Corona:Spanien ruft den Notstand aus

Madrid verhängt eine nächtliche Ausgangssperre. Auch in Deutschland spitzt sich die Lage zu. In München müssen Restaurants von 21 Uhr an schließen.

Von Constanze von Bullion, Felix Hütten und Karin Janker, München

Coronavirus - Spanien

Erzwungene Stille: In den sonst spätabends oft so belebten spanischen Städten gilt nun eine Ausgangssperre, so wie hier in Salamanca.

(Foto: Manuel Ángel Laya/dpa)

Spaniens Regierung hat erneut den Alarmzustand ausgerufen. "Europa und Spanien sind mitten in der zweiten Welle", sagte Ministerpräsident Pedro Sánchez in einer Fernsehansprache am Sonntag nach einer außerordentlichen Sitzung des Ministerrats. Es ist der zweite landesweite Notstand in Spanien. Der erste war im Juni aufgehoben worden, als die Infektionszahlen zurückgingen. Nun steigen die Zahlen wieder stark an. Sánchez versucht, das Virus diesmal mit weniger drastischen Maßnahmen wie etwa einer nächtlichen Ausgangssperre zu bremsen. Sie gilt von Sonntagabend an.

Auch in Deutschland breitet sich das Coronavirus weiter schnell aus. Binnen 24 Stunden sei die Zahl der bestätigten Ansteckungen um 11 176 auf insgesamt 429 181 gestiegen, teilte das Robert-Koch-Institut (RKI) am Sonntag mit. Damit bleiben die Neuinfektionen den vierten Tag in Folge über der Schwelle von 10 000, obwohl die Zahlen am Sonntag für gewöhnlich niedriger ausfallen, da die Gesundheitsämter häufig nicht alle Daten übermitteln.

In zahlreichen Regionen Deutschlands spitzt sich die Situation weiter zu, in Nordrhein-Westfalen etwa gelten mittlerweile nahezu alle der 53 Kreise und kreisfreien Städte als Corona-Risikogebiete, in denen die Warnschwelle von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen überschritten wurde. Die Stadt Solingen etwa meldet derzeit 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner pro Woche, in Köln sind es gut 150. Auch in Bayern steigen die Zahlen. Das RKI meldete für München einen Wert von etwa 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen. Von Montag an müssen daher in der bayerischen Landeshauptstadt alle Restaurants von 21 Uhr an schließen, zudem gilt von dieser Uhrzeit an ein stadtweites Verbot, Alkohol zu verkaufen und im Freien zu konsumieren. Gemäß den Corona-Richtlinien des Freistaats werden zu Veranstaltungen nur noch 50 Zuschauer oder Teilnehmer zugelassen.

b.a. Corona im Herbst in München (Viktualienmarkt) Foto: Michael Westermann *** b a Corona in autumn in Munich Viktuali

München im Herbst 2020: Seit Sonntag liegt der Inzidenzwert hier über 100. In der bayerischen Landeshauptstadt müssen von Montag an alle Restaurants ab 21 Uhr schließen.

(Foto: Michael Westermann/imago)

Schlechte Nachrichten gab es auch aus der Bundesregierung. Nach Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wurde Entwicklungsstaatssekretär Martin Jäger (CDU) positiv auf das Coronavirus getestet. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) befindet sich vorbeugend in Quarantäne. Da das Bundeskabinett mit Maske und Abstand tage, gebe es vorerst keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen, hieß es im Kanzleramt. In der CDU galt die Verschiebung des Parteitags Anfang Dezember am Sonntag als wahrscheinlich. Am Montag will der Parteivorstand entscheiden. Die Linkspartei, die ebenfalls eine neue Parteispitze wählen muss, hofft Ende Oktober einen wegen der Pandemie verkürzten Parteitag abhalten zu können.

In Berlin attackierten Unbekannte ein Gebäude des Robert Koch-Instituts. Gegen die Fassade seien in der Nacht zum Sonntag Brandsätze geworfen worden, teilte die Polizei mit. Verletzt wurde niemand.

Expertinnen und Experten fordern angesichts der immer weiter steigenden Zahlen ein deutliches Umdenken in der aktuellen Corona-Strategie. "Wenn es uns in den kommenden zwei bis drei Wochen nicht gelingt, die persönlichen Kontakte zu beschränken, werden die Zahlen in wenigen Wochen so stark gestiegen sein, dass uns nur noch ein erneuter Lockdown bleibt", sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach.

Als mögliche Maßnahmen werden derzeit eine veränderte Strategie der Nachverfolgung von sogenannten Clustern diskutiert. Bislang versuchen die Gesundheitsämter jeden einzelnen Kontakt einer positiv auf das Coronavirus getesteten Person ausfindig zu machen. Diese Strategie ist wirkungsvoll - allerdings auch sehr aufwendig. Mit steigenden Infektionszahlen stehen die Ämter vor der Überlastung. In Berlin etwa sei es den Gesundheitsämtern nicht mehr möglich, jeden einzelnen Fall zu bearbeiten, sagte die dortige Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD). Menschen mit positivem Testergebnis sind in Berlin nun aufgerufen, sich auch ohne Kontakt zum Gesundheitsamt so schnell wie möglich in Quarantäne zu begeben.

Auch diskutiert werden vermehrt zeitlich begrenzte "Mini-Lockdowns", mithilfe derer das Infektionsgeschehen zumindest etwas gebremst werden könnte. In Berlin plant Gesundheitssenatorin Kalayci hierfür einen Stufenplan.

Wie der Tagesspiegel berichtet, sieht Kalayci in einer ersten Stufe "leichte Verschärfungen der geltenden Regeln" vor, in einer "Stufe 2" unter anderem ein "Verbot touristischer Übernachtungen" sowie die Schließung von Bädern, Museen, Kitas und Schulen.

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