiden. Merkel warnte im Bundestag, weitere Lockerungen dürften nicht zu einer neuen Infektionswelle führen. "Ich glaube nicht, dass das Hin und Her, einmal öffnen, einmal wieder schließen, für die Menschen mehr Berechenbarkeit bringt als ein paar Tage länger zu warten." Sie machte deutlich, dass ihr eine spätere Öffnung der Schulen und Kitas lieber gewesen wäre, sie aber die Kultushoheit der Länder akzeptiere.

Die AfD-Fraktionsvorsitzende Alice Weidel warf der Regierung verfassungswidriges Handeln vor und nannte die Ministerpräsidentenkonferen eine "Kungelrunde". FDP-Fraktionschef Christian Lindner sagte, die Erwartungen an die Bund-Länder-Runde seien groß gewesen, die Hoffnungen aber enttäuscht worden, "denn viele Menschen haben sich mehr erwartet als einen frischen Haarschnitt". Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) warf Lindner daraufhin vor, die Krise zu nutzen, um Wahlkampf zu betreiben, das sei "erbärmlich". Kritik übte aber auch Brinkhaus: Dass Menschen, die älter als 80 Jahre sind, in Telefon- und Onlineschleifen festhingen, um einen Impftermin zu ergattern, sei würde- und respektlos. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch hielt der Kanzlerin "null Selbstkritik, aber viel Selbstgefälligkeit" vor - und eine "Papst-Attitüde der Unfehlbarkeit". Dabei sei Deutschland "abgestiegen in den Impfkeller Europas".

Besonders enttäuscht von Ergebnissen der Ministerpräsidentenkonferenz zeigte sich der Einzelhandel. Die Politik habe ihre Hausaufgaben nicht gemacht, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands HDE, Stefan Genth. Sie bleibe dem Handel den versprochenen Ausstiegsplan aus dem Lockdown schuldig. Auch Industriepräsident Siegfried Russwurm nannte es zwar richtig, "auf vorschnelle Lockerungen zu verzichten". Bund und Länder hätten es aber wieder versäumt, eine "klare Perspektive" für ein einheitliches Vorgehen und eine stufenweisen Öffnung der Wirtschaft aufzuzeigen. Genth vom HDE nannte den Umgang mit den 200 000 betroffenen Handelsunternehmen "unangemessen". Jeder zweite vom Lockdown betroffene Händler sehe ohne weitere staatliche Hilfen seine Existenz in Gefahr.

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