Süddeutsche Zeitung

Corona-Pandemie:Der nächste Schritt

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Die EU-Kommission lässt den ersten Impfstoff gegen Covid-19 zu. Die Europäische Arzneimittelbehörde weist Vorwürfe zurück, das Prüfverfahren habe unnötig lang gedauert.

Von Karoline Meta Beisel und Kathrin Zinkant, Berlin/Hamburg

Der Stolz war Emer Cooke anzumerken: sie sei "hoch erfreut", dass die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) den ersten Impfstoff gegen Covid-19 zur Zulassung in der EU empfehlen könne, sagte die EMA-Chefin am Montagnachmittag bei einer Pressekonferenz in Amsterdam. Damit sei es gelungen, innerhalb von weniger als einem Jahr einen Impfstoff bis hin zur Marktreife zu entwickeln. "Das ist wirklich ein historischer, wissenschaftlicher Erfolg", sagte Cooke. Die EMA empfehle den von den Unternehmen Biontech und Pfizer entwickelten Impfstoff für Menschen ab 16 Jahren - vorerst aber nicht für schwangere Frauen, da an den bisherigen klinischen Studien noch zu wenige Schwangere teilgenommen hätten. Bei werdenden Müttern solle die Entscheidung darum von Fall zu Fall getroffen werden, auch unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsrisikos.

Die Empfehlung der EMA bereitete dann auch den Weg für die letzte nötige Entscheidung: Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärte noch am Montagabend, die Kommission erteile dem Impfstoff die bedingte Marktzulassung. Diese Nachricht sei "ein sehr guter Weg, dieses schwierige Jahr zu beenden, und im Kampf gegen die Covid-Pandemie ein neues Kapitel aufzuschlagen", sagte sie. Die Impfungen könnten nun in der ganzen EU am 26., 27. und 28. Dezember beginnen - je nach Fortschritt der Vorbereitungen.

EMA-Chefin Cooke sagte, ihre Behörde habe sich nur von den wissenschaftlichen Fakten leiten lassen

Emer Cooke hatte am Nachmittag gesagt, ihre Mitarbeiter hätten "Tag und Nacht" gearbeitet. Trotzdem hängt Festland-Europa mit dem Impfstart Ende Dezember Großbritannien, wo weltweit die ersten Impfungen verabreicht wurden, um knapp zwei Wochen hinterher. Das hatte in den vergangenen Tagen für Unmut gesorgt - und für großen Druck auf die EMA. Deren Chefin Cooke sagte, ihre Behörde habe sich im Prüfverfahren nur von den wissenschaftlichen Fakten leiten lassen, "und von nichts sonst".

Dass die EU länger brauchte als Großbritannien, aber auch Staaten wie die USA, wo der designierte Präsident Joe Biden sich am Montag vor laufenden Kameras impfen ließ, liegt vor allem an den unterschiedlichen Zulassungsverfahren: Großbritannien brachte den Biontech-Impfstoff per Notfallzulassung auf den Markt, erlaubte also die vorübergehende Anwendung des noch nicht ordentlich zugelassenen Vakzins. Die EU-Länder dagegen entschieden sich für eine sogenannte "bedingte Marktzulassung". Politiker wie der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese halten diese für sicherer, da sie eine umfassendere Bewertung hinsichtlich Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Impfstoffes beinhalte.

Das ordentliche Verfahren soll die Akzeptanz erhöhen

Außerdem gebe es Unterschiede bei der Haftung: So müsse in Großbritannien der Staat für etwaige Schäden einstehen. Bei der bedingten Marktzulassung der EU hafteten die Unternehmen. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich auch deshalb für dieses ordentliche Verfahren entschieden, weil sie hoffen, durch die ausführlichere Prüfung die Akzeptanz zu erhöhen. "Uns ist klar, dass Impfstoffe nur helfen können, wenn die Bürger auch genug Vertrauen in das Zulassungsverfahren haben, um sich impfen zu lassen", sagte EMA-Chefin Cooke.

Dass der Impfstoff nun eine "bedingte" Marktzulassung bekommt, bedeutet, dass Biontech auch nach der Zulassung weiter Daten an die EMA liefern muss. Der Vorsitzende des zuständigen EMA-Gremiums, der deutsche Mediziner Harald Enzmann, sagte am Montag, man wisse zum Beispiel noch nicht, ob der Impfstoff nur den Ausbruch von Covid-19 verhindere - oder sogar schon die Infektion mit dem Corona-Virus. Auch zur Impfung von Kindern und schwangeren Frauen sollen weitere Daten erhoben werden. Gut dagegen sei die Studienlage bereits für ältere Menschen über 75 Jahren: Jeweils mehr als 800 Teilnehmer aus dieser Altersgruppe hätten den Wirkstoff und das Placebo bekommen.

In Deutschland prüft das Paul-Ehrlich-Institut die gelieferten Chargen

Bevor das Vakzin zur Verfügung steht, prüft in Deutschland erst noch das Paul-Ehrlich Institut als Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, ob die gelieferten Chargen den geforderten Standards entsprechen. Geordert hat der Bund über die europäischen Verträge und nationale Absprachen bislang etwa 86 Millionen Dosen des Biontechimpfstoffs und weitere 50,5 Millionen Dosen vom Vakzin des Konkurrenten Moderna. Die US-Firma hat bereits eine Zulassung in den Vereinigten Staaten erhalten, Anfang Januar will auch die EMA eine diesbezügliche Entscheidung für Europa treffen.

Der CDU-Politiker Liese warnte, Impfstoffe würden noch eine ganze Weile knapp sein. "Niemand hat genügend Impfstoff, um in den nächsten Wochen auch nur die Risikogruppen zu impfen. Das wird sich aber im Frühjahr bessern und, je nachdem wie der weitere Ausbau des Produktionsprozesses gelingt, im Sommer oder im Herbst nochmal deutlich bessern", so Liese.

Auch Behördenchefin Cooke warnte, die Pandemie sei noch nicht vorbei: "Impfstoffe sind keine Wunderwaffe, mit der wir zu unserem normalen Leben zurückkehren können." Weiterhin sollten die Menschen Masken tragen, sich die Hände waschen, und wo immer möglich Abstand zueinander halten. Vorsichtiger Optimismus sei aber dennoch angebracht: Die positive Empfehlung für den Biontech-Impfstoff sei ein Indiz dafür, dass 2021 ein besseres Jahr werden könnte, als es 2020 war.

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