Neue Corona-Maßnahmen:Ein zweiter Lockdown droht

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Keine Restaurantbesuche bis Ende November? Das soll eine Beschlussvorlage des Bundes vorsehen. (Foto: dpa)

Angesichts rasant steigender Infektionen will die Kanzlerin private Begegnungen wieder stärker begrenzen. Auch für Lokale, Fitnessstudios und Freizeitparks könnte der November bitter werden. Unklar ist, ob die Länder bei den Plänen mitziehen.

Von Nico Fried, Kristiana Ludwig, Berlin, und Andreas Glas, Berlin/München

Deutschland steht wegen steigender Infektionszahlen in der Corona-Pandemie vor weiteren Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) strebt zusätzliche Vereinbarungen mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten an, um die Zahl der Kontakte und damit das Ansteckungsrisiko zu vermindern.

In der für diesen Mittwoch angesetzten Videokonferenz mit den Länderchefs will die Kanzlerin dem Vernehmen nach dafür werben, auf bewährte Instrumente aus dem Frühjahr zurückzugreifen. Dies würde zum einen bedeuten, dass Veranstaltungen weiter eingeschränkt oder auch verboten würden. Zum anderen könnten Begegnungen im privaten Rahmen auf eine begrenzte Personenzahl aus nur zwei Haushalten reduziert werden. Hinzukommen könnten auch Schließungen von Restaurants und Bars, wie die Bild-Zeitung berichtete.

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Regierung nennt verschiedene Zahlen - aufgrund verschiedener Datenquellen. Unterdessen werden mehrere Ausbrüche in Kliniken und Seniorenheimen gemeldet.

Auch die Deutsche Presse-Agentur meldete unter Berufung auf eine Beschlussvorlage des Bundes, diese sehe eine erneute Schließung von Gastronomiebetrieben ab dem 4. November bis zum Ende des Monats vor - ausgenommen seien wie schon im Frühjahr Lieferung und Abholung von Speisen. Touristische Übernachtungsangebote im Inland sollen demnach im November fast komplett verboten werden. Erlaubt sein sollen nur noch Übernachtungsangebote für notwendige Zwecke. Auch für Theater, Opern, Konzerthäuser, Sportanlagen, Schwimm- und Spaßbäder, Fitnessstudios, Sportbetriebe, Messen, Kinos, Freizeitparks, Kosmetikstudios, Massagepraxen oder Tattoostudios könnte es erneut bitter werden: Sie sollen laut Beschlussvorlage den Großteil des Novembers ebenfalls geschlossen bleiben. Ausgenommen sein sollen Friseursalons. Unbedingt offenhalten will der Bund nach dpa-Angaben Schulen und Kindergärten.

Die Kanzlerin hatte die Videokonferenz mit den Regierungschefs der Länder wegen der steigenden Infektionszahlen kurzfristig vorgezogen. Am Dienstag sagte sie: "Wir wissen, wie wir uns schützen können." Deshalb könne man "zielgerichteter vorgehen". Wichtigstes Ziel der Bundesregierung bleibt es, bei möglichst allen Infizierten in ausreichendem Maße über die Gesundheitsämter die Kontakte nachverfolgen zu können, um Infektionsketten zu durchbrechen. Dazu soll von der Bundeswehr wie auch aus Bundesbehörden weiteres Personal rekrutiert werden.

Die Gesundheitsämter meldeten nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom Dienstag 11 409 neue Corona-Fälle binnen eines Tages. Am Dienstag vor einer Woche waren es noch 6868.

Der Anstieg wird laut RKI insbesondere durch private Treffen und Veranstaltungen verursacht. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, Deutschland habe es mit einem exponentiellen Wachstum zu tun. Die Zahl der Neuinfektionen steige jeden Tag um rund 70 bis 75 Prozent im Vergleich zur Vorwoche. "Und das bedeutet: Wir werden wahrscheinlich schon Ende dieser Woche 20 000 Neuinfektionen am Tag haben."

Völlig offen ist, ob und inwieweit die Länder Merkel folgen

Völlig offen war am Dienstag noch, inwieweit die Länder dem Bund folgen werden. Zuletzt hatte es immer wieder Beschlüsse der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin gegeben, an die sich manche Länder nicht gebunden fühlten.

In Thüringen kündigte Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) am Dienstag bereits an, dass er "einer Lockdown-Beschlussfassung" in der Konferenz "nicht zustimmen werde". Die Vorschläge des Bundes würden den Ländern zu kurzfristig vorgelegt, argumentierte er: Die weitreichenden Eingriffe erforderten jedoch eine parlamentarische Debatte.

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) unterstützte Merkels Forderung nach bundesweiten, strengeren Kontaktbeschränkungen. "Nicht das Verlassen der eigenen Wohnung ist das Problem, sondern der Kontakt mit anderen", so Laschet. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) kündigte schärfere Kontaktverbote an. Eine Gruppengröße von zehn Personen - egal in welchem Zusammenhang - dürfe in den kommenden drei Wochen nicht überschritten werden.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach sich für harte und rasche Einschränkungen aus. "Lieber schneller und konsequent als verzögert und verlängert", sagte Söder. Die Ministerpräsidenten dürften nicht erneut "etwas beschließen, das zwei Wochen später wieder überholt ist". Er stelle sich auf eine schwierige Sitzung am Mittwoch ein: "Klar ist, es wird nicht einfach. Und klar ist, es wird auch nicht schön." Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) forderte, dass Maßnahmen "deutschlandweit möglichst einheitlich getroffen werden und allgemein verständlich sein" sollten. In diesen Wochen entscheide sich, ob Deutschland weiter vergleichsweise gut durch die Pandemie komme.

Überlegungen einzelner Politiker und Wissenschaftler, einen auf ein oder zwei Wochen befristeten harten Lockdown zu beschließen, um das Virus quasi auszutrocknen, treffen in der Bundesregierung auf keine Unterstützung. Sie gelten in der Realität als wenig praktikabel und sozial nicht wünschenswert. Zuletzt hatte der stellvertretende CDU-Vorsitzende Thomas Strobl einen entsprechenden Vorschlag für einen siebentägigen Lockdown gemacht.

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